Wann soll die Nachzahlung aufgrund der Dienstrechtsänderung für die Jahre 2020 bis 2022 erfolgen?
Sehr gee Frau Friedel,
Wann soll die Nachzahlung für die Jahre 2020 bis 2022 erfolgen?
Wie stehen Sie zu den verfassungsmäßigen Bedenken der AFD und Linken hinsichtlich der Umsetzung des Urteils?
Hallo Frau F.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Und bitte auch Verständnis dafür, dass es diesmal so lange gedauert hat, die Frage zu beantworten. Zum einen waren Sommerferien, zum anderen - und wichtiger - bin ich, wie ich schon einmal schrieb, fachlich nicht für dieses Thema, sondern für Bildung zuständig. Deshalb muss ich mir immer erst einmal Sachverstand einholen, gerade bei einer so relativ komplexen Materie.
Nun also zu Ihren beiden Fragen:
1. Wann soll die Nachzahlung aufgrund der Dienstrechtsänderung für die Jahre 2020 bis 2022 erfolgen?
Für die zum 1. Dezember 2022 vorgesehene Besoldungs- und Versorgungserhöhung aufgrund des Ergebnisses der Tarifeinigung im Öffentlichen Dienst (Erhöhung der Entgelte um ca. 2,8 % ab dem 1. Dezember 2022) wurde uns seitens des Sächsischen Finanzministeriums zugesagt, diese schnellstmöglich, gegebenenfalls auch vorgriffsweise – zur Auszahlung zu bringen. Sie müssten diese daher bereits seit diesem Frühjahr erhalten haben.
Die Nachzahlungen zur rückwirkenden Anpassung an das sog. Abstandsgebot nach der Alimentationsrechtsprechung des BVerfG sind davon zu unterscheiden. 2020 hat das Bundesverfassungsgericht die Besoldung der Länder Nordrhein-Westfalen und Berlin für verfassungswidrig erklärt, weil der Mindestabstand zur Grundsicherung nicht gewahrt wurde.
Für die beschlossenen Nachzahlungen regelt das vom Sächsischen Landtag am 5. Juli 2023 beschlossene Gesetz (SächsGVBl 2023 14, 203) folgendes: Die Regelungen zu den Nachzahlungen für Beihilfesätze und Familienzuschlag (§§ 87, 87a und 87b SächsBesG) sowie für Ruhestandsbeamte/ Unterhaltsbeitragsempfänger:innen (§§ 80f bis 80h SächsBesG) traten zum 1. August 2023 in Kraft. Zu welchem Datum genau die Auszahlung erfolgt, kann ich Ihnen leider nicht mitteilen, weil dies von verwaltungsinternen Abläufen im Finanzministerium und dem Landesamt für Steuern und Finanzen abhängt. Darauf haben wir mit dem Parlamentsbeschluss keinen Einfluss.
Lange war offen, wer Nachzahlungen für den in den zurückliegenden Jahren entgangenen Besoldungsanspruch erhalten soll. Das Finanzministerium hatte vorgeschlagen, nur den Beamt:innen Nachzahlungen zu gewähren, die Widerspruch gegen ihre Besoldung eingelegt haben. Dem konnten wir unmöglich zustimmen: Das hätte all jene benachteiligt, die im Vertrauen auf die Fürsorgepflicht ihres Arbeitgebers auf einen Widerspruch verzichtet hatten. Wir konnten durchsetzen, dass stattdessen für den Zeitraum ab 2020 – also seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts – alle Beamt:innen von Nachzahlungen profitieren.
Die Regelungen zu der aufgrund der Alimentations-Rechtsprechung angepassten Besoldung und Versorgung treten ab dem 1. Januar 2024 in Kraft (siehe Art. 11 iVm. Art. 3 Nr. 6 - 8 des Gesetzes).
2. Wie stehen Sie zu den verfassungsmäßigen Bedenken der AFD und Linken hinsichtlich der Umsetzung des Urteils?
Soweit sog. verfassungsrechtliche Bedenken in der Plenardebatte am 5. Juli 2023 unter dem Tagesordnungspunkt 4 seitens der AfD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE geäußert worden, kann ich darauf wie folgt eingehen:
Wir halten den Gesetzesbeschluss für eine verfassungskonforme Umsetzung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Darüber hinaus haben wir im Sächsischen Landtag am gleichen Tag einen Entschließungsantrag verabschiedet, der die Staatsregierung ersucht, die sächsische Besoldungsordnung zu überarbeiten und damit auch zukünftig "alimentationsfest" zu machen.
