Frage an Sören Bartol von Jens B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Bartol,
Die rot-grüne Bundesregierung ist 1998 unter anderem gewählt worden, weil es einen verstärkten Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit gab. Diesem Kerngebiet der Sozialdemokratie trauten auch damals die meisten Menschen bei den Sozialdemokraten die meiste Kompetenz zu. Wenn viele Menschen heute enttäuscht sind, weil Hartz IV sie ärmer macht, weil die Zumutbarkeits- und Wohnungsgrößenregelungen unerträglich sind und in den Kernbereich der Menschenwürde eingreifen, während Spitzenverdienern und Unternehmen Milliardengeschenk nach Milliardengeschenk gemacht wird, dann müssten Sie als Abgeordneter der Sozialdemokratischen Partei doch dem etwas entgegenzusetzen haben, was überzeugt, auch die, die einkommensschwach sind und unter dieser Politik am meisten zu leiden haben, die also, die die Sozialdemokraten 1998 gewählt haben. Welche Härten würden bei einer weiteren rotgrünen Regierung noch auf die sozial schwachen zukommen? Und glauben Sie ernsthaft, mit Senkung von Unternehmenssteuern würden Arbeitsplätze geschaffen? Ist es nicht vielmehr so, wie Frau Merkel spricht, obwohl ich sie nicht mag? Sie sagt: Durch Erhöhung der Unternehmenssteuer werden Arbeitsplätze nicht geschaffen. Gut. Aber der Umkehrschluss klappt doch nicht!
Mit freundlichen Grüßen
Jens Bertrams
Sehr geehrter Herr Bertrams,
ich glaube nicht, dass wir mit den Regelungen zur Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in den Kernbereich der Menschenwürde eingreifen. Ich will andererseits aber auch nicht bestreiten, dass es dabei auch Einschnitte für arbeitssuchende Menschen gegeben hat, die für einige schmerzhaft sind und von denen ich mir gewünscht hätte, dass wir sie nicht hätten machen müssen. Dass wir jetzt zum Beispiel die Hinzuverdienstmöglichkeiten beim ALG-II-Bezug wieder erweitert haben - die vorher von der Union im Vermittlungsausschuss verschärft worden waren - ist ein wichtiger Schritt in die meiner Meinung nach richtige Richtung.
Um das aber auch noch einmal deutlich zu sagen: Die so genannten Hartz-Reformen bedeuten nicht nur die Einführung einer Grundsicherung für alle Erwerbsfähigen nach Beendigung des Arbeitslosengeld-I-Bezuges, sondern sie bedeuten auch mehr Chancen für Beschäftigung: Das Nebeneinander der unterschiedlichen Zuständigkeiten für die Arbeitssuchenden vor Ort haben wir beendet. Wir sind dabei die größte Behörde Deutschland zu einem effektiven Dienstleister umzubauen, damit dann tatsächlich die Vermittlung und nicht mehr die Verwaltung der Menschen im Vordergrund stehen kann. Wir haben ebenso die Instrumente der Personalserviceagenturen, der Ich-AG oder der Midi-Jobs eingeführt und die Qualifizierungsangebote und die Unterstützung der Existenzgründung über z.B. die KfW für die Arbeitssuchenden verstärkt.
Und auf der anderen Seite wird auch mehr Flexibilität und bei einigen mehr Einsatz von den erwerbsfähigen Arbeitssuchenden, die ja eine Unterstützung der Gemeinschaft erhalten, erwartet.
Mir ist aber auch wichtig zu betonen, dass wir uns die beschäftigungspolitischen Wirkungen und die Regelungen des ALG-II-Bezuges für die Menschen in der konkreten Umsetzung noch genau anschauen werden. Der von uns eingesetzte Ombudsrat hat zu den eingereichten Beschwerden und Problemen vor kurzem einen Bericht vorgelegt, der von uns im Herbst evaluiert werden wird, um zu prüfen, an welchen Stellen wir die geltenden Regelungen optimieren wollen.
Es ist sicherlich richtig, dass die Senkung von Unternehmenssteuern keine automatische Garantie für die Schaffung von Arbeitsplätzen bedeutet. Aber ich glaube, dass keiner bestreiten wird, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und eine Entlastung des Mittelstandes in der politischen Rahmengestaltung außer Acht gelassen werden dürfen, wenn wir Beschäftigung sichern und den Standort Deutschland attraktiv halten wollen.
Mit unserer Steuerreform haben wir im Übrigen insbesondere den Mittelstand entlastet - insgesamt um rund 17 Milliarden Euro. Mit der Konzentration der Förderprogramme in der Mittelstandbank, der Initiative Bürokratieabbau und auch der Reform der Handwerksordnung 2004 haben wir sehr wohl beschäftigungsfördernde Wirkungen erzielt; beispielsweise ist die Zahl der Handwerksbetriebe um 4,3% angestiegen.
In Bezug auf die Unternehmenssteuern streben wir jetzt die aufkommensneutrale (!) Absenkung des Körperschaftssteuersatzes von 25% auf 19% an; d.h. diese wird voll aus dem Bereich der wirtschaftlichen Betätigung gegenfinanziert werden.
Im Übrigen möchte ich darauf verweisen, dass es die Sozialdemokratie ist, die die Wirtschaft auch öffentlich sehr klar an ihre Verantwortung im Sinne der /Verpflichtung des Eigentums/ erinnert hat. Die Sozialdemokratie entlässt die Unternehmen in der Auseinandersetzung um die Ziele des Wirtschaftens (Aktiengewinne versus Verantwortung gegenüber den Beschäftigten und der Gemeinschaft als Ganzes) keineswegs aus der Pflicht.
Mit freundlichen Grüßen
Sören Bartol, MdB