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Sören Bartol
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Frage von Matthias N. •

Frage an Sören Bartol von Matthias N. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Bartol,

Die parlamentarische Versammlung des Europarates fordert mit Beschluss, Resolution 2079 (2015) vom 02.10.2015, die EU-Mitgliedsstaaten dazu auf, alle Eltern gleichzustellen, aus bestehenden Gesetzen alle Regelungen zu entfernen, die Eltern aufgrund ihres Standes ungleich behandeln, Doppelresidenz als Standart in ihre Gesetze aufzunehmen, in Gerichtsverfahren auf Eltern dahingehend einzuwirken, dass ein Wechselmodell das beste Interesse des Kindes sei, ebenso in Gerichtsverfahren Mediationen zu veranlassen, mehr Mediatoren auszubilden und einzusetzen (dazu wird auch explizit das Cochemer Modell genannt), sowie weitere Maßnahmen zur Gleichstellung aller Väter zu treffen.

Dies habe ich gerade in der englischen Vorabversion gelesen und hoffentlich auch richtig verstanden.

Sehen Sie da Verbesserungsbedarf für die aktuelle Rechtslage in Deutschland?

Mit freundlichen Grüssen aus Steinperf,
Matthias Niederhöfer

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Sehr geehrter Herr Niederhöfer,

bei Resolutionen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates handelt es sich um politische Beschlüsse, die für die Mitgliedsstaaten keine Bindungswirkung haben. Das Bundesverfassungsgericht hat zudem mit Beschluss vom 24. Juni 2015 entschieden, dass weder Art. 6 Abs. 2 GG noch die UN-Kinderrechtskonvention den Gesetzgeber dazu verpflichten, die Einräumung einer paritätischen Betreuung getrennt lebender Eltern als gesetzlichen Regelfall vorzusehen. Es sei eine primär von den Fachgerichten zu klärende Frage, ob derzeit nach dem Fachrecht die Anordnung einer paritätischen Betreuung - sei es im Wege sorgerechtlicher Regelung, sei es als umgangsrechtliche Regelung - möglich ist.

Unstreitig können die Familiengerichte in Deutschland bereits nach geltendem Recht auch einen erweiterten Umgang auf Grundlage von § 1684 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anordnen, wenn dies im konkreten Fall unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Eltern dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1697a BGB). Was dem Kindeswohl entspricht, müssen die Familiengerichte in jedem Einzelfall entscheiden.

Im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt man aufmerksam die Debatte um die in der Fachwelt kontrovers diskutierte Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die gerichtliche Anordnung einer paritätischen Betreuung im Rahmen eines Wechselmodells bei vorhandenem Elternkonflikt dem Kindeswohl dient und ob es den gesetzlichen Regelfall darstellen kann. Das BMFSFJ hat eine Studie zum Thema "Kindeswohl und Umgangsrecht" in Auftrag gegeben - deren Ergebnisse bleiben abzuwarten, da die Meinungsbildung zur Frage etwaigen Reformbedarfs hin zu einem Wechselmodell in einem so sensiblen Bereich wie dem Sorge- und Umgangsrecht eine entsprechende empirische Grundlage voraussetzt.

Vor diesem Hintergrund plant die Bundesregierung derzeit nicht, die Resolution des Europarates zeitnah umzusetzen.

Ich selbst wünsche mir eine gesetzliche Regelung bezüglich des Wechselmodells (da wo es möglich ist und mit den entsprechenden Anpassungen im Unterhalt) - auch aus persönlicher Erfahrung.

Mit freundlichen Grüßen
Sören Bartol

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