Frage an Rolf Mützenich von Philip G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Mützenich.
Ich schreibe Ihnen heute, weil mir Ihre letzte wohlüberlegte Antwort gefallen hat.
Ich beobachte den momentanen Diskurs der Sondierungspartner über den Familiennachzug.
Die Wunschvorstellung von Integration durch Familiennachzug entspricht leider nicht der Realität. Vielmehr haben sich Parallelgesellschaften gebildet (weil Menschen natürlich so leben möchten, wie sie es gewohnt sind und es Ihrer Sozialisation und Kultur entspricht). Durch religiös-indoktrinäre Prägungen über Generationen hinweg ist eine Integration in unsere Sozialisation vielfach gar nicht gewünscht oder aus psychologischen Gründen kaum möglich. Welche alternativen Möglichkeiten zum bedingungslosen Familiennachzug könnten Sie sich vorstellen?
Vielen Dank schon mal für Ihre Antwort und ein gesundes neues Jahr wünsche ich Ihnen!
Sehr geehrter Herr G.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Familiennachzug. Auch ich wünsche Ihnen ein gutes und gesundes neues Jahr.
Für mich sprechen Sie mit Ihren Bedenken zwei Seiten einer Medaille an. Ich bin weiterhin dafür, dass wir den Familiennachzug für die subsidiär Schutzberechtigten ab März 2018 ermöglichen. Bei meinen Besuchen in Flüchtlingsunterkünften und den Gesprächen mit Geflüchteten sowie den ehrenamtlichen Flüchtlingshelferinnen und -helfern erfahre ich immer wieder, dass die Sorge der zu uns kommenden Menschen um ihre nächsten Familienangehörigen sehr groß ist und ein Hemmnis bei der Integrationsarbeit darstellt. Insbesondere die allein reisenden Minderjährigen bedürfen ihrer Eltern, um hier vernünftig anzukommen und ihnen vertraute Bezugspersonen zu haben.
Wenn Sie nach Alternativen fragen, so müssen wir neben einer wirksamen Bekämpfung der Fluchtursachen viel mehr Geld in bessere und sichere Flüchtlingslager in den Krisenregionen investieren. Gesundheitliche Einrichtungen, aber auch die Möglichkeiten des Schulunterrichtes und der Betreuung kleinster Kinder müssen ausgebaut und sichergestellt werden. Denn bei den Zahlen der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge dürfen wir nicht vergessen, dass über 80% der weltweit 65 Millionen Flüchtlinge in den Nachbarregionen der Krisenländer unterkommen und versorgt werden. Die humanitäre Versorgung der Flüchtenden ist eine Aufgabe der gesamten Staatengemeinschaft und muss solidarisch angegangen werden. Im Vergleich hierzu: bei den subsidiär Schutzberichtigen aus dem Irak und Syrien, die nach Deutschland gekommen sind, handelt es sich um ca. 170.000 Personen.
Ich gebe Ihnen aber recht, wenn Sie kritisch anmerken, dass es hiermit bei der Integration nicht getan ist. Zu meinem Wahlkreis in Köln gehören auch die Stadtteile Ehrenfeld und Chorweiler mit hohen Ausländeranteilen in der Bevölkerung. Ich beobachte in meinem Wahlkreis und den genannten Stadtteilen sehr gelungene Integrationsarbeit, leider aber auch die von Ihnen beschriebenen Parallelgesellschaften, die auch zu Problemen führen. Wir als Politik, aber auch als gesamte Gesellschaft, stehen hier vor einer großen Zukunftsausgabe, die wir dringend bewältigen müssen. Es ist unsere Aufgabe als Politik, die Fehler der Vergangenheit genau zu analysieren wie auch die erfolgreiche Integrationsarbeit zu untersuchen und gezielt zu fördern.
Es darf zu keiner Ausgrenzung kommen, weder von der einen noch der anderen Seite. Es darf aber auch zu keiner Abschottung unserer Grenzen kommen und das Recht auf Asyl darf nicht ausgehöhlt werden. Wir brauchen ein modernes Einwanderungsgesetz, gute Integrationspolitik sowie schnelle und faire Asylverfahren. Und wir müssen mit Investitionen in Bildung und sozialen Wohnungsbau sowie einem fairen Arbeitsmarkt dafür Sorge tragen, dass der soziale Zusammenhalt unserer Gesellschaft gestärkt wird.
Hieran müssen sich die Sondierungsergebnisse messen lassen und wir als SPD werden versuchen, in diesen Bereichen erkennbare Fortschritte zu erzielen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rolf Mützenich