Wie stehen Sie zu einer Erhöhung der Militärausgaben?
Sehr geehrte Frau Möller,
Olaf Scholz hat in seiner Regierungserklärung vom 27.02.2022 den Vorschlag gemacht, die Ausgaben für die Bundeswehr einmalig um 100 Milliarden Euro zu erhöhen und zukünftig jährlich mehr als 2% des Bruttoinlandsprodukts für die Bundeswehr auszugeben. Aktuell liegen diese bei etwa 1,3 % des BIP (https://www.bmvg.de/de/themen/verteidigungshaushalt). Mit 233 Milliarden USD gaben 2020 alle Mitglieder der Europäischen Union zusammen fast 4 mal so viel Geld für das Militär aus wie Russland mit 62 Milliarden USD (https://data.worldbank.org/indicator/MS.MIL.XPND.CD?locations=EU-RU). Trotz dieses Ungleichgewichts zugunsten der EU ist die EU nicht in der Lage den Krieg in der Ukraine (ohne vermutlich verheerende Folgen) militärisch beenden. Wie soll das mit einer weiteren Steigerung der Militärausgaben gelingen? Und wäre etwa ein 5-fach höherer Militäretat eine stärkere Abschreckung als ein 4-fach höherer? Welche Ausgaben sollen stattdessen gekürzt werden?
Sehr geehrter Herr J.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Mit dem rücksichtslosen Angriffskrieg des russischen Präsidenten gegen die Ukraine wurde eine neue Realität geschaffen, die unsere Gesellschaft und auch die Bundeswehr tiefgreifend verändern wird. Uns allen wird deutlich vor Augen geführt, dass Putin bereit und willens ist, seine politischen und auch territorialen Interessen mit militärischer Gewalt und völkerrechtswidrigen Mitteln durchzusetzen.
Die Bundeswehr, die einen wesentlichen Beitrag zum Schutz und zur Verteidigung unseres Landes sowie unserer Partner und Verbündeten leistet, muss nicht nur deshalb entsprechend ihres Auftrages und ihrer Aufgaben bestmöglich personell und materiell ausgestattet werden. Hierfür ist eine ausreichende Finanzierung unabdingbar. Parallel müssen auch die Strukturen der Bundeswehr effektiv und effizient gestaltet werden, um ihre Einsatzbereitschaft weiter zu erhöhen. Diese notwendigen Schritte werden unternommen in der gleichzeitigen Hoffnung, unsere Streitkräfte nie für diesen furchtbaren Ernstfall einsetzen zu müssen.
Bei einem Vergleich von Verteidigungsausgaben zwischen den Staaten der EU auf der einen und Russland auf der anderen Seite ist der ungleiche Zugang zu Informationen (Transparenz) zwingend zu berücksichtigen. Zum anderen ist von völlig unterschiedlichen Kosten und Kostenstrukturen der Streitkräfte auszugehen (bspw. mit Blick auf Gehälter, technologische Standards etc.). Insofern greift auch der Blick nur auf die öffentlich gemachten Verteidigungsausgaben zu kurz.
Entscheidend ist nun, dass sich Deutschland auf allen Ebenen, abgestimmt im internationalen Verbund, sowohl im Rahmen der NATO als auch innerhalb der EU aktiv einbringt. Es muss darum gehen, einen bedeutenden Beitrag zu einer schnellen Beendigung des Krieges in der Ukraine zu leisten, ohne jedoch selbst in den Krieg mit Russland einzutreten.
Mit freundlichen Grüßen
Siemtje Möller