Frage an Ruth Weckenmann von Bayram T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Weckenmann,
ich möchte Ihnen gerne als Mitglied der Union of European Turkish Democrats (UETD) in Stuttgart ein paar Fragen stellen. Erst aber einmal zur UETD selber.
Die UETD, mit Hauptsitz in Köln, wurde im Jahr 2004 als unabhängige Organisation der Zivilgesellschaft ins Leben gerufen. Wir hatten die Ehre, zur Eröffnungsveranstaltung in der Villa Turca, namhafte Gäste wie den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, den türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan, Mitglieder des deutschen Bundestages und des türkischen Parlaments zu empfangen.
Inegration ist keine Einbahnstraße, es muss gefordert und gefördert werden. Dies ist uns wohl bewußt. Deshalb hat die UETD einen 10 Punkte Plan für die Integration der türkischen Bevölkerung sowohl an die Mehrheitsgesellschaft als auch an die türkischen Staatsbürger selber aufgestellt (zu ersehen unter: www.uetd.org). Ich bitte Sie um eine Stellungnahme zu einigen der Forderungen an die Mehrheitsgesellschaft:
1. Bilinguale Spracherziehung: Sprache ist Grundbedingung und Motor der Integration. Die Beherrschung der Muttersprache ist Grundlage für die Erlernung einer weiteren ("Mutter")Sprache. Kinder mit Migrationshintergrund sollten deswegen ziemlich früh an die türkische als auch an die Sprache und Kultur des Landes in dem sie leben herangeführt werden. Bilinguale Spracherziehung sollte bereits im Kindergarten beginnen und in der Grundschule und weiterführenden Schule fortgesetzt werden.
2. Nur die doppelte Staatsbürgerschaft wird der doppelten kulturellen Identität von Menschen mit Migrationshintergrund gerecht. Wie stehen Sie dazu (auch wenn es nicht in Ihrem Einflußbereich steht)?
3. Interkulturelle Öffnung der Verwaltung: der öffentliche Dienst soll bei der Ausbildungsplatzvergabe auf eine Ausgewogenheit bei der kulturelen Vertretung eine Vorreiterrolle spielen.
4. Anerkennung des Islams als Körperschaft d. öffentl. Recht
Sehr geehrter Herr Tasdögen,
hier meine Antworten auf Ihre Fragen:
1. Integration kann nur mit guten Kenntnissen der deutschen Sprache gelingen. Deshalb muss bereits im frühen Kindesalter im Rahmen der Kinderbetreuung mit der Sprachförderung begonnen werden. Die SPD setzt sich für eine Erhöhung des Sprachförderangebots, ein verbindliches Kindergartenjahr und die generelle Beitragsfreiheit des Kindergartens ein. Damit ist die Grundlage für Weiterentwicklung und Schulerfolg der Kinder gegeben.
2. Die SPD will die Integration der in Deutschland lebenden Ausländer unabhängig von der Herkunft. Dazu gehören das Bekenntnis zu unserer Verfassung, unserer Rechtsordnung und eine gute Kenntnis der deutschen Sprache. Wichtige Schritte in diese Richtung waren die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes, das Zuwanderungsgesetz und Integrationsförderung von Seiten des Staates. Den Einwanderungsfragebogen lehnen wir als diskriminierend ab.
3. Wir fordern dass der öffentliche Dienst die Anzahl der Ausbildungsplätze erhöht. Eine Vergabe nach der Herkunft einzustellen, ist rechtlich nicht möglich und würde auch Ihrem Anliegen nicht Rechnung tragen. Wir möchten ein Sonderprogramm für Jugendliche unter 21 Jahren auflegen, damit jede/jeder einen Einstieg in berufliche Ausbildung erhält. Wichtig ist es die Qualifikation der Auszubildenden und die Förderung benachteiligter Jugendlicher zu verbessern.
4. In Deutschland sind die christlichen Kirchen und die jüdische Religionsgemeinschaft als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert. Vor diesem Hintergrund bestehen überhaupt keine Einwände dagegen, dass sich auch islamische Religionsgemeinschaften um eine entsprechende Anerkennung bemühen. Allerdings sind nach unserer Rechtsordnung Voraussetzung für eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts verbindliche dauerhafte Organisationsstrukturen und das Bekenntnis zu unserer Verfassung. Solche verlässlichen dauerhaft angelegten Organisationsstrukturen, wie sie bei den christlichen Kirchen und der jüdischen Religionsgemeinschaften gegeben sind, fehlten bisher auf islamischer Seite. Ich habe Verständnis dafür, dass dies nicht einfach ist, da soweit mir bekannt, dem Islam kirchenähnliche Strukturen eher fremd sind. Ohne solche Strukturen wird eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts jedoch leider nicht möglich sein.
Mit freundlichen Grüßen
Ruth Weckenmann MdL