Anders als bei Tarifbeschäftigten kann die Besoldung für Beamtinnen und Beamte eben nicht ohne Weiteres frei (in Tarifverhandlungen) verhandelt werden. Durch unseren Entschließungsantrag (Drs. 7/13847) wird die Staatsregierung ersucht, die Besoldungsordnung im Freistaat Sachsen in enger Abstimmung mit den Gewerkschaften und der kommunalen Ebene zu reformieren. Die Besoldungsordnung ist nicht nur veraltet, sondern sie wird im Rahmen der aktuellen Konditionen der unteren Besoldungsgruppen voraussichtlich das sogenannte Abstandsgebot bei einer weiteren Tarifsteigerung mit den bisherigen Instrumenten von Zulagen nicht mehr einhalten können. Der SPD-Fraktion, aber auch der Koalition insgesamt, ist eine Anpassung deshalb sehr wichtig.
Der Vorwurf der AfD-Fraktion, die Besoldung der Beamt:innen und Richter:innen im Freistaat sei (trotz der jetzigen Erhöhung von 2,8 %) nicht amtsangemessen iSd. Art. 33 Abs. 5 GG, wurde auch in der Plenardebatte nicht begründet und wir sehen auch keinen Grund, warum dies so sein sollte.
Der Vorwurf der AfD-Fraktion, die Streichung der untersten Besoldungsgruppe (A 4) erfolge ohne sachlichen Grund, ist nicht haltbar; ebenso wenig wie die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch die Überführung der Beamt:innen der bisherigen Besoldungsgruppe A 4 in die Besoldungsgruppe A 5.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen 2020 das sogenannte exogene Abstandsgebot, also den Abstand der Besoldung zu einer vergleichbaren Konstellation im Bereich der Grundsicherung, ausgeurteilt. Dies meint: Auch der am schlechtesten besoldete Beamte soll mehr erhalten als Menschen in Grundsicherung. Das ist Ausformung des Alimentationsprinzips. Dafür hat sich das Bundesverfassungsgericht die Besoldung eines alleinverdienenden Beamten mit zwei Kindern in der untersten Besoldungsgruppe hergenommen und festgelegt, gegenüber dem Menschen in Grundsicherung braucht es einen notwendigen Mindestabstand von 15 %.
Nun bestand die Schwierigkeit darin, dass das Bundesverfassungsgericht auch gesagt hat, dass man nicht einfach 15 % bei der untersten Gruppe ansetzen kann und diese linear in die oberen Besoldungsgruppen "hochzonen" kann. Dies würde auch zu Ungerechtigkeiten gegenüber all denen führen, die nicht verbeamtet sind. Deshalb - und weil das Eingangsamt des Justizwachtmeisters/der Justizwachtmeisterin neu zu bewerten war - wurde die Besoldungsgruppe A 4 gestrichen und eine Überleitung in die A 5 geregelt (§ 88 Abs. 1 SächsBesG).
Der Vorwurf der Fraktion DIE LINKE, entnommen der Stellungnahme des DGB aus der Anhörung zum Gesetzentwurf, der Gesetzesbeschluss sei bedenklich, denn er gewährleiste keinen Sicherheitsabstand und es sei eine umfassende Besoldungsreform durchzuführen, geht ebenso fehl.
Das Gesetz berücksichtigt - anders als dies in der Anhörung geäußert wurde -, die korrekte Höhe der Grundsicherung und die Nachzahlungen werden auch nicht auf die "neue" (nach der Alimentationsrechtsprechung angepasste) Besoldung und Versorgung "angerechnet". Einen "Sicherheitsabstand" zum sog. Mindestabstand verlangt auch das Bundesverfassungsgericht nicht. Richtig ist, dass das Gesetz den Mindestabstand wahrt, aber auch nicht darüber hinausgeht. Dies ist aber auch nicht verfassungsrechtlich gefordert. Um den kommenden Tariferhöhungen im Öffentlichen Dienst, die dann wiederum in die beamtenrechtliche Besoldung und Versorgung umgesetzt werden müssen, vorzubauen, hat das Parlament den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zur Reform der Besoldungsordnung beschlossen (siehe obige Ausführungen).
Mit den Anpassung bei der Beihilfe und den Zuschlägen haben wir in Sachsen ein Modell kreiert, das einen sicherlich innovativen Weg geht, aber das Ziel doch erreicht und dabei alle verfassungsrechtlichen Vorgaben erfüllt.
Freundliche Grüße
Sabine Friedel