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Rolf Mützenich
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Frage von Anke Ben R. •

Frage an Rolf Mützenich von Anke Ben R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Lieber Herr Dr. Mützenich,

der gestrigen Presse ist zu entnehmen, dass der seit langem angekündigte Gesetzentwurf zur Tarifeinheit vorliegt - einer Tarifeinheit, deren verschleierte Absicht es ist, die Streikrechte der „kleineren“ Gewerkschaften zu beschränken, indem jeweils nur die mitgliederstärkste Gewerkschaft in einem Betrieb Tarifverträge abschließen und in diesem Zusammenhang Arbeitskampfmaßnahmen ergreifen kann. Eine Tarifeinheit, die kleine Gewerkschaften und ihren Mitglieder ihre verfassungsmäßigen Grundrechte aberkennt und so im Umkehrschluss dafür sorgt, dass die Gewerkschaftslandschaft nur noch auf einige, wenige Gewerkschaften zusammengeschmolzen wird, ist keine Tarifeinheit, sondern der sichere und für die Arbeitgeber sehr einfache Weg zur „Einheitsgewerkschaft“.

In einem so bunten und vielfältigen Land, wie dem unsrigen, kann es nicht Ziel einer Bundesregierung sein, durch einen bereits im Vorfeld wenig durchdachten und verfassungswidrigen Gesetzesentwurf der Gewerkschaftssingularität Tür und Tor zu öffnen!? Unsere (sozial-)demokratischen Strukturen und die Tarifpluralität sollten nicht angetastet werden, am wenigsten unter Mithilfe bzw. Federführung der SPD...

Wie stehen Sie zu diesem Thema? Mich würde insbesondere interessieren, wo der Arbeiterparteigedanke der SPD dabei bleibt? Geht es hier nur noch um die DGB-Gewerkschaften und deren Interessen?

Ich bin selbst ehrenamtlich Betriebsgruppenvorsitzende und Bundespressesprecherin einer kleinen Fachgewerkschaft (VRFF Die Mediengewerkschaft), die in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, deren Gemeinschaftseinrichtungen und Tochterunternehmen organisiert ist und mir wird es Angst und Bange, wenn ich darüber nachdenke, dass meine Mitstreiter und ich durch das geplante Gesetz (zumindest zeitweise - bis zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit) massivst in unseren Grundrechten eingeschränkt werden. Gerechtigkeit!?!

Ich freue mich auf Ihre Antwort.

Viele Grüße,
Anke Ben Rejeb

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Ben Rejeb,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zum geplanten Gesetzentwurf unserer Arbeitsministerin Andrea Nahles zur Tarifeinheit. Dieses geplante Gesetzesvorhaben der Arbeitsministerin haben wir im Koalitionsvertrag mit der Union festgelegt, dort heißt es auf Seite 70:
„Um den Koalitions- und Tarifpluralismus in geordnete Bahnen zu lenken, wollen wir den Grundsatz der Tarifeinheit nach dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip unter Einbindung der Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesetzlich festschreiben. Durch flankierende Verfahrensregelungen wird verfassungsrechtlich gebotenen Belangen Rechnung getragen.“

Dieser Schritt ist notwendig, da die alte Bundesregierung unter Union/FDP eine Neuregelung nach 2010 nicht umsetzen konnte bzw. wollte, obwohl damals das Bundesarbeitsgericht in mehreren Fällen die bis dahin gängige Regelung für unvereinbar mit Gesetz und Verfassung erklärt hat. Andrea Nahles kommt mit ihrem Gesetzentwurf also nicht nur dem Koalitionsvertrag nach, sondern folgt auch den Anforderungen der obersten Arbeitsrichter.

Allerdings wird es nicht Position der SPD-Bundestagsfraktion sein, das Streikrecht der Gewerkschaften einzuschränken oder gar für Spartengewerkschaften zu verbieten. Das ist nicht der Wille der Bundesarbeitsministerin und so sieht es der Gesetzentwurf auch nicht vor. Ziel ist es dagegen, ein gegenseitiges Ausspielen der kleineren Gewerkschaften durch die Arbeitgeberverbände zu vermeiden und weiter bei den erzielten Tarifabschlüssen für mehr Akzeptanz bei der Beschäftigten sowie der Öffentlichkeit zu sorgen. Etliche Gewerkschaftsvertreter unterstützen auch dieses Vorhaben, sie wünschen sich ein größeres Miteinander der konkurrierenden Gewerkschaften in einem Betrieb, um solidarisch die Interessen der Arbeitnehmerinnen und -nehmer durchzusetzen. Dies wollen wir mit dem Gesetzentwurf zur Tarifeinheit ermöglichen. Der Gesetzentwurf befindet sich nun in den Abstimmungen der zuständigen Ressorts (neben dem Arbeits- und Sozialministerium sind hierbei das Justizministerium sowie das Innenministerium zuständig). Zeitgleich wird es Beratungen in den zuständigen Arbeitsgruppen unserer Bundestagsfraktion geben, bevor es zu den abschließenden Lesungen im Deutschen Bundestag, voraussichtlich im Dezember, kommt. Ich bin mir sicher, dass unsere jeweiligen Fachpolitiker in der Fraktion darauf achten werden, dass es durch das Gesetz zu keiner Verschlechterung der Arbeitsrechte für die Gewerkschaften und die Arbeitnehmerinnen und -nehmer kommen wird.

Unsere Verhandlungsgruppe zum Koalitionsvertrag hat durchgesetzt, dass folgender Satz in die Präambel des Vertrages kommt: „Tarifautonomie, Tarifeinheit und Mitbestimmung sind für uns ein hohes Gut.“ Dieses Motto steht für sozialdemokratische Regierungspolitik für die nächsten Jahre und wird für unser Handeln in der Arbeits- und Sozialpolitik stets verantwortlich sein.
Zu Beginn des kommenden Jahres wird es in Köln eine Gesprächsrunde zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaften und uns drei Kölner SPD-Bundestagsabgeordneten geben. Bei Interesse werde ich Sie hierzu gerne einladen. Für den Fall würde ich Sie bitten, mit meinem Mitarbeiter im Kölner Gemeinschaftsbüro der SPD-Bundestagsabgeordneten (0221 – 169 19 577) Kontakt aufzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Rolf Mützenich

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