Frage an Rother von Kieseritzky von Fred S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr von Kieseritzky,
an einem Wochenende Ende Mai 2006 hat das Getränkeunternehmen Red Bull am Flughafen Tempelhof eine Kunstflugschau durchgeführt. Dabei fanden über den dichtbesiedelten Wohngebieten Neuköllns und Tempelhofs riskante Flugmanöver statt.
Ich wohne in einer Dachgeschoßwohnung nur neben 300 Meter neben der östlichen Einflugschneise des Flughafens Tempelhofs. Im Fall eines missglückten Flugmanövers wäre ich somit potentiell eins der ersten Opfer.
Darüber hinaus kann ich auch gut nachvollziehen und mitempfinden, wie ältere Mitbürger mit eigenen Erfahrungen des Luftbombardements aus der Endzeit des Zweiten Weltkrieges auch heute noch tieffliegende Flugzeuge traumatisch erleben und wahrnehmen.
In der 43. Sitzung der BVV Neukölln am 29.03.2006 wurde im Tagesordnungspunkt 45 (Drucksache 1616/XVII) das Bezirksamt Neukölln aufgefordert, sich dringend bei der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dafür einzusetzen, dass diese Kunstflugschau unter Hinweis auf § 8 Abs. 2 der Luftverkehrsordnung (LuftVO) nicht genehmigt wird bzw. eine bereits erteilte Ausnahmegenehmigung zurückgenommen wird. Diesem Antrag wurde mit Stimmen der CDU, SPD, Grünen und Linke.PDS bei Gegenstimmen der FDP zugestimmt.
Meine Fragen:
1) Mit welchen Argumenten bzw. auf welchen rechtlichen Grundlagen hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
diese Veranstaltung dennoch gestattet?
2) Wie nachhaltig und eindrücklich hat sich das Bezirksamt Neukölln entsprechend des BVV Beschlusses dafür eingesetzt, dass diese Flugschau nicht stattfinden wird?
3) Warum hat die FDP Berlin-Neukölln diesen Antrag nicht unterstützt?
Mit freundlichen Grüßen
Fred Schumann
Warthekiez
Berlin-Neukölln
Sehr geehrter Herr Schumann,
Ihr Vorspann zu den Fragen erfordert längere Ausführungen. es ist richtig, dass die Firma Red Bull eine Kunstflugshow auf dem Flughafen Tempelhof veranstaltet hat. Bei dieser traten die weltbesten Piloten mit EINMOTORIGEN Propellamaschinen in einem Wettbewerb gegeneinander an. Eine Gefahr durch abstürzende Maschinen bestand nicht mehr, als bei dem normalen Flugbetrieb. Wer eine Wohnung in Flugplatznähe bezieht muss wissen, dass Flugzeuge abstürzen können - sie können allerdings auch auf flachem Lande abstürzen.
Die Luftbombardements im 2. Weltkrieg wurde nicht von tieffliegenden Flugzeugen durchgeführt. Bevor die feindlichen Bombageschwader kamen, hatte es Fliegeralarm gegeben und die Bevölkerung musste sich in den Luftschutzräumen aufzuhalten; es sei denn sie hatten irgendwelche Verpflichtungen außerhalb. Auf diese Weise konnte weder das grollende Brummen der Bombageschwader (keine einzelnen Flugzeuge), die sehr hoch flogen um der Flak zu entgehen, noch der spezielle Pfeifton der fallenden Bomben und Luftminen in den Luftschutzräumen gehört werden. Ebenso könnte an den Krieg das Geknalle bei den Feuerwerken oder bei Silvester erinnern sowie die Lichtkegel, die bei den Spektakeln um die Siegessäule in den Himmel geschickt werden.
Viele ältere Bürger erinnern sich bei dem Propellergeräusch der Flugzeuge eher an die Zeit der Blockade, als die Kommunisten versuchten die Menschen in West-Berlin auszuhungern. Diese Menschen verbinden mit Fluzeuggeräuschen eher die Hilfe der Alliierten, die über den Luftweg Lebensmittel, Kohlen und Baustoffe (z.B. für das Kraftwerk Reuter) nach Berlin brachten.
