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Sabine Poschmann
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Frage von Bernhard B. •

Frage an Sabine Poschmann von Bernhard B.

Sehr geehrte Frau Poschmannn,

ich wende mich an Sie in Ihrer Eigenschaft als Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Bundestage und knüpfe an Ihre Antwort vom Dezember 2014 auf Herrn Kämpers Frage zu den Handelsabkommen CETA und TTIP an.
Mittlerweile hat die EU-Kommission eine Reihe von Vorschläge aufgenommen, die in den letzten 12 Monaten vornehmlich von sozialdemokratischen Politikern/innen in Deutschland und Europa zur Reform des Investitionsschiedsgerichtswesen unterbreitet worden sind. Im November d.J. schließlich folgte ein Textvorschlag der Kommission zum Kapitel Investitionsschutz und -schiedsgerichtswesen für die TTIP-Verhandlungen. Erlauben Sie dazu zwei Fragen:  

1. Was ist Ihre Haltung zur Ausgestaltung der Schutzstandards für Auslandsinvestitionen im Textvorschlag der Kommission? Warum sind die Schutzstandards der fairen und gerechten Behandlung sowie der indirekten Enteignung erforderlich? Warum genügt nicht das Diskriminierungsverbot (wie beispielsweise von Krajewski im Modell-Investitionsvertrag des BMWi erörtert)?

2. Wie sehen Sie im vorliegenden Verhandlungstext das Verhältnis von staatlicher Regulierungshoheit bzgl. Arbeitnehmerrechten, Umwelt-, Gesundheitsschutz u.ä. einerseits und Schiedsgerichtsbarkeit zum Schutz von Auslandsinvestitionen andererseits gelöst?
Müssen nach Ihrer Einschätzung Veränderungen im Investitionskapitel des TTIP-Textvorschlages vorgenommen werden, damit Arbeits- und Umweltnormen gemäß den Forderungen des Parteikonventes der SPD vom September 2014 ausreichend Berücksichtigung im Handelsabkommen finden?

Ich wäre Ihnen für eine baldige Antwort dankbar und verbleibe

mit freundlichem Gruß

Bernhard Bielick

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bielick,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 5. Dezember 2015.
Sie verweisen zurecht auf das große Engagement sozialdemokratischer Politiker beim Umbau des Schiedsgerichtssystems. Der vorliegende Entwurf zum Investitionsgerichtshof ist ein sehr wichtiger Schritt, um es transparenter und unabhängiger zu gestalten.

Ihre erste Frage möchte ich wie folgt beantworten:

TTIP als Vertragswerk zwischen den USA und der EU muss die Interessen aller Mitgliedsstaaten bei der Ausarbeitung berücksichtigen. Viele EU-Mitgliedstaaten sehen hierin eine Möglichkeit, existierende bilaterale Investitionsschutzverträge mit den USA durch ein modernes Abkommen zu ersetzen.
Die EU-Kommission und die Mehrheit der EU-Mitglieder legen Wert auf die Schutzstandards der fairen und gerechten Behandlung sowie den Schutz gegen direkte und indirekte Enteignung.
Die Schutzstandards sind im EU-Vorschlag für TTIP so niedrig ausgestaltet, dass sie hinter dem Schutz nach dem deutschen Verfassungs- und Verwaltungsrecht sowie nach EU-Recht zurückbleiben. Sie respektieren den Gestaltungsspielraum des demokratischen Gesetzgebers. Darüber hinaus genießen ausländische Investoren – entgegen oft geäußerter Befürchtungen – keine weitergehenden Rechte als inländische.
Herr Krajewski schlägt in seinem Gutachten zwei Optionen vor: Zum einen den Einbezug eng gefasster und klar definierter Schutzstandards bei „fair and equitable treatment“ und beim Schutz gegen Enteignung, zum anderen aber den Verzicht auf diese Standards. Somit steht der EU-Vorschlag nicht im Widerspruch zu diesem Gutachten.
Die SPD hat auf ihrem Parteitag bekräftigt, dass die Anspruchsgrundlage des Investitionsschutzes nicht durch unklare Definitionen von Rechtsbegriffen wie „faire und gerechte Behandlung“ einem weiten Interpretationsspielraum geöffnet werden darf. Das bedeutet, dass wir uns für klar definierte Schutzstandards aussprechen. Durch die Verwendung juristisch präziser Definitionen müssen unbegründete und unseriöse Forderungen von Investoren vermieden werden. Im Ergebnis muss ein klares Verfahren mit rechtstaatlichen Grundsätzen stehen. Eine Voraussetzung hierfür ist die genaue Formulierung von Rechtsbegriffen.

In Bezug auf Ihre Fragen zu nationalen Standards und Normen lässt sich nach aktuellem Stand Folgendes sagen:

Mit den Investitionsschutzbestimmungen in TTIP können keine Standards angegriffen werden, die bei Inkrafttreten dieser Abkommen gelten. Die Investitionsschutzbestimmungen gäben Investoren nur die Möglichkeit diskriminierende oder willkürliche staatliche Maßnahmen, die nach der Investition erfolgen, in klar definierten und eng begrenzten Fällen anzugreifen.

Gegen eine Erhöhung von Schutzstandards kann nach dem Inkrafttreten von TTIP nur erfolgreich vorgegangen werden, wenn diese einseitig für ausländische Investitionen gelten würden oder offensichtlich unverhältnismäßig wären. Derartige Regelungen sind jedoch auch bereits nach dem Grundgesetz unzulässig bzw. führen gegebenenfalls zu Entschädigungszahlungen.

Im EU-Vorschlag zu TTIP ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (right-to-regulate) zusätzlich verbindlich in einem eigenständigen Artikel bekräftigt: Die Vertragspartner werden durch TTIP nicht daran gehindert, Maßnahmen zu erlassen, die legitimen Allgemeinwohlzielen dienen. Aus meiner Sicht sind deshalb diesbezüglich keine weiteren Anpassungen des EU-Vorschlags zu TTIP erforderlich.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Antworten behilflich sein.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Poschmann

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