Frage an Ruth Weckenmann von Martin S. bezüglich Recht
„Das Heil aller Demokratien hängt von einer geringfügigen technischen Einzelheit ab – dem Wahlrecht. Alles andere ist sekundär.“ (José Ortega y Gasset).
Letzte Woche wurde im Landtag beschlossen, das ungerechte Auszählungsverfahren nach d´Hondt durch das etwas weniger ungerechte Auszählverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers zu ersetzen, dennoch aber die wenig nachvollziehbare Unterverteilung der Parteimandate auf die Regierungsbezirke zu belassen - mit Wirkung ab der Landtagswahl 2011!
Es bleibt aber bei mehreren eklatanten "Ungerechtigkeiten":
Der Wähler hat (im Gegensatz zu BT-Wahl u. Wahlen anderer Bundesländern) in 3 Wochen und auch zukünftig nur eine Stimme für Partei und Wahlkreiskandidat. Er muss also den Spagat der Verquickung von ohnehin schwieriger Entscheidung für ein Parteiprogramm mit der Bevorzugung eines Wahlkreiskandidaten schaffen!
2) Im kommunalen Wahlrecht z.B. hat der Wähler in Ba-Wü mit seiner Möglichkeit zu Panaschieren u. zu Kummulieren einen viel größeren Einfluss auf die unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit zustandegekommenen Listen- und Kandidatenvorschläge der Parteien.
3) Im Landtagswahlrecht hat eine Stimme für eine Partei/einen Kandidaten aus einem relativ kleinen Wahlkreis nur eine geringere Erfolgsaussicht, einen Kandidaten, der das Direktmandat verfehlt, "durchzukriegen", weil bei der Verteilung der Zweitmandate die absoluten Wahlergebnisse in den Wahlkreisen ausschlaggebend sind.
Meine Fragen:
1) Wie denken Sie über die Gerechtigkeit des Landtagswahlrechtes?
2) Was haben Sie evtl. für Änderungsvorschläge?
3) Wie werden Sie zukünftig in Partei, Fraktion, Landtag, sonstwo diesbezüglich handeln?
Ich erlaube mir noch einen Schlussgedanken: Die Politik-, Partei- u. Wahlverdrossenheit großer Teile des Volkes kann man nicht dadurch eindämmen, dass man es dem Wähler so einfach wie möglich macht. Gibt man ihm bei der Wahl die Möglichkeit, seinen Willen differenziert auszudrücken, dann wird er dies auch tun.
Sehr geehrter Herr Schubert,
ich halte das baden-württembergische Landtagswahlrecht für ungerecht und bin mit einem kleinen Wahlkreis selbst davon betroffen. Trotz großen Einsatzes, großer Präsenz und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger habe ich durch geringe absolute Stimmenanzahl kaum Chancen im Vergleich zu Kollginnen und Kollegen aus großen Wahlkreisen.
Die SPD-Landtagsfraktion hat mehrfach mit einigen Gesetzesentwürfen Änderungen des Landtagswahlrechts gefordert.
Mindestens so gravierend ist die Tatsache, dass bei uns Oberbürgermeister, Schulleiter und Landräte in den Landtag gewählt werden können. Morgens sind sie Teil der Legislative und Nachmittags führen sie als Teil der Exekutive die Gesetze aus.
Für uns sind deren Positionen inkompatibel. Diese gibt es auch in keinem anderen Bundesland.
Sollte ich für eine weitere Legislaturperiode in den Landtag eingehen, werde ich mich für eine Änderung des undemokratischen Wahlrechts einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Ruth Weckenmann MdL