Wie stehen Sie zur Entwicklung des Luftkampfsystems der Zukunft (Future Combat Air System/FCAS), dessen gigantische Kosten für Entwicklung 100 Mrd. und Anschaffung auf 500 Mrd. € geschätzt werden?
Das von Deutschland, Frankreich und Spanien ins Leben gerufene Jahrhundertprojekt der Luftwaffen FCAS ist ein System, das zwischen 2040 und 2080 einsetzbar sein soll. Im Zentrum von FCAS steht ein bemanntes oder unbemanntes atomwaffentragendes Kampfflugzeug der noch zu entwickelnden 6. Generation mit Tarnkappeneigenschaften. Geplant ist, es sowohl mit bewaffneten weitgehend autonom agierenden Drohnenschwärmen, mit der „Eurodrohne“, mit anderen Flugzeugen, Satelliten, Kriegsschiffen und Heereseinheiten in Echtzeit zu verbinden. Künstliche Intelligenz durchdringt alles. Sein Finanzvolumen übertrifft das bisher größte militärische EU-Projekt, den Eurofighter, um das Fünffache. Eine Gigantomanie ohne Gleichen, die letztlich die EU militärstrategisch autonom machen soll, um eine weltweite Luftüberlegenheit erreichen zu können. In der nächsten Legislatur stehen Entscheidungen an zum Bau eines flugfähigen Kampfflugzeuges (Demonstrators) für mehr als 3,5 Mrd. Euro.
Sehr geehrter Frau C.,
herzlichen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne beantworten möchte.
Die heutigen wesentlichen europäischen Kampfflugzeuge werden in den nächsten Jahrzehnten durch neue Systeme ersetzt werden müssen. Auch die Bundeswehr wird neue Flugzeuge benötigen. Gemeinsam mit Frankreich und Spanien beteiligt sich Deutschland daher an der Entwicklung eines neuen europäischen Kampfflugzeuges. Dies soll ab dem Jahr 2040 als Nachfolge für die derzeit im Betrieb befindlichen Jets Eurofighter und Rafale eingesetzt werden. Weitere europäischen Nationen haben bereits Interesse an dem Projekt gezeigt.
Bei dem neu zu entwickelnden Flugzeug handelt es sich um das Kernstück eines vernetzten Systems, eines sogenannten „System of Systems“. Erste Überlegungen gehen dahin, dass ein bemanntes Kampfflugzeug von Aufklärungsdrohnen begleitet und im Verbund eingesetzt werden soll.
Das Projekt steht noch am Beginn einer langen Entwicklungsphase, an dessen Ende ein zukunftsweisendes europäisches Rüstungsprojekt steht. Die technologischen Entwicklungen werden nicht nur einen militärischen, sondern auch einen wesentlichen zivilen Nutzen haben (z.B. Flugzeugturbinen, Tragflächen, Digitalisierung).
Mit FCAS haben wir einen großen Schritt in Richtung einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik getan. Damit machen wir die europäische Verteidigungsfähigkeit souveräner und unabhängiger, etwa auch von der amerikanischen Rüstungsindustrie. Technologisches Know-how, geistiges Eigentum, Wertschöpfung und die Entscheidung über Rüstungsexporte müssen in Europa verbleiben.
Unter Berücksichtigung dieser Aspekte und im Einklang mit der SPD-Bundestagsfraktion haben wir Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker im Haushalts- und im Verteidigungsausschuss am 23.06.2021 für den nächsten Schritt des Projektes gestimmt. Dabei handelt es sich ausschließlich um die Phase Forschung und Entwicklung eines Prototypen des neuen Kampfflugzeuges (ein sogenannter Demonstrator); eine Produktion oder gar der Kauf von Flugzeugen beinhaltet diese Entscheidung nicht. Dies steht auch in den nächsten Jahren nicht an. Selbst für die Nutzungsphase des Demonstrators bedarf es der erneuten Zustimmung des Deutschen Bundestages.
Ein solch großes Projekt wie FCAS birgt auch finanzielle und technologische Risiken, das steht außer Frage. Deshalb haben wir auch für den weiteren Fortgang des Projekts ganz klare Bedingungen formuliert, mit denen wir den Kritikpunkten des Bundesrechnungshofes und denen des Beschaffungsamts der Bundeswehr Rechnung tragen. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, werden keine weiteren Mittel für das Projekt freigegeben.
Neben der parlamentarischen Kontrolle über die einzelnen Projektphasen steht für uns Sozialdemokraten bereits heute unverrückbar fest: Den Einsatz vollautomatisierter Systeme lehnen wir grundsätzlich ab! Auch bei FCAS muss die letztendliche Entscheidung zum Einsatz von Waffen durch einen Menschen erfolgen.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird das Gesamtprojekt und die weiteren Entwicklungsschritte stets kritisch überprüfen.
Mit freundlichen Grüßen
Siemtje Möller