Frage an Sebastian Hartmann von Ulrich F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Hartmann,
Sie haben sich wiederholt trotz der vielen nicht nur geringfügigen sondern erheblichen Bedenken vieler Organisationen und Einzelpersonen - von den verfassungsrechtlichen Bedenken ganz zu schweigen - für das umstrittene CETA Abkommen und deren Ratifizierung ausgesprochen. (Ich lasse jetzt mal die Klimafragem, die sich ebenfalls an dieses Abkommen stellen, außen vor.)
1. Was ist das positive an der regulatorischen Kooperation, die nicht nur das Primat der Politik untergräbt, sondern nicht legitimierten Personen und Interessenverbänden, eine Veränderung gängiger Standards im Bereich der Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerstandards im Ramen der Weiterentwicklung ermöglicht?
2. Teilen Sie nicht die Sorge, dass dadurch das Vorsorgeprinzip ausgehebelt werden kann?
3. Und wenn nicht, warum nehmen Sie diese Sorgen nicht ernst?
4. Welchen Stellenwert haben in diesem Kontext für Sie die oben genannten zu verbessernden Standards, die seitens von Konzernen als Handelshemmnis betrachtet werden?
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Franz
Sehr geehrter Herr Franz,
bereits 2014 habe ich mich in der damaligen Debatte um CETA und TTIP immer deutlich geäußert: Prinzipiell können internationaler Handel und Handelsabkommen zwischen demokratischen Rechtsstaaten oder ganzen Wirtschaftsräumen wie der EU und Nordamerika eine Chance für Unternehmen und Arbeitnehmer sein. Deutschland ist großer Profiteur eines geeinten europäischen Binnenmarktes. Deutsches Wirtschaftswachstum und unsere Arbeitsmarktstatistik zeigen dies deutlich. Eine exportorientierte deutsche Wirtschaft kann daher von Handelsabkommen profitieren.
Ebenso deutlich habe ich zu den von Ihnen genannten Problemen gesagt: Dieser Befund gilt nicht pauschal und bedingungslos. Es kommt entscheidend auf die konkreten Verhandlungsergebnisse und die konkreten Vertragstexte an. Und hier gab es bei CETA und TTIP erheblichen Diskussionsbedarf. Erstens weil die Texte lange nicht öffentlich waren. Vor allem aber, weil ich Klagemöglichkeiten von Unternehmen gegen Staaten vor nicht öffentlichen, privaten Schiedsgerichten ablehne und immer abgelehnt habe. Denn es ist zu befürchten, dass Schiedsgerichte auf Basis von unbestimmten Rechtsbegriffen wie "indirekter Enteignung" Arbeitnehmerrechte oder Umweltschutzbestimmungen als unbotmäßige Handelshemmnisse qualifizieren. Für mich ist klar, dass Gesetzgeber frei entscheiden können müssen, im Interesse von Arbeitnehmer*innen, Verbraucher*innen oder der Umwelt in das Marktgeschehen einzugreifen.
Deswegen war meine Position zu CETA damals, ein solches Abkommen nicht von vornherein und prinzipiell abzulehnen, sondern sich genau anzuschauen, was konkret verhandelt und vereinbart wird. Die roten Linien für eine Zustimmung habe ich genannt. Aber in einem Zeitalter einer globalen Veränderung wirtschaftlicher und politischer Macht ist es zu begrüßen, wenn demokratische und freie Rechtsstaaten wie die EU und Kanada zum Taktgeber der Globalisierung werden und weltweite Standards z.B. in Arbeitnehmer*innenrechten und Umweltschutz setzen. Vielleicht kommen wir irgendwann in eine Situation, dass andere Staatenbündnisse und Regionen, in denen Freiheitsrechte von Bürgern, Gewerkschaften und Arbeitnehmern nichts oder deutlich weniger zählen, uns die Regeln diktieren. Das gilt es zu verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Hartmann