Frage an Simone Peter von Dennis M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Dr. Peter,
das Saarland hat sich im Bereich Tourismus in den letzten Jahren sehr stark nach vorne entwickelt. Es entstanden viele neue Arbeitsplätze, es gab viele wichtige und gute Investitionen - wie zum Beispiel die Großinvestition Ferienpark am Bostalsee - und die Übernachtungszahlen stiegen rasant an (vergleiche Artikel in der Saarbrücker Zeitung vom 10.03.2012)
Meine Frage an Sie:
Wofür setzen Sie und Ihre Partei sich ein, damit auch in den kommenden Jahren diese starke Entwicklung vorangeht und weiter Arbeitsplätze in diesem Bereich entstehen?
Vielen Dank schon jetzt für Ihre Antwort,
mit freundlichen Grüßen
D. Meisberger
Sehr geehrter Herr Meisberger,
Viele ländliche Räume, insbesondere in strukturschwachen Regionen, haben mit dem demographischen Wandel und oft einer schwierigen Erreichbarkeit zu kämpfen. Dies gilt auch für Teile des Saarlandes. In der Konkurrenz um innovative Unternehmen ziehen sie damit im Wettbewerb mit weniger strukturschwachen Räumen häufig den Kürzeren. Sowohl Unternehmen als auch damit verbundene Arbeitsplätze und in der Folge die junge Bevölkerung wandern ab. Der Verlust von Kaufkraft ist die Folge. Andererseits bieten viele ländliche Räume eine sehr hohe Lebensqualität, eine intakte Umwelt und eine naturnahe Landschaft, die für Familien aber auch für Touristen zur Erholung besonders attraktiv sind. Auch das gilt für viele Teile des Saarlandes.
Tourismus kann wichtige Potenziale wecken und stärken, die der Region als Ganzes zugute kommen. Dafür muss es aber gelingen, regionale Wertschöpfungsketten aufzubauen und zu stärken sowie regionale Wirtschaftskreisläufe zu schließen. Derzeit verbleiben von 100 investierten Euro eines Reisenden nur 36 Euro in der Region. Nur 50 Prozent von diesen 36 Euro kommen der ansässigen Bevölkerung etwa durch Löhne und Gehälter zugute.
Gelingt es über regionale Wirtschaftskreisläufe und Wertschöpfungsketten, diesen Verlust an Kaufkraft und die daraus resultierenden Effekte zu verhindern oder einzudämmen, kann der Tourismus darin eine Schlüsselrolle für eine ökologische, ökonomische aber auch soziale Entwicklung einnehmen. Der Mehrwert liegt dann nicht allein im Ökonomischen. Es ist daher von außerordentlicher Bedeutung, die Bevölkerung in diesen Prozess einzubinden.
Das bedeutet vor allem, auf regionale Alleinstellungsmerkmale zu setzen und zu erkennen, dass Erfolgsrezepte aus anderen Regionen nicht zwingend auch im Saarland erfolgreich sind. So ist etwa der inflationäre Ausbau von so genannten Premium-Wanderwegen kein Allheilmittel für den Tourismusstandort Saar. Vielmehr muss die Großregion grenzüberschreitend vermarktet werden und als Kultur-, Genuss- und Sportregion im Herzen Europas begriffen werden.
Um regionale Wirtschaftskreisläufe zu schließen, müssen auch regionale Produkte stärker in den Fokus genommen werden. Die saarländischen Land- und Tourismuswirtschaft müssen deutlich stärker zusammenarbeiten, als dies bisher der Fall ist. Die schleswig-holsteinische Aktion „Restaurant sucht Bauernhof“ könnte hier ein gutes Vorbild sein. Aber auch im Bereich der 2016 Beherbergung und Bewirtung auf Bauernhöfen gibt es noch Kooperationsmöglichkeiten zwischen den beiden Wirtschaftsbereichen, die noch ausbaufähig sind.
Fest steht, dass für eine langfristig positive Entwicklung des Tourismus in einer Region höchste Qualitätsmaßstäbe bezüglich Beherbergung, Gastronomie aber auch bezüglich der touristischen Infrastruktur angelegt werden. Das bedeutet, dass im Saarland insbesondere im Bereich der Hotellerie im ländlichen Raum weiter Nachholbedarf besteht. Die Landesregierung muss deshalb im Rahmen der Wirtschaftsförderung die Umsetzung eines neuen Förderprogramms zur Servicequalität prüfen. Das Investitionszuschussprogramm für Übernachtungsbetriebe muss stärker nach Zukunftskriterien gestaltet werden.
