Menschenrechte und Prostitution: Wie stehen Sie zu einem Sexkaufverbot ? Wie zum Recht auf Asyl ?
Sehr geehrter Herr Roloff,
Leider kann ich nicht erkennen, dass Sie sich für die Menschenrechte von Frauen einsetzen, die zu uns in die Prostitution verschleppt wurden und werden. Ihnen würde, wie erfahrene Polizisten und ausgestiegene ehemalige Prostituierte übereintimmend erklären, nur eine Gesetzgebung wie in Frankreich, in Israel. Schweden .... helfen - ein Sexkaufverbot ! Was muss noch passieren, damit Sie und Ihre Partei das fordern ?
Es ehrt sie, dass Sie am heutigen Tag gegen die unheilige Allianz von CDU/CSU und AfD gestimmt haben. Dass Ihre Partei aber den Mord an einem Migrantenkind zum Anlass nimmt, für verschärfte Einwanderungsgesetze zu plädieren, finde ich, mit Verlaub, ekelhaft (und das auch noch am Holocaust-Gedenktag ...)
Mit freundlichen, aber sehr enttäuschten Grüßen
Hans H.
Rentner und Wähler aus Thalkirchen
Sehr geehrter Herr H.
zunächst vielen Dank für Ihre Nachricht.
Das von Ihnen angesprochene „Nordische Modell“, wie es beispielsweise in Schweden, Israel oder Frankreich zu finden ist, basiert auf drei zentralen Säulen: der Entkriminalisierung der Sexarbeiter*innen, der Kriminalisierung der Käufer*innen sexueller Dienstleistungen sowie der Betreiber*innen und der Finanzierung von Präventions- und Aufklärungsarbeit. Es verbietet nicht den Kauf von Sex an sich, sondern kriminalisiert den Kauf und die Förderung solcher Dienstleistungen. Ziel dieses Ansatzes ist es auch, die Nachfrage nach Sexarbeit zu verringern, um damit auch die Attraktivität des Geschäfts für Zahlende und Menschenhändler*innen zu reduzieren.
Trotz dieser Zielsetzung lehne ich das nordische Modell ab. Die gravierenden Probleme im Bereich der Prostitution, wie Kriminalität und Menschenhandel, sind zweifellos ernst und bedürfen einer effektiven Lösung. Ich glaube aber nicht, dass die Verdrängung der Prostitution in die Illegalität diese Probleme löst.
Im Gegenteil: Die Kriminalisierung der Sexkäufer*innen führt häufig dazu, dass Sexarbeiter*innen in versteckte und potenziell gefährliche Arbeitsumgebungen gedrängt werden. Der Kontakt zu den Sicherheitsbehörden wird erschwert, da die Kund*innen Angst vor rechtlichen Konsequenzen haben. Dies kann Ausbeutung und Gewalt gegen Sexarbeiter*innen eher verstärken als verringern.
Darüber hinaus können Menschenhandel und Zwangsprostitution in einem gesetzlich geregelten und überwachten Rahmen besser bekämpft werden. Prävention und Aufklärung sind zweifellos wichtige Elemente, aber es bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes, der die Rechte und die Sicherheit aller Beteiligten respektiert und schützt.
Zur aktuellen Diskussion um die Abstimmung über den Fünf-Punkte-Plan der Union und das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz:
Die CDU hat gezeigt, dass konservative Parteien bereit sind, Mehrheiten für Gesetze am rechten Rand in Kauf zu nehmen - wenn nicht sogar bewusst damit zu kalkulieren.
Glücklicherweise waren sich Union und FDP nicht einmal in den eigenen Reihen einig, so dass das Gesetz letztlich nicht verabschiedet wurde. Es ist ein wichtiges Zeichen, dass dieses nicht nur unausgegorene, sondern auch internationales, europa- und verfassungswidrige Vorhaben der Union Besonders besorgniserregend ist die Instrumentalisierung der schrecklichen Morde von Aschaffenburg durch rechte Akteure. Ein kleines Kind und ein mutiger Helfer haben ihr Leben verloren - ein unbeschreibliches Verbrechen. Doch statt in Würde zu trauern, missbraucht die politische Rechte dieses Leid für ihre Zwecke. Diese Verunglimpfung der Opfer ist inakzeptabel.
Die Reaktionen auf dieses Vorgehen sind eindeutig: Bürgerinnen und Bürger, kirchliche Verbände, Holocaust-Überlebende und zahlreiche gesellschaftliche Gruppen äußern ihre tiefe Besorgnis. Tausende gehen bundesweit auf die Straße, um sich gegen den Einfluss rechter und rechtsextremer Kräfte und den Kurs der Union in der Migrationspolitik zu wehren. Unsere Demokratie lebt und viele Menschen sind entschlossen, ihre Werte zu verteidigen.
Aber auch inhaltlich ist es von großer Bedeutung, dass die Flüchtlings- und Migrationspolitik die Grundprinzipien des Flüchtlingsschutzes, der Menschenrechte und der Solidarität wahrt. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, die eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen in Europa ermöglichen und gleichzeitig die Rechte und Bedürfnisse der Schutzsuchenden angemessen berücksichtigen. Eine Reform, die die Migrationskrise verschärft und Menschenrechtsverletzungen Vorschub leistet, ist nicht akzeptabel.
Mir persönlich ist es daher wichtig, dass Deutschland seiner Verantwortung gerecht wird, Menschen auf der Flucht Schutz zu gewähren. Das ist eine Frage der praktischen Solidarität mit denen, die in Not sind und Hilfe brauchen. Solidarität ist zu Recht einer unserer drei sozialdemokratischen Grundwerte. Es darf keine faulen Kompromisse auf Kosten von Menschen in Not geben. Unser historisches Erbe, aber auch unser Grundverständnis von Menschlichkeit verpflichten uns, das Recht auf Asyl zu bewahren und für Menschenwürde und Gerechtigkeit einzutreten.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Roloff