Wie werden sie als Abgeordneter zum Gesetzesvorhagen der Aufweichung des Klimschutzgesetzes und speziell der verbindlichen Sektorenziele stimmen und weshalb?
Warum muss ausgerechnet eine Rot-Grün-Gelbe Regierung das Klimaschutzgesetz aufweichen?
Wenn die Opposition das vor hätte, würden sie wahrscheinlich schärfsten Protest einlegen...
Sehr geehrter Herr R.,
die Novellierung des Klimaschutzgesetzes (KSG) stellt in der Tat einen politischen Kompromiss dar. Die letzten Jahre haben aber gezeigt, dass der bisherige Mechanismus des KSG kein Garant für Fortschritt in allen Sektoren war. Der neue Mechanismus blickt stärker auf die Erreichung der Klimazielpfade der Zukunft. Gleichzeitig wurde kein einziges Klimaziel verändert, noch darf durch die Novelle ein Gramm CO2 mehr ausgestoßen werden.
Bereits im Koalitionsvertrag vor zweieinhalb Jahren und im Koalitionsausschuss vom März 2023 wurden Leitlinien für die Reform des KSG festgehalten. Diese sahen vor, dass die Einhaltung der Klimaschutzziele künftig anhand einer sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung überprüft werden soll.
Wir Grünen haben in der Regierung einige wichtige Erfolge erzielt. Erstmals in seiner Geschichte ist Deutschland auf dem Weg, seine nationalen Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Die Lücke von ca. 1.100 Mio. Tonnen CO2 vom Amtsantritt der aktuellen Bundesregierung ist nahezu geschlossen. Die Wärmewende im Heizungskeller kann endlich stattfinden, der Schienenausbau wird vorangebracht und über die LKW-Maut klimagerecht querfinanziert, der Erneuerbaren-Ausbau wird stark beschleunigt.
Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes richten wir den Blick von der Vergangenheit in die Zukunft: Künftig wird bei der Einhaltung der Klimaziele nach vorn geschaut, statt nur die Zahlen des vergangenen Jahres zu überprüfen. Die Zielerreichung des gesamten Klimaminderungspfades bis 2030 (65 Prozent CO2-Reduktion) – das sind alle jährlichen Klimaziele bis 2030 zusammengenommen – wird jedes Jahr geprüft, und wenn sie zwei Jahre in Folge nicht erreicht wird, muss die Bundesregierung nachsteuern. Dadurch fallen Zielverfehlungen früher auf und wir können vorausschauender und planbarer die Transformation der Sektoren gestalten. So wird auch weiterhin sehr deutlich zu sehen sein, welche Bereiche zu viele Emissionen ausstoßen. Gleichzeitig konnten wir in den parlamentarischen Verhandlungen entscheidende Verbesserungen zum Regierungsentwurf durchsetzen: Diese neue Nachsteuerung gilt nicht nur bis 2030, sondern wurde dank uns auch für das 2040-Ziel (88 Prozent CO2-Reduktion) für zehn weitere Jahre verbindlich festgeschrieben. Damit wird das Erreichen der Klimaziele 2040 abgesichert. Dieser Nachsteuerungsmechanismus ist ebenso verpflichtend für die Bundesregierung und damit genauso einklagbar wie der vorherige Mechanismus des alten KSG.
Was wegfällt, ist die Nachsteuerungsverpflichtung für einen einzelnen Sektor (etwa Verkehr), wenn zwar nicht das Gesamtziel an zwei aufeinanderfolgenden Jahren verfehlt wird, sondern nur in diesem Sektor. Das war sehr umstritten. Wir haben durchgesetzt, dass die bestehenden Sektorziele nach wie vor jedes Jahr überprüft werden. Es wird weiterhin sehr deutlich zu sehen sein, welche Bereiche zu viele Emissionen ausstoßen. Und genau diese müssen zuallererst Maßnahmen aus ihren Ressorts benennen, wenn Deutschland seine Gesamtziele reißt. Um die Ziele tatsächlich erreichen zu können, sitzen also alle in einem Boot. Mit der Novellierung des KSG bleibt der Verkehrssektor in politischer und rechtlicher Verantwortung.
Darüber hinaus werden zwei weitere Hebel für mehr Klimaschutz im Verkehr greifen: Erstens muss Deutschland ab 2027 für zu viel ausgestoßenes CO2 im Rahmen europäischer Klimagesetze vsl. Zertifikate in Milliardenhöhe kaufen (bis 2030 in Höhe von 126 Mio. Tonnen v.a. aufgrund des Verkehrssektors). Handelt der Bundesverkehrsminister nicht vorausschauend, droht ein Schaden größer als jener durch seinen Vorgänger Andreas Scheuer bei der Maut.
Zweitens haben wir neu im KSG festgelegt, dass jede Bundesregierung gleich zu Beginn ihrer Legislatur ein Klimaschutzprogramm vorlegen muss, das die 2030-Ziele und die schärferen 2040-Ziele einhält, die ebenfalls rechtlich eingeklagt werden können. Das bedeutet, dass die Bundesregierung schon 2026 ein Klimaschutzprogramm vorlegen muss, das Maßnahmen beschreibt, um auch die Klimaziele für 2040 zu erreichen. Das ist ein zentraler Baustein, der auf Deutschlands Weg zur Klimaneutralität noch fehlte.
Aus unserer Sicht ist es entscheidend, wie wir als Bundesrepublik insgesamt und gemeinsam die gesetzlich vorgeschriebenen Klimaziele verbindlich erreichen. Das ist mit der Reform des Klimaschutzgesetzes aus heutiger Sicht sichergestellt. Die genauen Auswirkungen aller Klimaschutzmaßnahmen und -gesetze müssen im Laufe der Zeit immer wieder auf den Prüfstand gestellt und angepasst werden. Dafür werden wir sorgen.
Mit freundlichen Grüßen
Sandra Detzer