Frage an Rolf Mützenich von Guido F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Mützenich,
Sie haben für eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes (ISAF) gestimmt.
War für Sie nicht wichtig, dass eine große Mehrheit der Bundesbürger gegen diesen Einsatz ist?
Aus welchem Grund führt die Bundesrepublik Deutschland eigentlich Krieg gegen Afghanistan?
Offensichtlich befindet sich Osama Bin Laden doch gar nicht in Afghanistan und dass er sich je dort befand, war im besten Falle nur eine Vermutung, ähnlich wie die Massenvernichtungswaffen im Irak.
Soweit die Identifizierungen der US-Behörden glaubhaft sind, stammen die meisten Terroristen des 11. September und auch Osama Bin Laden selbst, aus Saudi-Arabien.
Wer die Taten des 11. September finanziert und geplant hat wurde bis heute nicht ermittelt. Ganz im Gegenteil, die US-Behörden brachen die Suche ab, weil es nicht wichtig sei, wer die Anschläge bezahlt hat.
Wie können Sie vor diesem Hintergrund verantworten, dass deutsche Soldaten in Afghanistan getötet werden und auch selber töten?
Müsste nicht überhaupt eher Krieg gegen Saudi-Arabien geführt werden, schließlich wuchsen die meisten Terroristen dort auf und gelangten dort zu ihrer Weltanschauung?
Wie erklären Sie sich, dass die damalige Bundesregierung so blind in den Krieg gegen Afghanistan eintreten konnte und die neue Bundesregierung diesen sinnlosen Krieg genauso blind weiterführt?
Halten Sie es für möglich, Terror durch Krieg (z.B. den Anti-Terror-Einsatz OEF) zu bekämpfen oder gäbe es bessere Wege, der angeblich gestiegenen Terrorgefahr zu begegnen?
In der nahen Vergangenheit mahnte die pakistanische Regierung mehrfach amerikanische Raketenangriffe auf pakistanisches Territorium an und forderte die Respektierung der pakistanischen Staatsgrenzen.
Macht sich Deutschland, als Beteiligter am Afghanistan-Feldzug, nicht mitschuldig an dieser völkerrechtswidrigen Ausweitung des Kriegs auf Pakistan?
Über eine präzise und nicht ausweichende Beantwortung meiner Fragen würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Guido Friedewald
Sehr geehrter Herr Friedewald,
zunächst einmal lege ich Wert darauf, dass wir keinen Krieg /gegen/ Afghanistan führen, sondern die Bundeswehr dabei hilft, das Land vor einem Rückfall ins Chaos zu bewahren. Ich selbst habe niemals einen Hehl daraus gemacht, dass ich der Verlängerung des ISAF-Mandates zustimmen werde. Dies können sie jederzeit auf meiner Homepage (rolfmuetzenich.de) in verschiedenen Stellungnahmen und Veröffentlichungen über einen längeren Zeitraum nach verfolgen. Das ISAF-Mandat beruht im Übrigen auf einem eindeutigen völkerrechtlichen Beschluss des UN-Sicherheitsrates.
Inwieweit der OEF-Einsatz in Afghanistan noch durch das Selbstverteidigungsrecht der USA als Folge der Anschläge des 11. September völkerrechtlich auf einer soliden Grundlage steht, darüber kann sicherlich diskutiert werden. Ich verhehle auch nicht, dass ich und viele meiner Kollegen diesbezüglich unsere Zweifel deutlich formuliert haben. Angesichts der intensiven Debatten der vergangenen Monate haben wir entschieden, die deutschen KSK-Kräfte im Rahmen des OEF-Mandats aus Afghanistan abzuziehen. Damit tragen wir den jahrelangen Diskussionen Rechnung. Dies ist nicht zuletzt ein Erfolg der Bemühungen von Frank-Walter Steinmeier. Eine Tatsache, die in der Öffentlichkeit im Übrigen praktisch nicht zur Kenntnis genommen wurde.
Ich kann Ihnen versichern, dass ich mir die Zustimmung zu ISAF nicht leicht gemacht habe und mir sehr wohl bewusst bin, dass Afghanistan in erster Linie zivile Wiederaufbauhilfe braucht, die sich nicht in Lippenbekenntnissen erschöpfen darf. Afghanistan kann nur stabilisiert werden, wenn auch die Nachbarn des Landes einen größeren Beitrag leisten. Es ist nicht zuletzt ein Erfolg der Bundesregierung, dass die NATO-Gipfel in Riga und Bukarest sich für eine umfassende Afghanistan-Strategie und eine stärkere Betonung des zivilen Engagements ausgesprochen haben. Es ist nun Aufgabe dies weiter voranzutreiben und umzusetzen. Dabei gilt aber auch: Auch noch so viele zivile Projekte, so nötig und begrüßenswert sie sind, werden das militärische Vorgehen gegen gewaltbereite Gruppen nicht überflüssig machen können. M.a.W.: Es muss alles getan werden, um zu verhindern, dass das geschundene Land wieder in einen blutigen Bürgerkrieg zurückfällt und die gesamte Region destabilisiert wird. Dies erfordert Zeit, Geld und einen langen Atem. Im Übrigen haben nicht nur nahezu alle afghanischen Politiker sondern u.a. die Gesellschaft für bedrohte Völker an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages appelliert, für eine Fortführung des Bundeswehreinsatzes zu stimmen. Nun auf halbem Wege die Mission abzubrechen, "sei keine glaubwürdige Alternative, da ohne die Schutztruppe die Sicherheit der Zivilbevölkerung nicht gewährleistet sei und das Schreckensszenario der 90er Jahre, als zehntausende Zivilisten Opfer mordender Warlords wurden, dürfe sich nicht wiederholen dürfe".
Zum Aufenthaltsort von Osama bin Laden, der in der Tat ein Bürger Saudi-Arabiens ist, kann ich nur Vermutungen anstellen. Es spricht einiges dafür, dass er sich in Pakistan aufhält. Wer die Anschläge des 11. September finanziert hat und inwieweit Saudi-Arabien darin verwickelt ist, darüber gibt es zahlreiche -- teilweise auch widersprüchliche -- Vermutungen und Spekulationen. Daraus den Schluss zu ziehen -- wie Sie es tun -- mit militärischen Mitteln in Saudi-Arabien zu intervenieren, kann ich nicht teilen. An der Täterschaft Osama bin Laden für die Anschläge des 11. September gibt es m.E. keinen Zweifel. Die diversen Bekennervideos, die von ihm und den Taliban in Umlauf sind, gelten bei fast allen Geheimdienstexperten als echt.
Zu Pakistan: Ich gebe Ihnen Recht, dass die Angriffe der USA auf pakistanisches Territorium völkerrechtswidrig sind. Sowohl Deutschland als auch die EU haben sich diesbezüglich auch eindeutig geäußert. Deutschland trifft deshalb keine Mitschuld. Die Atommacht Pakistan ist zweifelsohne derzeit der gefährlichste Krisenherd der Welt. Pakistan ist zugleich ein Schlüsselland für den Frieden in der Region. Es muss uns gelingen, Pakistan in die Lage zu versetzen, eine positive Rolle bei der Stabilisierung und beim Wiederaufbau der Region zu spielen. Außenminister Steinmeier bemüht sich unablässig um die Stabilisierung des Landes, wie seine jüngsten Initiativen beim IWF und den Vereinten Nationen beweisen.
Gerne bin ich bereit, mit Ihnen weitere Fragen in meinem Bürgerbüro zu diskutieren. In der Hoffnung, Ihre Fragen damit präzise und zufriedenstellend beantwortet zu haben verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich