Frage an Sabine Poschmann von Sebastian B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Poschmann,
nicht erst seit den jüngsten Ereignissen verfolge ich mit großer Sorge die Politik der offenen Türen und ein öffentliches Klima, in dem kritische Meinungen tendenziell unterdrückt werden. Ich bin sowohl familiär als auch freundschaftlich mit Menschen mit Migrationshintergrund verbunden und meine, das Thema differenziert betrachten zu können. Wenn ich mich vorsichtig am Arbeitsplatz und im Bekanntenkreis umhöre, dann teilen viele diese Bedenken - Menschen mit guten Jobs aus der Mittelschicht, die allesamt nicht dem rechten Lager angehören, sondern traditionell SPD, CDU oder Grün gewählt haben. Es macht sich ein Gefühl der Resignation breit, weil die demokratischen Mitbestimmungsmittel scheinbar erschöpft sind: die nächste Bundestagswahl steht erst 2017 an, es fehlt an friedlichen und bürgerlichen Demonstrationen, und aufgrund der großen Koalition unter der offenbar starken Führung der Bundeskanzlerin fehlt eine seriöse Volkspartei als glaubhafte Opposition zur gegenwärtigen Politik. Der einzige Weg, der mir bleibt, ist, an Sie zu schreiben.
Ich möchte Sie fragen, wie Sie zu der Politik der offenen Türen stehen, und noch wichtiger, zu welchem Wege der demokratischen Mitbestimmung Sie mir raten können.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Baltes
Sehr geehrter Herr Baltes,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 11. Januar 2015.
Offene Grenzen sind ein wesentliches Merkmal der Europäischen Union. Der freie Verkehr von Personen und Waren innerhalb der Gemeinschaft hat die europäischen Nationen enger miteinander verbunden, als man sich das in der Mitte des letzten Jahrhunderts noch vorstellen konnte. Diese Errungenschaft wird derzeit leider von einigen Mitgliedsstaaten zur Verhinderung des weiteren Zuzugs von Flüchtlingen geopfert. Ich persönlich glaube an die europäische Idee und befürworte eine europäische Lösung für die Flüchtlingskrise. Dieser Weg ist sicherlich der kompliziertere, aber er ist auch der einzig gangbare, wollen wir ein gemeinsames Europa erhalten.
Einen unbegrenzten Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland möchte in der Koalition niemand. Jedoch gibt es unterschiedliche Ansätze, wie man der Situation Herr werden kann. Insbesondere innerhalb der CDU/CSU-Fraktion zeigen sich deutliche Differenzen. Während dort noch über den Ausspruch „Wir schaffen das!“ der Kanzlerin gestritten wird, haben wir uns in der SPD-Fraktion schon frühzeitig mit der Frage beschäftigt „Wie schaffen wir das?“. Dabei haben wir uns gegen feste Obergrenzen ausgesprochen, wohlwissend, dass diese uns vor große juristische, ethische und praktische Probleme stellen würden. Wer vor Krieg, Gewalt oder Verfolgung flüchtet, soll Schutz und Zuflucht finden. Wer keinen Asylgrund darlegen kann und dessen Antrag abgelehnt wird, muss Deutschland wieder verlassen, damit die Hilfe auf die wirklich Schutzbedürftigen konzentriert werden kann.
Wenn Sie mich fragen, zu welchem Weg der demokratischen Mitbestimmung ich Ihnen persönlich raten würde, dann wird meine Antwort für Sie wenig überraschend ausfallen. Ich bin seit dreißig Jahren Mitglied der SPD und habe mich hier auf verschiedenen Ebenen für meine Überzeugungen eingesetzt – zunächst bei den Jusos, dann im Ortsverein Aplerbeck, im Rat der Stadt Dortmund und nun im Bundestag. Für mich ist der Weg zur Teilhabe an demokratischen Prozessen die Mitarbeit in einer Partei. Hier werden Konzepte zur Gestaltung der Zukunft erarbeitet. Dabei haben die Mitglieder, zumal in der SPD, tatsächlich die Möglichkeit, ihre Gedanken und Vorstellungen einzubringen. Die Wahlen entscheiden letztendlich darüber, ob diese von der Bevölkerung mitgetragen werden.
Die SPD konnte – obwohl wir nicht die Mehrheit stellen – innerhalb der Großen Koalition wesentliche Vorhaben umsetzen. Mit der Einführung des Mindestlohnes haben wir dem unwürdigen Lohndumping einen Riegel vorgeschoben. Wir haben ein milliardenschweres Entlastungspaket für die Kommunen auf den Weg gebracht. Studenten erhalten mehr BAföG. Die Kinderbetreuung wird ausgebaut und die Mietpreisbremse wurde eingeführt. In einer Koalition muss man auch immer Kompromisse eingehen. Jedoch hätten wir diese Punkte in der Opposition niemals umsetzen können. Die derzeitige politische Diskussion wird beherrscht von der Flüchtlings- und Integrationsproblematik. Wir werden jedoch weiterhin Politik für die gesamte Bevölkerung machen, auch wenn das in der Öffentlichkeit nicht immer wahrgenommen wird. Und nicht zuletzt dafür lohnt sich die Mitarbeit in einer Partei.
Ich hoffe, ich konnte mit diesen Zeilen Ihre Fragen beantworten. Darüber hinaus möchte ich Sie ermuntern, sich einzumischen und sich in die politische Diskussion einzubringen.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Poschmann