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Sören Bartol
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Frage von Bärbel S. •

Frage an Sören Bartol von Bärbel S. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Bartol,

in der Sitzungswoche vom 15. - 19. Mai sollen in großer Geschwindigkeit Grundgesetz-Änderungen im Bundestag abgestimmt werden, die auch die zukünftige Bewirtschaftung der Autobahnen betreffen. Dass damit Privatisierungen der Autobahnen umfassend ermöglicht werden, haben zuletzt ARD (Monitor) und ZDF (frontal21) berichtet. Im Grundgesetz Art 90 soll künftig stehen: "Die Verwaltung der Bundesautobahnen wird in Bundesverwaltung geführt. Der Bund kann sich zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen." Diese Formulierung erlaubt es aus Sicht von Experten, dass die Autobahnverwaltung zu einem Privatunternehmen wird. Bisher steht dort "bundeseigene Verwaltung", und damit war die Gemeinwohlverpflichtung sichergestellt. Zum Entwurf der Bundesregierung liegen zahlreiche Änderungsanträge vor und zwar bereits seit Dezember 2016. Sie werden trotzdem erst jetzt bekannt gegeben. Nach allem, was den Experten und der Presse darüber bisher inoffiziell bekannt geworden ist, handelt es sich dabei um eine höchst komplexe und sehr umstrittene Materie, nicht nur beim ursprünglichen Regierungsentwurf, sondern auch bei den Änderungen (s. z.B. ARD Monitor vom 27. April, Berliner Zeitung, 5. Mai 2017 mit Liste der Änderungen), mit denen Sie als Abgeordneter bisher nicht offiziell befasst waren.

Meine Fragen:
- Sehen Sie sich in der Lage, als Abgeordner diese komplexen Sachverhalte, die äußerst folgenreich für die Verkehrsinfrastruktur als ein wesentliches Element der Daseinsvorsorge sind, innerhalb einer Sitzungswoche 100%ig zu durchdringen und letztendlich darüber zu entscheiden? Falls nein, wären Sie bereit, sich mehr Zeit hierfür auszubedingen und damit eine Verschiebung der Abstimmung zu bewirken?
- Halten Sie eine Privatisierung der Autobahnen durch die jetzt abzustimmende Grundgesetzänderung für möglich und falls ja, würden Sie der Grundgesetzänderung dennoch zustimmen?

Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Schwarz-Köppl Marburg

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SPD

Sehr geehrte Frau Schwarz-Köppl,

vielen Dank für Ihre Nachricht, in der Sie Ihre Sorge zum Ausdruck bringen, dass der Deutschen Bundestag die vorliegenden Gesetzentwürfe zur Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft nicht in einem angemessenen zeitlichen Rahmen berät und es am Ende zu einer Privatisierung der Bundesfernstraßen kommen könnte.

Ich stimme mit Ihnen überein, dass ein Gesetzespaket, wie es jetzt zur Änderung des Grundgesetzes und zur Errichtung einer Bundesfernstraßengesellschaft vorliegt, ausführlich beraten werden muss. Nach dem Kabinettsbeschluss im Dezember 2016 hat es eine umfassende Beratung im Bundesrat gegeben, deren Ergebnisse im Internet nachzuvollziehen sind: http://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2016/0701-0800/0769-16.html

Nach der öffentlichen Debatte zur 1. Lesung der Gesetzentwürfe im Deutschen Bundestag hat der Haushaltsausschuss am 27.03.2017 eine Expertenanhörung durchgeführt. Das Ergebnis können sie hier als Wortprotokoll nachlesen: http://www.bundestag.de/blob/501270/e2813334ce4acef2dec3bdb72c25f36c/101_protokoll-data.pdf

Ich habe mich persönlich als stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion dafür eingesetzt, dass es danach nicht – wie von Einigen zeitweise gefordert – bereits am 31.03.2017 zu einem Abschluss der parlamentarischen Beratungen im Bundestag kam, sondern dem Parlament genügend Zeit für die weiteren Beratungen bleibt. Auf Wunsch der SPD-Bundestagsfraktion ist die Abstimmung im Bundestag in der letzten Woche noch einmal verschoben worden. Jetzt ist sie für den 02.06.2017 angesetzt. Hintergrund war, dass die CDU/CSU an wichtigen Stellen nicht bereit war, an den Gesetzentwürfen noch Änderungen mitzutragen.

Seit der Anhörung haben die Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD in intensiven Verhandlungen darüber beraten, welche Änderungen an den vorliegenden Gesetzentwürfen noch vorgenommen werden sollen. Jetzt liegt ein Ergebnis der Verhandlungen innerhalb der Koalition vor. Damit bleibt allen Beteiligten im Bundestag genügend Zeit, sich mit dem Ergebnis auseinanderzusetzen.

Für mich war wichtig, dass mit einer Reform, die Planung, der Bau, der Betrieb und der Erhalt der Bundesfernstraßen besser organisiert werden als bisher. Gleichzeitig sollte es nicht zu einer Privatisierung der Infrastruktur kommen. Dazu hat die SPD bereits mit den Beschlüssen der Bundesregierung eine doppelte Privatisierungsschranke erreicht: im Grundgesetz soll das vollständige unveräußerliche Eigentum des Bundes an den Bundesfernstraßen und an der Bundesfernstraßengesellschaft festgeschrieben werden. In den Verhandlungen mit der CDU/CSU im Bundestag konnten wir darüber hinaus eine weitere Privatisierungsschranke erreichen, die sich aus mehrere Maßnahmen zusammensetzt, darunter zwei weitere Grundgesetz-Änderungen:

· Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und möglichen Tochtergesellschaften wird ausgeschlossen. Dies wird verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich geregelt. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird der Satz eingefügt: „Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ist ausgeschlossen.“

· Eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, z.B. durch Teilnetz-ÖPP, wird ausgeschlossen. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ Wie vom Koalitionsausschuss vereinbart, kann eine Beschaffung im Rahmen von ÖPP nur auf der Ebene von Einzelprojekten erfolgen (maximal 100 Kilometer, nicht räumlich miteinander verbunden).

· Eine Übertragung von Altschulden auf die Gesellschaft wird ausgeschlossen.

· Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen gebannt. Um effizient wirtschaften und „atmen“ zu können, kann die Gesellschaft aber Liquiditätshilfen (zinslose Darlehen) aus dem Bundeshaushalt erhalten, wie andere Bundesgesellschaften auch.

· Das wirtschaftliche Eigentum an den Bundesfernstraßen geht nicht an die Gesellschaft über, sondern bleibt beim Bund. Die Übertragung und die Überlassung von (Nießbrauch-)Rechten werden ausgeschlossen.

· Mautgläubiger bleibt der Bund (für LKW-Maut und PKW-Maut). Die Option, dass die Gesellschaft das Mautaufkommen direkt vereinnahmen kann, wird gestrichen.

· Das Bundesverkehrsministerium kann Befugnisse und Aufgaben der Gesellschaft und des Fernstraßen-Bundesamtes nur dann auf andere vom Bund gegründete Gesellschaften übertragen, wenn diese im ausschließlichen Eigentum des Bundes stehen.

· Spartengesellschaften für Planung, Bau und Betrieb sind ausgeschlossen. Zur Herstellung der Präsenz in der Fläche kann die Gesellschaft aber bedarfsgerecht bis zu zehn regionale Tochtergesellschaften gründen.

Die SPD-Bundestagsfraktion wird am 30.05.2017 über das Ergebnis der Verhandlungen beraten und abstimmen.

Mit freundlichen Grüßen

Sören Bartol

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