Frage an Sören Bartol von Peter T. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Bartol,
ein kurzer Bericht in „Die Welt“ vom 15. Februar ( http://www.welt.de/wirtschaft/article137461663/Buerger-sollen-deutsche-Infrastruktur-mitfinanzieren.html ) gibt mir Anlass, mich an Sie als den Bundestagsabgeordneten meines Wahlkreises zu wenden.
Unter der Überschrift „Bürger sollen deutsche Infrastruktur mitfinanzieren“ berichtet die Zeitung darüber, dass der Bundeswirtschaftsminister eine Expertenkommission eingesetzt hat, die Konzepte erarbeiten soll, wie mehr in die in den letzten Jahren vernachlässigte öffentliche Infrastruktur (Straßen, Schulen etc.) investiert werden kann; es ist von einem „Bürgerfonds“ die Rede, mit Hilfe dessen Infrastrukturprojekte finanziert werden sollen und an dem sich Bürger, vor allem aber wohl Versicherungen und andere institutionelle Anleger beteiligen können.
Mir stellen sich vor diesem Hintergrund im wesentlichen zwei Fragen:
1. Worin soll der finanzielle Anreiz für privates und anlagesuchendes Kapital bestehen, in Infrastrukturprojekte zu investieren, und wie soll dieser Anreiz ausgestaltet sein? Schließlich zeichnen sich Infrastrukturprojekte in aller Regel durch eine lange Kapitalbindung aus, welche ausgeglichen werden muss durch eine entsprechend erhöhte Rendite.
2. Weshalb investieren Bund und Länder nicht direkt, ohne Umweg über eine wie auch immer ausgestaltete private Finanzierung, in als notwendig erachtete Infrastrukturmaßnahmen? Ein Blick in die aktuellen Finanzierungskonditionen des Bundes ( https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Service/Bundeswertpapiere/Rendite/kurse_renditen_bundeswertpapiere_2015_03.pdf?__blob=publicationFile ) zeigt, dass der Bund zu minimalen Zinsen Kredit aufnehmen kann (ganz gleich, ob es sich um kurz-, mittel oder langfristigen Kredit handelt).
Durch Ihre tägliche Arbeit im Bundestag sind Sie sicher mit diesen Fragen bestens vertraut und können mir etwas Aufschluss geben über die geplante Initiative.
Mit besten Grüßen,
Peter Trenk-Hinterberger
Sehr geehrter Herr Trenk-Hinterberger,
haben Sie vielen herzlichen Dank für Ihre Nachricht, die ich wortgleich auch von anderen Bürgerinnen und Bürgern aus meinem Wahlkreis erhalten habe. Ich bedauere, dass ich erst jetzt dazu komme, Ihnen zu antworten. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erhalten Sie die gleiche Antwort, wie Sie auch die anderen Petenten erhalten haben, die sich mit der gleichen Nachricht an mich gewandt haben.
Sie sprechen in Ihrer Nachricht ein schwieriges Thema an: die Einbindung von privaten Kapitalgebern in öffentliche Investitionen der Staates in die Verkehrsinfrastruktur. Gern möchte ich Ihnen auf Ihre konkreten Fragen antworten.
Zur Einordnung des von Ihnen angesprochen Artikels erlauben Sie mir kurz ein paar einführende Sätze. Richtig ist, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine Experten-Kommission unter der Leitung des DIW-Präsidenten Prof. Dr. Marcel Fratzscher eingerichtet hat. Zu den Hintergründen finden Sie einige Informationen hier: http://www.bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=651464.html. Ende April wird diese Kommission ihre Ergebnisse präsentieren. Diese werden wir uns in der SPD-Bundestagsfraktion in Ruhe anschauen. Unabhängige Experten leben davon, dass sie in der Kommission frei denken können. Daher gibt es keine politischen Vorgaben, aber auch keinen Automatismus, aus den Ratschlägen der Kommission sofort konkrete politische Umsetzungsschritte abzuleiten. Die Motivation von Herrn Gabriel die Experten zu bitten, Vorschläge zu entwickeln, war die Analyse, dass es in Deutschland zu wenige private und öffentliche Investitionen gibt und gleichzeitig privates Kapital nach langfristigen Anlagemöglichkeiten sucht und verhindert werden soll, dass das angelegte Geld der Versicherten und Sparer ins Ausland abwandert.
Ich persönlich werde mich in der Diskussion über die Vorschläge der Kommission von drei Punkten leiten lassen: 1. es darf keine Privatisierung öffentlichen Eigentums geben. 2. die Einbindung von privaten Kapital darf nicht dazu führen, dass es am Ende für den deutschen Steuerzahler teurer wird und 3. neue Organisationsmodelle machen nur dann Sinn, wenn öffentliche Investitionen dadurch effizienter und damit wirtschaftlicher durchgeführt werden können.
Zu Ihren beiden Fragen:
1. Ich habe bisher in den Fachdiskussionen über die Einbindung von privatem Kapital in öffentliche Investitionen wahrgenommen, dass insbesondere die langfristige Laufzeit von Verkehrsinvestitionen von besonderem Interesse sind. Lebensversicherungen z.B., die das Geld ihrer Kunden anlegen wollen, suchen nicht den schnellen Euro in kurzfristigen und damit hochrisikobehafteten Anlagen, (verbunden mit einer hohen Rendite) sondern eher die sichere langfristige Anlage mit entsprechend niedrigerer Rendite. Richtig ist, dass damit eine Rendite verbunden ist, die aus dem Projekt heraus erwirtschaftet werden muss. Die kann m.E. aus Sicht der öffentlichen Hand nur akzeptiert werden, wenn die Kapitalgeberseite damit auch das mit der Investition verbundene Risiko übernimmt und am Ende es für den Steuerzahler nicht teurer wird als bei einer konventionellen Beschaffung.
2. Die Finanzierung von öffentlichen Investitionen mit Hilfe von Krediten funktioniert nach einer anderen Systematik als bei einer langfristigen Einbindung von institutionellen Kapitalgebern. Aus meiner Sicht sind das zwei unterschiedliche Formen der Beschaffung, die unabhängig und transparent mit einander verglichen werden und am Ende sich einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung stellen müssen. Wenn die Einbindung von privaten Kapitalgebern im Rahmen von speziellen ÖPP-Modellen wirtschaftlicher, weil effizienter ist als die konventionelle Beschaffung mit Hilfe von Kassenkrediten, dann finde ich das akzeptabel. Wichtig ist jedoch, dass dort kein Schindluder getrieben wird und bei der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung gemauschelt wird. Daher fordere ich, dass diese Gutachten veröffentlicht werden müssen. Genauso wie die Verträge mit den privaten Dritten.
Mit freundlichen Grüßen
Sören Bartol