Welche Kosten veranschlagt die Bundesregierung für die notwendig gewesene Klage der EU-Kommission gegen die auf mind. 8-stellige Vertragsstrafe am 14.3.23 verklagte BRD im Hinweisgeberschutzbereich?
Welche Kosten für die öffentliche Hand veranschlagt die Bundesregierung für die mangels Kooperation im vorausgegangenen Vertragsverletzungsverfahren notwendig gewesene Klage der EU-Kommission gegen die auf mind. 8-stellige Vertragsstrafe (einschl. Strafe pro Kalendertag der Zuwiderhandlung) am 14.3.23 verklagte Bundesrepublik Deutschland wegen Nichtumsetzung der Hinweisgeberschutzrichtlinie der EU?
Die Bundesregierung hat infolge erst im Juli 2023 ein Hinweisgeberschutzgesetz umgesetzt (das die Mitarbeitenden der Hinweisgeberschutzstellen selbst nicht schützt: https://verfassungsblog.de/ein-hinweis-fur-den-rechtsstaat/), in den einzelnen Bundesländern traten entsprechende Ausführungsgesetze z. T. erst am 29.12.23 etc. in Kraft.
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich gerne eingehe.
Bereits 2020 in Zeiten des Kabinetts Merkel IV appellierte die SPD für mehr Schutz von Whistleblowern. Im Frühjahr 2021 legte die damalige SPD-Justizministerin Christine Lambrecht einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor. Ausschlaggebend war bereits damals die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern (Richtlinie EU 2019/1937).
Die damalige Große Koalition diskutierte zum diesem Zeitpunkt, wie diese EU-Richtlinie in deutsches Recht transformiert werden soll. Während die Union eine enge „eins-zu-eins-Umsetzung“ forderte, die nicht über das EU-Recht hinausgeht, verlangte die SPD eine Ausweitung des Whistleblower-Schutzes bei Verletzung von deutschem Recht. Anderenfalls wüsste nur der juristisch gebildete Hinweisgeber, ob er geschützt sei oder nicht.
Aufgrund der Blockade der Union und den Vorgaben der EU wurde der Ausbau des Schutzes von Whistleblowern bereits Anfang der aktuellen Legislaturperiode bearbeitet, woraufhin das Hinweisgeberschutzgesetz Mitte Dezember 2022 im Bundestag beschlossen wurde. Trotz des zeitlichen Drucks entschieden sich die von CDU und CSU mitregierten Länder geschlossen gegen eine Zustimmung im Bundesrat. Deshalb kam das Gesetz zunächst nicht zustande.
Die EU-Kommission erhöhte daraufhin den Druck und reichte Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen Deutschland und sieben weitere Mitgliedsstaaten ein. Ende März 2023 rief die damalige Bundesregierung den Vermittlungsausschuss an und erzielte eine Einigung mit dem Bundesrat, wodurch im Mai 2023 das Hinweisgeberschutzgesetz erlassen werden konnte. Die vom Bundestag ursprünglich beschlossene Fassung sah vor, dass interne und externe Meldestellen ihre Meldekanäle auch für anonyme Meldungen hätten ausgestalten müssen. Diese Verpflichtung entfällt nun, die Meldestellen sollen anonyme Meldungen aber bearbeiten. Zudem sieht der Entwurf nun vor, dass hinweisgebende Personen interne Meldestellen zu bevorzugen haben, wenn ihnen keine Repressalien drohen und intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann. Auch wird klar gefasst, dass sich ein gemeldeter Verstoß auf berufliche, unternehmerische oder dienstliche Tätigkeiten beziehen muss.
Betreffend der Verzögerung zwischen Frist und Umsetzung der Richtlinie auf Bundesebene kommt man auf eine Differenz von knapp über 560 Tagen, was einen Betrag von ca. 34,5 Mio. Euro bedeutet. Der gesamte Verlauf bis zum Erlass des Gesetzes zeigt, dass die SPD konsequent dafür kämpfte, Whistleblower besser zu schützen. Aufgrund der Blockaden der Union kam es hierbei zu Verzögerungen, welche die hohen Kosten verursachten.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Hartmann