Frage an Sebastian Hartmann von Ernst P. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Hartmann,
Sie antworteten mir am 21. Dezember 2018 auf meine Frage vom 13. Dezember bezüglich der Debatte um den § 219a StGB: "der Schwangerschaftsabbruch ist in der aktuellen Rechtslage ein erlaubter Eingriff, wenn die betroffene Frau den Vorgaben der sogenannten Beratungsregelung folgt und der Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen erfolgt".
Ich möchte dazu gerne nachfragen, wie Sie zu der Einscätzung kommen, dass ein Schwangerschaftsabbruch ein "erlaubter" Eingriff sei. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urtel vom 28. Mai 1993 festgestellt: "Der Schwangerschaftsabbruch muß für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen und demgemäß rechtlich verboten sein. Das Lebensrecht des Ungeborenen darf nicht [...] der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden. Die Reichweite der Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben ist im Blick auf die Bedeutung und Schutzbedürftigkeit des zu schützenden Rechtsguts einerseits und damit kollidierender Rechtsgüter andererseits zu bestimmen. Als vom Lebensrecht des Ungeborenen berührte Rechtsgüter kommen dabei - ausgehend vom Anspruch der schwangeren Frau auf Schutz und Achtung ihrer Menschenwürde vor allem ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie ihr Persönlichkeitsrecht in Betracht. - Dagegen kann die Frau für die mit dem Schwangerschaftsabbruch einhergehende Tötung des Ungeborenen nicht eine grundrechtlich in Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition in Anspruch nehmen."
Wie ich bereits in meiner Ausgangsfrage dargelegt habe, sind Schwangerschaftsabbrüche daher grundsätzlich rechtswidrig, auch wenn das durch die Straffreiheit weitgehend ohne Folgen ist. Dennoch bleibt die Frage, inwieweit es ihrer Einschätzung nach in unserer Rechtsordnung möglich ist, Werbung für eine rechtswidrige, also grundsätzlich verbotene Handlung zuzulassen.
Freundliche Grüße
E. P.
Sehr geehrter Herr P.,
selbstverständlich ist Ärztinnen und Ärzten die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruches erlaubt, wenn die Schwangere durch eine Bescheinigung die in meiner ersten Antwort aufgeführten Vorgaben erfüllt hat. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 1993 eindeutig festgehalten: " § 218 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes findet keine Anwendung, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle (vgl. Nummer 4 dieser Anordnung) hat beraten lassen. Das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs bleibt auch in diesen Fällen unberührt."
Unabhängig davon betone ich gerne noch einmal grundsätzlich und unmissverständlich: Der Schwangerschaftsabbruch ist eine medizinische Leistung für Frauen in einer Notlage. Frauen, die sich in dieser Notlage befinden, verdienen der angemessenen Unterstützung, Versorgung und Beratung in einer solchen Ausnahmesituation. Ein Informationsverbot (es ging beim §219a nie um ein "Werbeverbot") entspricht nicht diesen Anforderungen an einen modernen Rechtstaat. Ich bin froh, dass die SPD einen Kompromiss gegen die Union durchgesetzt hat, mit dem sich Frauen in der persönlichen Notlage einer ungewollten Schwangerschaft nun darüber informieren können, wo sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen können. Und Ärztinnen und Ärzten soll nun durch die Neuregelung die straffreie Information darüber möglich sein, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Hartmann