Wie stehen Sie zur Frage der aktuellen Abschaltung der Atomkraftwerke?
Sehr geehrter Herr M.,
Vielen Dank für Ihre Frage. Aktuell machen sich viele Sorgen um die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit unserer Energie. Deswegen ist es nur verständlich, wenn alle Energieträger in den Blick genommen werden, ob sie einen Beitrag zur Energiesicherheit leisten.
In Bezug auf einen Weiterbetrieb verbliebener Atomkraftwerke über das Ende des Jahres hinaus, haben wir einen weiteren Stresstest zur Sicherheit der Stromversorgung durchgeführt. Die Ergebnisse sind Grundlage der Einschätzung zur Notwendigkeit einer Verlängerung bzw. eines Streckbetriebes. Folgendes ist durch das Ergebnis des Stresstestes festzustellen:
Atomstrom sichert nicht die Versorgung. Der Stresstest hat ergeben, dass unsere Stromversorgung sicher ist. Nur im Extremfall haben wir im Süden Engpässe im Netz; diese Engpässe sind darauf zurückzuführen, dass unser Strom den französischen Atomstrom aus den maroden brachliegenden Meilern ersetzen muss und dass Bayern und Baden-Württemberg kaum Netze oder Windenergie ausgebaut haben. Deshalb werden wir im parlamentarischen Verfahren eine Verschiebung der zwei AKWs in die Einsatzreserve prüfen. Die beiden AKWs in Einsatzreserve können aber auch dann nur einen kleinen Beitrag zur Netzstabilität leisten, andere Maßnahmen sind deutlich wichtiger.
Atomstrom ersetzt Gas nicht. Nach den Ergebnissen des zweiten Stresstests spart ein Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke nur ein Promille des deutschen Gasverbrauchs. Ein möglicher Streckbetrieb der drei AKW würde kaum zur Versorgungssicherheit beitragen, um eine potenzielle Gaskrise im nächsten Winter zu meistern.
Atomstrom hilft uns nicht, die Preise zu senken: Berechnungen des Öko-Instituts zeigen, dass die Strompreiseffekte im Großhandelsmarkt eines Streckbetriebs der Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim äußert gering wären und lediglich zu einer Preissenkung von 0,5 bis 0,8 Prozent führen würde. Nur systemische Maßnahmen wie auch die Strompreisbremse schafft Klarheit.
Atomkraft ist gefährlich. Die aktuellen Bilder und Berichte aus Saporischschja zeigen uns einmal mehr, wie gefährlich und unbeherrschbar Atomkraft ist. Atomkraft ist eine Technologie mit Ewigkeitskosten, alleine schon durch das Entsorgungsproblem.
Die erheblichen Kapazitäten für mehr Energiesicherheit und Energieunabhängigkeit liegen bei den erneuerbaren Energien. Wir wollen die Netze ausbauen, neue Anlagen leichter ermöglichen und auch bestehende Erneuerbare-Energien-Anlagen besser auslasten, etwa die Bioenergie, aber auch PV und Windenergie, so zum Beispiel durch eine temporäre Aussetzung von Nachtabschaltungen. Darum wird es nun mit den aktuell anstehenden Änderungen des Energiesicherungsgesetzes gehen. Dann sind wir unabhängig von Importen, klimaneutral und nachhaltig. Besonders dort, wo Energiepolitik jahrelang Verhinderungspolitik war, müssen jetzt ad hoc nachhaltige Kapazitäten aufgebaut werden.
Mit freundlichen Grüßen
Sarah Lahrkamp