Frage an Sören Bartol von Jochen B. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Bartol,
ich beziehe mich auf eine DPA Mitteilung zu einer Änderung des BImSchG, wo ein "Grenzwert für Ausnahmen von Fahrverboten" definiert werden soll (270 mg). Sie halten diese Zahl für richtig. Dazu habe ich folgende Fragen:
1) Wie kommt man auf diese Zahl, d.h. wie wurde von wem ermittelt, dass bei 270 mg (etwa dem Grenzwert für Euro 4 Diesel) Fahrzeugemissionen keine Gefahr für die Luftgrenzwerte mehr besteht?
2) Warum werden Euro-4-Diesel, für die ein Grenzwert von 250 mg gilt, trotzdem mit Fahrverboten belegt? Oder weiß man heute, dass auch damals schon (2005) manipuliert wurde und die realen Emissionen viel schlechter waren? Ich habe darüber (noch) nichts gehört. Ansonsten muss man doch annehmen dass sie den Grenzwert einhalten? Dann wäre das eine Diskriminierung
3) wichtigste Frage: woher weiß man wieviel ein Euro-5-Diesel z.B. nach dem Update emittiert? Laut KBA war eine Überprüfung auf die Einhaltung irgendeines Grenzwertes im realen Fahrverkehr nicht Gegenstand der Freigabe der Updates. Bis heute weiß ja kein einziger Besitzer / Fahrer eines Diesel mit Euro 5, wieviel Emissionen sein Fahrzeug im "Alltag" hat. Woher soll dass dann z.B. eine kommunale Behörde wissen? Oder gibt es diese Messungen bereits und werden vom KBA geheimgehalten?
Sie müssen mir diese Fragen nicht im Detail selber erklären, es genügt auch, wenn Sie auf zugängliche Informationen, Publikationen oder Dokumente verweisen.
4) Jeder Kfz-Besitzer kann die Emissionswerte seines Fahrzeugs nur im CoC nachlesen, in dem bestätigt wird dass diese Werte gesetzeskonform sind. Doch das sind nach wie vor die reinen Prüfstandswerte mit Betrugs-Software. Die Gültigkeit des CoC muss also angezweifelt werden. Sowohl die Übereinstimmung mit geltendem Recht, wenn dazu illegale Software verwendet wurde, als auch mit dem Umstand, dass nach irgendwelchen Maßnahmen die Werte nicht mehr mit den bescheinigten übereinstimmen. Wie würdigen Sie diese Tatsache?
MfG J.B.
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes, die ich gern beantworten möchte.
Frage Nr. 1
Der Grenzwert von 270 mg/km als Vorgabe für Dieselfahrzeuge, die in Städte mit Fahrverboten noch einfahren dürfen, leitet sich aus den Vorgaben für die damals gültige Typgenehmigung für Euro 5 Fahrzeuge ab. Im damals gültigen Prüfzyklus durfte ein Euro 5 Fahrzeug im Prüflabor maximal 180 mg/km Schadstoffe ausstoßen. Mit dem neuen Prüfverfahren RDE/WLTP wurde ein sog. Konformitätsfaktor von 1,5 eingeführt. Das bedeutet, dass der unter Realbedingungen gemessene Grenzwert um den Faktor 1,5 höher sein darf als unter Laborbedingungen. (siehe: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/StV/informationen-zu-wltp-tests.html) Dieses Berechnungsverfahren wurde übernommen.
Frage Nr. 2
Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes wird klargestellt, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit insbesondere Euro 6-Fahrzeuge sowie Euro 4- und Euro 5-Fahrzeuge, die im realen Fahrbetrieb weniger als 270 mg NO ausstoßen, von Verkehrsbeschränkungen und –verboten in der Regel ausgenommen sind, wenn sich die Gesamtbelastung der Schadstoffemissionen in der Kommune zwischen 40 und 50 Mikrogramm NO2/m3 bewegt. Der von Ihnen angesprochene Grenzwert für Euro 4 Fahrzeuge von 250 mg/km ist nach dem veralteten „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) unter idealisierten Laborbedingungen gemessen worden. Im Realbetrieb ist der Schadstoffausstoß eines Euro 4-Dieselfahrzeugs um einiges höher. Der Grenzwert von 270 mg NO pro Fahrzeug bezieht sich wie oben geschildert auf das verbesserte Messverfahren WLTP/RDE, bei dem die Realemissionen im normalen Fahrbetrieb auf der Straße, Anwendung finden.
Frage Nr. 3
Im Rahmen der Freigaben des KBA zu den Software-Updates erfolgt ein Nachweis zur Bestätigung der Vorschriftsmäßigkeit nach dem Software-Update. Dies betrifft die Einhaltung der bestehenden Anforderungen, Grenzwerte bzw. Typgenehmigungswerte. Ausgehend von einer Eingangsmessung ohne Software-Update wird nach dem Software-Update die Einhaltung der Schadstoffemissions-Grenzwerte und die Beibehaltung des CO2-Typgenehmigungswertes entsprechend der Typgenehmigung zu Grunde liegenden Vorschriften nachgewiesen. Das KBA wird Stichprobenkontrollen an bereits umgerüsteten Fahrzeugen mit Software-Updates durchführen. Der Grenzwert von 270 mg/km dürfte bei Euro 5-Fahrzeugen in der Regel nur durch eine technische Nachrüstung erreichbar sein. Das Bundesverkehrsministerium hat angekündigt, dass das KBA veröffentlichen wird, welche Modelle mit technischer Nachrüstung auf Grundlage des Grenzwertes von 270 mg/km von Verkehrsverboten ausgenommen werden.
Frage Nr. 4
Die Angaben in der CoC entsprechen aus heutiger Sicht nicht den realen Schadstoffwerten, die Messungen wurden aber nach damaligen Vorgaben korrekt vorgenommen. Im Nachhinein kann der Gesetzgeber nicht die Vorgaben für die damalige Typgenehmigung ändern. Bei manipulierten Fahrzeuge erfolgt ein angeordneter Rückruf, bei dem die Hersteller verpflichtet sind, den ordnungsgemäßen Zustand des Fahrzeugs im Sinne der bei Typgenehmigung geltenden Vorgaben wieder herzustellen. Das bedeutet, dass nach dem Software-Update das Fahrzeug den Angaben im CoC entsprechen muss. Die Bundesregierung hat mit einer Gesetzesänderung klargestellt, dass künftig nur noch Fahrzeuge in den Verkehr gebracht werden dürfen, die die Grenzwerte im realen Betrieb einhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Sören Bartol