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Sören Bartol
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Frage von Insa J. •

Frage an Sören Bartol von Insa J. bezüglich Humanitäre Hilfe

Am 04.03.20 haben sie gegen die Aufnahme von 5000 besonders schutzbedürftiger Geflüchteter aus den griechischen Lagern gestimmt, - wieso? Schon damals waren viele Kommunen und Städte bereit, Geflüchtete aufzunehmen und dennoch verhinderten sie dies mit Ihrer Stimme. Erklären Sie mir das bitte. Die Bereitschaft zu Menschlichkeit und Solidarität mit den Menschen auf Lesbos hält in vielen Regionen der BRD an und wird öffentlich kund getan. Die Situation auf Lesbos ist nicht mehr tragbar und schon längst nicht mehr zu verantworten. Was werden Sie tun, um Geflüchtete aufzunehmen und den Menschen auf Lesbos zu helfen?
Danke für Ihre Antwort, Insa Jebens

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau J.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Zunächst einmal zu Ihrer konkreten Frage, deren Antwort sowohl auf den Antrag der Grünen, als auch auf den von der Fraktion Die Linke bezogen werden kann. Bei der Abstimmung im Bundestag geht es nicht um Symbolpolitik, sondern vielmehr darum, die Aufnahme von Menschen aus Griechenland auch tatsächlich durchzusetzen. Es ist ein Irrglaube, dass die SPD-Bundestagsfraktion einfach nur dem Antrag der Grünen oder der Fraktion Die Linke zustimmen müsste und schon kämen die Menschen nach Deutschland. Das Gegenteil wäre der Fall: Damit wäre keinem einzigen geflüchteten Menschen in Griechenland geholfen, Deutschland hätte stattdessen zusätzlich eine handfeste Regierungskrise.

Die Bilder aus Moria auf Lesbos sind bestürzend und für mich als Familienvater kaum zu ertragen. Es handelt sich um eine humanitäre Katastrophe. Moria steht aber schon seit Monaten in Flammen. In den Flammen des Elends, der Verzweiflung, der Selbstaufgabe Europas. Die Zustände in den Aufnahmeeinrichtungen auf den griechischen Inseln sind unbestritten katastrophal und untragbar. Diese desolate Situation ist Europas unwürdig. Zur akuten humanitären Hilfeleistung und langfristigen Entlastung Griechenlands auf den Inseln brauchen wir so schnell wie möglich konkrete Lösungen. Deutschland muss unmittelbar technische und humanitäre Hilfe leisten, auch zur Versorgung der Coronafälle. Das THW ist kurzfristig in der Lage, ein funktionsfähiges Übergangslager zu errichten. Der UNHCR sollte schnell mit der Organisation des Zentrums betraut werden. Moria muss unmittelbar evakuiert werden. Die Aufnahme Geflüchteter durch mehrere europäische Länder lief zuletzt mehr als schleppend. Auch wenn Deutschland bisher mit Abstand die meisten Menschen aus Griechenland aufgenommen hat, ist das nicht mehr ausreichend. Aber auch unsere europäischen Partner bleiben in der gemeinsamen Verantwortung. Der Bundesinnenminister sollte im Rahmen einer Sondersitzung der EU-Innenminister weiter an einer Aufnahme von Geflüchteten im Rahmen einer europäischen Koalition der Vernunft arbeiten. Deutschland muss zudem seine Ratspräsidentschaft dafür nutzen, langfristig tragfähige Lösungen zu moderieren. Mit unserem gemeinsamen Handeln zur Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland machen wir einen ersten und notwendigen humanitären Schritt. Unser Ziel bleibt es, dass sich am Ende alle europäischen Mitgliedstaaten in diese Solidarität einbringen. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert einen Neuanfang für das Gemeinsame Europäische Asylsystem, denn für eine grundsätzliche Lösung brauchen wir eine Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik und des gemeinsamen europäischen Asylsystems. Wir müssen weg vom Prinzip der Zuständigkeit des Ersteinreisestaates. Deutschland war 2019 nach der Türkei das zweitgrößte Aufnahmeland weltweit, im Verhältnis zu den Einwohnern im Ankunftsland allerdings schaffen andere Staaten noch mehr. Wir brauchen eine gerechte und solidarische Verteilung geflüchteter Menschen auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Nur so schaffen wir dauerhaft eine Entlastung der Staaten an den EU-Außengrenzen und somit auch insbesondere Griechenlands. Daran arbeiten wir auf EU-Ebene mit Hochdruck. Die EU-Kommission muss endlich ihre Vorschläge präsentieren und diese fortgesetzte Schande an unseren Außengrenzen beenden. Ein erster Schritt sollte, wie bereits im Frühjahr vorgeschlagen, die Entwicklung eines Pilotmodells für ein gemeinsam betriebenes Asylzentrum unter europäischer Flagge auf den griechischen Inseln sein. Dieses muss menschenwürdige Standards auf europäischem Boden sicherstellen, vergleichbar etwa dem Hamburger oder Heidelberger Ankunftszentrum mit Höchstbelegungszeiten und -plätzen, in dem Verfahren fair und schnell durchgeführt und von wo eine Weiterverteilung organisiert werden kann.

Die wichtigsten Botschaften und Fakten
• In unmittelbarer Not ist schnelles Handeln gefordert. Es ist gut, dass sich die Union auf unseren Druck hin endlich bewegt hat.
• Deutschland nimmt nun insgesamt ca. 2750 Personen aus Griechenland auf - 981 mit den Zusagen seit März, 150 unbegleitete Minderjährige mit der Entscheidung vom vergangenen Freitag plus nun 1553, hauptsächlich Kinder und ihre Familien.
• In der europäischen Koalition der Menschlichkeit beteiligen sich elf EU-Länder plus Norwegen und Serbien an der Aufnahme von Geflüchteten. In diesem Rahmen sind bislang 758 Geflüchtete aus Griechenland überstellt worden, 574 nach Deutschland, 184 in sechs weitere Länder. Weitere EU- Mitgliedsländer leisten über das EU- Katastrophenschutzverfahren Sachleistungen vor Ort. Der Prozess läuft elend schleppend. Wir sehen unsere europäischen Partner weiter mit uns in der Verantwortung.
• Zu der umfangreichen humanitären Hilfe vor Ort aus Deutschland zählen etwa 1028 Zelte, 7000 Schlafsäcke, 1400 Feldbetten, 22 Sanitärcontainer, Decken und Schlafunterlagen.
• Es geht nicht um Zahlen, es geht um Menschen. Wir lassen nicht nach, bis wir menschenwürdige Bedingungen erreicht haben, die mit europäischem Recht und unseren Werten vereinbar sind.
• Dazu braucht es eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, wie wir sie in unserem Fraktionsbeschluss entwickelt haben.

Ich hoffe Ihnen die Lage der SPD-Bundestagsfraktion mit meiner Antwort ein wenig nähergebracht zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Sören Bartol

 

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