Frage an Sabine Friedel von Gerd B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Friedel,
Ihren Ausführungen entnehme ich, dass Sie der Meinung sind, Ausländer würden den deutschen Arbeitsmarkt nicht belasten und Einheimischen keine Arbeitsplätze wegnehmen.
Der Chef des Ifo-Instituts, Werner Sinn, schreibt in seinem Buch "Ist Deutschland noch zu retten?":
"Die Zunahme an Arbeitslosigkeit unter Einheimischen, die wir in den letzten drei Jahrzehnten zu verzeichnen haben, dürfte tatsächlich im wesentlichen durch die Verdrängung seitens der Zuwanderer erklärt werden. Der deutsche Sozialstaat hat wie ein gewaltiger Wanderungsmagnet gewirkt, der dem deutschen Arbeitsmarkt gut drei Millionen ausländische Arbeitnehmer zugeführt und von ihm drei Millionen Deutsche in die Arbeitslosigkeit abgezogen hat."
Bleiben Sie trotz dieser eindeutigen Analyse des Wirtschaftsexperten vom angesehenen Ifo-Instituts bei Ihrer Behauptung, Deutschland braucht mehr Zuwanderung?
Können Sie anhand von Zahlen und Fakten belegen, warum Deutschland trotz anhaltend hoher Arbeitslosigkeit weitere Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt braucht?
Sehr geehrter Herr Bendler,
vielen Dank für Ihre Frage. Leider habe ich bisher nicht nachprüfen können, auf welche Datenbasis Herr Sinn seine Aussagen stützt. Das von Ihnen aufgeführte Zitat scheint vor allem in NPD-Kreisen rezipiert zu werden (z.B. "Argumente für Kandidaten und Funktionsträger der NPD" http://www.redok.de/content/view/687/78/#2-2 ). Für eine gesicherte Datenbasis empfehle ich eine Recherche auf den Seiten des Statistischen Bundesamtes ( http://www.destatis.de ). Ablesbar ist dort unter anderem Folgendes:
- In den neuen Bundesländern ist die Arbeitslosenquote deutlich höher als in den alten Bundesländern. Gleichzeitig ist der Anteil an Zuwanderern wesentlich niedriger. Sollte es also überhaupt einen Zusammenhang geben, dann müsste er eher lauten: Je niedriger der Ausländeranteil, desto höher die Arbeitslosigkeit. Ich denke aber eher, dass es gar keinen Zusammenhang von Zuwanderung und Arbeitslosigkeit gibt. Beispielsweise ist der Ausländeranteil in den Niederlanden ähnlich wie in Deutschland, die Arbeitslosigkeit wesentlich geringer. In vielen osteuropäischen Ländern hingegen ist der Ausländeranteil sehr niedrig, die Arbeitslosenquote deutlich höher. Zuwanderung und Arbeitslosigkeit stehen offenbar nicht in einem linearen Zusammenhang.
- Zum anderen sind Ausländer genau wie Deutsche nicht nur Arbeiter, sie sind auch Verbraucher ( http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/das-maerchen-mit-den-auslaendern-und-der-arbeitsplatzwegnahme ). Sie kaufen Lebensmittel, Kleidung, Möbel, Fahrräder, Autos, Reisen, Immobilien usw. Mit anderen Worten: Sie benötigen nicht nur Arbeitsplätze, sondern sie schaffen auch welche, weil sie die Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern und damit die Produktivität erhöhen. 60% der Wirtschaftsleistung in Deutschland hängen vom Konsum der Bürger ab (Quelle: Sven Egenter/Reuters: Die Launen der Verbraucher, in: Süddeutsche Zeitung 22.7.2002). Und nicht zuletzt zahlen Ausländer ebenso wie Deutsche Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Bei den Renten sind sie sogar Nettoeinzahler: Auf Grund ihrer günstigeren Altersstruktur und weil viele von ihnen im Alter Deutschland wieder verlassen und damit auf 30% der ihnen zustehenden Rente verzichten, zahlen sie im Durchschnitt mehr Rentenbeiträge ein, als sie an Renten ausbezahlt bekommen. Geld, von dem deutsche Rentner mitfinanziert werden (Quelle: Website des Bundesministeriums für Wirtschaft).
- Schließlich und endlich schaffen Ausländer auch ganz direkt Arbeitsplätze. Insgesamt gab es im Jahr 2000 280.000 ausländische Selbstständige (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, Studie "Ausländische Mitbürger in Deutschland", Bonn 2001), die über 700.000 Arbeitsplätze geschaffen haben.
Alles in allem scheint mir also das Zitat von Hans-Werner Sinn - der ja zuletzt mit seinem Juden-Vergleich in die Schlagzeilen geriet, diesen dann zurücknahm und sich mächtig entschuldigen musste - von ähnlich zweifelhafter wissenschaftlicher Qualität zu sein wie jenes, welches er mit Bezug auf die Gewerkschaften im gleichen Buch sagt:
"Gewerkschaften sind das, was Ökonomen Kartelle nennen, und als solche nehmen sie die Arbeitslosigkeit, die sie verursachen, billigend in Kauf. Die Arbeitslosigkeit ist geradezu ein Erfolgsausweis ihrer Politik, denn gäbe es sie nicht, so wäre das der Beleg, dass ihre Lohnforderungen im Hinblick auf ihre eigenen Verteilungsziele zu moderat angelegt sind."
Freundliche Grüße
Sabine Friedel