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Sören Bartol
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Frage von Jens B. •

Frage an Sören Bartol von Jens B. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Bartol,

ich bin blind und lebe in Marburg, wo über 1000 blinde Menschen leben, darum erlauben Sie mir eine Frage zur Behindertenpolitik.

Seit 1998 haben viele Menschen in der Behindertenbewegung das Gefühl gehabt, dass die rot-grüne Bundesregierung endlich sie als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft ansehen. Dafür gebührt dieser Regierung mit Sicherheit unser ganz besonderer Dank. Seit einiger Zeit jedoch hat sich auch hier etwas geändert. Das zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz, in das behinderte Menschen aufgenommen werden sollten, ist gescheitert. Ich habe auch aufgrund meiner persönlichen Lobbyarbeit diese Entwicklung verfolgt. Es ist zu einfach, das Scheitern der Union in die Schuhe schieben zu wollen. Das Bundesjustizministerium hat sich lange gegen die Berücksichtigung behinderter Menschen in diesem Gesetz gewehrt. Die Justizministerin stammt aus der SPD. Erst als klar ar, dass die Bundesregierung mit diesem Gesetz keine Mehrheit im Bundesrat bekommen würde, wurde es auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt, um behaupten zu können, die Bundesregierung sei nicht am Scheitern schuld. Wie ernst ist es der Bundesregierung mit dem zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz behinderter Menschen, und finden Sie es nicht auch unverschämt, dass dieselbe Justizministerin, die das Zustandekommen des Gesetzes unter berücksichtigung behinderter Menschen lange verhindert hat, sich jetzt in ihrem Weblog so äußert, dass es doch schade wäre, dass dieses Gesetz wegen der Union nicht zustandegekommen ist? Glaubt man in der SPD ernsthaft, wir erkennen nciht, dass es der Regierung einfach zu teuer war? Entschuldigen Sie meine Verbitterung, sie ist nicht persönlich gemeint.

mit freundlichen Grüßen

Jens Bertrams

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Sehr geehrter Herr Bertrams,

Sie haben Recht, es ist bedauerlich, dass das Bundesjustizministerium zu Beginn der Gesetzesvorbereitungen zum ADG deutliche Bedenken gegenüber der Berücksichtigung der Menschen mit Behinderungen im zivilrechtlichen Antidiskriminierungsschutz hatte.

Ich begrüße es sehr, dass auch Brigitte Zypries, nach der deutlichen Positionierung der Koalitionsarbeitsgruppe für Menschen mit Behinderungen der SPD-Bundestagsfraktion (in der ich für den Bereich Verkehr zuständig bin) und des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, in dieser Frage zu besserer Einsicht gekommen ist.

Die SPD-Bundestagsfraktion, allen voran die zuständigen Berichterstatter Olaf Scholz und Christel Humme, hat immer wieder klar Stellung bezogen, dass für uns die offene Diskriminierung behinderter Menschen in vielen Bereichen des Zivilrechts, wie z. B. im Versicherungsbereich oder im Hotel- und Gaststättengewerbe einen gesellschaftspolitischen Skandal darstellt. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen den Diskriminierungsschutz behinderter Menschen bewusst in das Gesetz aufgenommen, weil es nur konsequent sein kann, wenn man die Prinzipien Gleichstellung, Teilhabe und Selbstbestimmung ernst nimmt.

Das ADG wurde im Übrigen vor der Ankündigung von Neuwahlen, am 22. Mai 2005, im Deutschen Bundestag beschlossen, womit der Vorwurf eines `Setzens` auf die Verhinderung des Gesetzes durch den Bundesrat entkräftet werden kann. Für das ADG ist der Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Dennoch hat die Union den Vermittlungsausschuss angerufen, um die Verabschiedung des Gesetzes dadurch zu verzögern bzw. durch die Neuwahlen und einen möglichen (aber nicht wünschenswerten) Regierungswechsel zunächst hinfällig werden zu lassen.

Als SPD-Bundestagsfraktion stehen wir weiter zu unserem Gesetz und wir werden es im Interesse der 8 Millionen Menschen mit Behinderungen und einer offenen, teilhabeorientierten Gesellschaft weiter verfolgen.

Mit freundlichen Grüßen

Sören Bartol, MdB

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