Die FDP-Fraktion hat den Antrag, die Flugshow zu verhindern nicht unterstützt, da es dafür keinen Grund gab. Die Firma Red Bull konnte gegenüber der FDP-Fraktion ausreichend darlegen, dass zu keiner Zeit eine Gefahr für die Besucher oder Anwohner bestand. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Veranstaltung mit kostenfreiem Eintritt viele Neuköllnerinnen und Neuköllner, andere Berliner und Gäste erfreute, die diese Veranstaltung besuchten. Ebenso profitierten Unternehmen und Geschäftsleute davon, da Aufträge mit einem Volumen von über 4 Millionen Euro an regionale Firmen geflossen sind. Gerade für Neuköllner Unternehmen kann jeder Autrag überlebenswichtig sein. Dass Sie als Anwohner eines Flughafens in einer Großstadt mal einen Tag mit Fluglärm leben mussten, musste die Politik bei Abwägung aller Interressen, besonders in Hinblick um den Erhalt oder die Schaffung von Arbeitsplätzen, leider in Kauf nehmen.
Da der von Ihnen genannte Beschluß der BVV vom Bezirksamt nicht umgesetzt wurde, hatte die FDP-Fraktion am 28. Juni das Bezirksamt u.a. um folgende Auskunft gebeten
1. Ist es zutreffend, dass die Veranstaltung "Red Bull Air Race" mangels ausreichender Fluchtwege nicht hätte durchgeführt werden können, wenn das Bezirksamt den Sportpark Neukölln der Firma Red Bull nicht zur Verfügung gestellt hätte?
2. Trifft es zu, dass der Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky die Firma Red Bull bei den Verhandlungen über die Nutzungsüberlassung des Sportparks Neukölln erpresst hat, in dem er die Leistung einer größeren Geldleistung als Spende an das Bezirksamt Neukölln zur Voraussetzung für die Erteilung einer Nutzungserlaubnis gemacht hat?
3. Wie viel Geld müssen Unternehmen, Vereine oder Privatpersonen "spenden", damit der Bezirksbürgermeister Mehrheitsentscheidungen der Bezirksverordnetenversammlung missachtet?
Das Bezirksamt beantwortete die Fragen wie folgt:
"...Mit Schreiben vom 11. Mai 2006 wurde das Bezirksamt von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als Luftfahrtverkehrsbehörde informiert, dass das mit der Polizei, Bundespolizei und Berliner Feuerwehr abgestimmte Sicherheitskonzept für den sicheren schnellen Zu- bzw. Abgang der Zuschauer einschließlich möglicher Evakuierungsmaßnahmen die Nutzung des Stadions Neukölln vorsieht und dies Bestandteil der luftrechtlichen Genehmigung wird. Ob es wollte oder nicht, das Bezirksamt war demnach verpflichtet, mit der Red Bull Air Race GmbH einen Nutzungsvertrag für einen Teil des Werner-Seelenbinder Sportparks abzuschließen. Das Nutzungsentgelt i.H.v.1.534 EUR wurde bei Kapitel 4060 Titel 12401 vereinnahmt.
Im Rahmen der Vertragsbesprechung hat das Bezirksamt der Red Bull Air Race GmbH auch die Hintergründe und politischen Beweggründe für die Beschlusslage der BVV nahegebracht. In Anbetracht dieser politischen Distanzierung und auch vor dem Hintergrund dessen, dass für die Flugshow eine Sportanlage in Anspruch genommen werden sollte, hat das um Konsens bemühte Unternehmen es für angezeigt gehalten, dem Bezirksamt eine Spende über 5.000 EUR zur Förderung des Jugendsports darzureichen....."
Mit freundlichen Grüßen
Rother von Kieseritzky