Der Investitionsstau, der sich an vielen Stellen zeigt, ist trotz Mehrwertsteuerreduzierung zum 01.01.2010 weiterhin ein Problem. Die Eigenkapitalquote vieler Hoteliers ist gering. Sie liegt laut Tourismusbarometer 2011 bei durchschnittlich 2,8 Prozent und damit deutlich unter Vergleichswerten, wie dem Dienstleistungssektor (19,1 Prozent). Die Kreditwürdigkeit ist damit häufig nicht gegeben. Nötige Investitionen, wie beispielsweise in energetische Sanierung, die Ökologie und Ökonomie vereinen, können nicht getätigt werden. Wir wollen deshalb Ansätze 2013 fördern, die Investitionen in der Branche mit ökologischer und sozialer Lenkungswirkung ermöglichen. Rund dreiviertel der deutschen Landkreise beklagen einen Investitionsstau im Tourismus. Dieser betrifft zum großen Teil die Beherbergung (78,6 Prozent) und die Gastronomie (60,4 Prozent).
Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), die Bund-Länder Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) und das ERP-Sondervermögen sind die Hauptförderinstrumente, die indirekt auch der Tourismusförderung dienen. Die neue Landesregierung muss sich deshalb auf Bundesebene für eine Verstetigung dieser Mittel einsetzen. Darüber wollen wir auf Bundesebene einen Energiesparfonds von 3 Milliarden Euro jährlich initiieren, der sich aus dem Abbau umweltschädlicher Subventionen speist. Über diesen Fonds sollen auch stromsparende Maßnahmen für die Wirtschaft angeboten werden. Sanierungswillige Hoteliers haben damit eine langfristige Planungsmöglichkeit, können energetisch sanieren und dabei die Umwelt schützen. Wir wollen auch Projekte in Verbindung mit Elektrofahrrädern und E - Autos voranbringen und ihre Einbindung in touristische Produkte stärken. Auf Landesebene müssen Lotsen dafür sorgen, dass saarländischen Hoteliers, die investieren wollen, künftig eine adäquate Beratung hinsichtlich der Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten bekommen. Hier sind auch die regionalen, vor allem die öffentlich-rechtlichen, Kreditinstitute gefordert, stärker auch Beratungskompetenz im Tourismus vorzuhalten.
Neben der Herausforderung, den Investitionsstau zu beheben, kommt auf das Gewerbe eine weitere Herausforderung zu. Denn fehlende Barrierefreiheit ist ein Wettbewerbsnachteil. Laut der Studie „Barrierefreier Tourismus für Alle in Deutschland - Erfolgsfaktoren und Maßnahmen zur Qualitätssteigerung“ des BMWi (2008) ist für etwa 10 Prozent der Bevölkerung eine barrierefrei zugängliche Umwelt zwingend erforderlich, für etwa 30 bis 40 Prozent notwendig (entspricht etwa 25 Mio. Menschen) und für 100 Prozent komfortabel. Auch die Belange von Menschen mit Kindern sind in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Eine barrierefreie Infrastruktur nützt nicht nur allen Bürgerinnen und Bürgern. Demografisch bedingt wird die Zahl der Unterstützungsbedürftigen weiter zunehmen. Es gilt dabei auch die Belange von Menschen mit Sinnesbehinderungen, chronisch-somatischen und psychischen Erkrankungen zu integrieren. Barrierefreiheit muss also umfassend gedacht werden - von allen Beteiligten. Hier liegen Potenziale auch für den Tourismusstandort Saarland.
Mehr als jeder dritte Bundesbürger ist bereit, für ein nachhaltiges Reiseangebot einen Aufpreis von 10 bis 20 Euro pro Urlaubstag zu bezahlen. Diesem Anspruch müssen die touristischen Leistungsträger künftig stärker nachkommen. Auch hier muss sich die Landesregierung ihrer Rolle für eine zukunftsfähige Aufstellung des Wirtschaftsstandortes endlich bewusst werden. Das Saarland braucht im Rahmen des Strukturwandels neue wirtschaftliche Perspektiven. Der Tourismus kann eine sein, wenn er nachhaltig und vernetzt entwickelt wird. Eine Beschränkung in der Vermarktung alleine auf das Saarland ist dabei aber nicht zielführend. Die Grünen wollen deshalb eine grenzüberschreitende Vermarktung im Rahmen der Großregion. Für eine prosperierende Region im Herzen Europas.
Mit freundlichen Grüßen,
Simone Peter