Frage an Ruth Katharina Seidl von Wolfgang P. bezüglich Umwelt
Neuregelung des § 61a LWG NRW
Sehr geehrte Frau Seidl,
bevor der Landtag sich auflöste, waren die Grünen zusammen mit der SPD ein Verfechter der Notwendigkeit dieser Dichtheitsprüfungen.
Ich vermisse dieses Thema in dem laufenden Wahlkampf, oder will man sich hier nicht outen und eventuell Wähler verlieren?
Wie stehen Sie zu dem Thema bzw. werden die Grünen ihren angefangenen Weg unbelehrbar so stur weiter gehen?
Auch wenn sogar die Verfassungswidrigkeit der Gesetzgebung festgestellt wird, was ja bereits durch die Verwaltung des Landtages und anderer Rechtswissenschaftler geschehen ist?
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Pruß
Sehr geehrter Herr Pruß,
ich danke Ihnen für Ihre Fragen zum Thema Dichtheitsprüfung bzw. zum § 61 a des Landeswassergesetzes. Natürlich beantworten wir auch im Wahlkampf alle Fragen, die uns zum Thema Dichtheitsprüfung gestellt werden, aber dieser hat ja gerade erst begonnen. Gerne lege ich Ihnen im Folgenden unsere Positionen sowie den neuesten Stand der Entwicklungen dar, sofern diese die politischen Entscheidungen betreffen. Für technische Detailfragen würde ich Sie darum bitten, sich an die entsprechende Fachabteilung des Landesumweltministeriums zu wenden.
Bisherige Entwicklungen
Die Novellierung des Landeswassergesetzes (LWG) im Jahr 2007 mit der landesgesetzlichen Verpflichtung zur Dichtheitsprüfung (§ 61 a LWG) wurde von CDU und FDP beschlossen. Seit dem Regierungswechsel haben wir eine Linie verfolgt, bei diesem für den Schutz des Grundwassers wichtigen Thema eine Lösung zu finden, die im Interesse aller Beteiligten und vor allem der Kommunen und Bürgerinnen und Bürgern liegt. Damit haben wir sowohl unserem grundgesetzlichen Auftrag der Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums als auch unserer Aufgabe des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung Rechnung getragen. Wasser und Grundwasser gehören zu unseren wichtigsten Ressourcen. Deshalb darf sich aus Sicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an dem Besorgnisgrundsatz* nichts ändern.
Über das „Wie“ einer Dichtheitsprüfung hat es im Landtag diverse Diskussionen gegeben. Mit einem gemeinsamen Antrag von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Landtags-Beschluss vom Juni 2011) haben wir in technischer Hinsicht bereits die Einführung einer drucklosen Durchflussprüfung gefordert. Eine Forderung, mit der wir den Wünschen der CDU, der Interessensgemeinschaft Haddenhausen und anderer Bürgerinitiativen gefolgt sind. Daraufhin hat das nordrhein-westfälische Umweltministerium mit der Klärung begonnen, wie eine entsprechende Methodik vorgegeben werden kann, um in NRW eine angemessene Regel der Technik einzuführen. Ebenso wurde eingeleitet, dass die NRW-Bank zu Beginn 2012 zinsgünstige Darlehen anbieten wird, die den privaten Hauseigentümern für die Sanierung von privaten Abwasserkanälen auf selbst genutzten Grundstücken zur Verfügung gestellt wird.
Eine rein taktisch begründete Pirouette der CDU
Am 14.12.2011 hat die CDU allerdings bei der abschließenden Beratung im federführenden Umweltausschuss die im Juni 2011 gemeinsam beschlossene Linie verlassen und mit FDP und der Fraktion Die Linke dem FDP-Antrag zur Aussetzung der Dichtheitsprüfung zugestimmt. Damit haben sich mit CDU und FDP die Urheber des § 61 a LWG bei der Umsetzung aus der Verantwortung gestohlen. Der Ausschussbeschluss forderte die Landesregierung auf, den § 61 a LWG auszusetzen. Der Ausschussbeschluss an sich reicht dabei jedoch nicht aus, um die Rechtslage zu ändern.
Über die konkrete Ausgestaltung der neuen Bestimmungen wird das neue Landesparlament entscheiden.
Wie geht es jetzt weiter?
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen weiterhin sehr deutlich: wir bekennen uns nach wie vor zum Vorsorgegrundsatz – Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel. Bei der Abänderung des Landeswassergesetzes geht es für uns GRÜNE um einen fairen Ausgleich der Interessen von Hauseigentümer/innen und Gewässerschutz, aber auch um Verlässlichkeit für Kommunen, Handwerker/innen und eben der Eigentümer/innen und es geht nicht zuletzt um den rechtlich stets zu beachtenden Gleichbehandlungsgrundsatz.
Mit unserem zuletzt vorgelegten Gesetzentwurf wollten wir den § 61a LWG streichen und die Abwasserentsorgung im Rahmen einer Funktionsprüfung stärker am Bundesrecht orientieren. Der von der CDU vorgelegte Gesetzentwurf hingegen verabschiedet sich endgültig vom Besorgnisgrundsatz (Vorsorgeprinzip). Besonders problematisch ist dies deshalb, da diese Kehrtwendung auch für Wasserschutzgebiete beabsichtigt ist.
Uns geht es vor allem um die Standsicherheit bei den für die Abwasserentsorgung vorgesehenen Kanälen. Der in unserem Gesetzentwurf enthaltenen Verordnungs-Ermächtigung folgend haben wir nun auch einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der an entscheidender Stelle zwei Varianten enthält, die die Handhabung der zukünftigen Prüfung vor allem für Einfamilienhäuser betreffen.
Wir fordern als Grüne den fairen Interessenausgleich für alle Betroffenen und werden uns auch im neuen Landesparlament entsprechend unserer hier dargelegten Grundüberzeugungen für eine neue gesetzliche Regelung einsetzen.
Mit besten Grüßen
Ruth Seidl
*Der Besorgnisgrundsatz ist gegeben, wenn im konkreten Einzelfall nicht von der Hand zu weisen ist, dass ein natürliches Schutzgut Schaden nehmen kann. Der Nachweis muss z.B. durch eine Prognose geführt werden, die auf konkreten Feststellungen beruht, sachlich vertretbar und nachvollziehbar ist. Der Besorgnisgrundsatz findet seine Anwendung vor allem beim Grundwasserschutz bzw. den wasserwirtschaftlichen Vorranggebieten (§ 26 Abs. 2 und § 34 WHG; BVerwG, Urteil v. 12.09. BayVBl 1980, S. 759).