Frage an Rita Schwarzelühr-Sutter von Julius-Peter L. bezüglich Bundestag
Sehr geehrte Frau Schwarzelühr-Sutter,
Per Gesetz sollte der Bundestag 598 Mitglieder umfassen - aktuell sind es 709, das sind knapp 20% über dem Soll. Immer wieder wird dieses Thema angeprangert. Die aktuelle Grösse des Bundestags ist weder ein Qualitätsgewinn für die Arbeit des Bundestages noch ist es eine spürbarer Gewinn für die Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf besser vertreten zu sein. Es ist in erster Linie ein nicht unerheblicher Kostenfaktor und vorallem ist ein erhebliches logistisches Problem nahezu 20% mehr an Personen infrastrukturell im Parlamentsapparat unterzubringen . Warum setzen Sie sich nicht entschieden innerhalb der SPD dafür ein, dass diese zwingende Korrektur vor den anstehenden Wahlen behandelt und im Sinne der geltenden Regelung eine Veränderung erfährt?
Mit freundlichem Gruss
Julius-Peter Langer
Murg-Niederhof
Sehr geehrter Herr Langer,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 16. April 2021.
Mit der Änderung des Bundeswahlrechts soll die Vergrößerung des Bundestags begrenzt werden. Bei der Bundestagswahl 2025 wird die Anzahl der Wahlkreise von 299 auf 280 reduziert.
Der Deutsche Bundestag hat auf der Grundlage des bisherigen Wahlrechts bei der Bundestagswahl 2017 eine Größe von 709 Abgeordneten angenommen, eine weitere Erhöhung der Sitzzahl ist nicht ausgeschlossen. Dies könnte den Bundestag an die Grenzen seiner Arbeits- und Handlungsfähigkeit bringen.
Der Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes, den der Bundestag im Oktober 2020 beschlossen hat, soll der weiteren Vergrößerung der Institution entgegenwirken. Er hält am Wahlsystem der "personalisierten Verhältniswahl" fest. Wähler in Deutschland haben eine Erst- und eine Zweitstimme. Mit der Erststimme wählen sie eine bestimmte Person ihres Wahlkreises, es ist der "personalisierte" Teil des Wahlsystems. Mit der Zweitstimme werden Parteien gewählt, sie entscheidet über die Zusammensetzung des Bundestages. Nach der Wahl werden die Zweitstimmen der Parteien proportional nach Wahlerfolg auf die Länder aufgeteilt. Dort wird die Anzahl dieser Mandate mit der Anzahl der dort gewonnenen Direktmandate verrechnet. Gibt es mehr Direktmandate als über die Zweitstimme gewonnenen Mandate, entstehen sogenannte "Überhangmandate". Das ist ein Grund für die steigende Zahl der Abgeordneten.
2013 wurde das Wahlrecht geändert, um diese Überhangmandate auszugleichen, mit sogenannten Ausgleichsmandaten. Keine Partei sollte durch die Überhangmandate einen Vorteil erhalten. Anfallende Überhangmandate werden durch die Ausgleichsmandate mit Blick auf den bundesweiten Zweitstimmenproporz vollständig ausgeglichen. Die Gesamtzahl der Sitze wird so lange vergrößert, bis die Überhangmandate für eine Partei keinen relativen Vorteil mehr darstellen und so eine föderal ausgewogene Verteilung der Bundestagsmandate zu gewährleistet wird. Auch diese Praxis führte zur Vergrößerung des Bundestags.
Um der Bundestagsvergrößerung entgegenzuwirken, wird nach der Änderung des Bundeswahlgesetzes ab der Bundestagswahl 2025 die Zahl der Wahlkreise von 299 auf künftig 280 reduziert. Bereits für die kommende Bundestagswahl soll gelten, dass mit dem Ausgleich von Überhangmandaten erst nach dem dritten Überhangmandat begonnen wird. Zudem sollen Überhangmandate, die einem Bundesland entstehen, wenn eine Partei dort mehr Direktmandate erringt als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen, mit Listenplätzen der Partei in anderen Ländern teilweise verrechnet werden. Bezogen auf das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 wäre damit eine Absenkung der Gesamtsitze auf bis zu 682 Abgeordnete möglich gewesen, heißt es in einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags.
Der Deutsche Bundestag soll zudem auf Antrag der Koalitionsfraktionen in dieser Woche eine Reformkommission einzusetzen, die sich mit Fragen des Wahlrechts befasst und hierzu bis zum 30. Juni 2023 Empfehlungen erarbeitet. Die Kommission soll sich mit der Frage des Wahlrechts ab 16 Jahren sowie mit der Dauer der Legislaturperiode befassen und Vorschläge zur Modernisierung der Parlamentsarbeit erarbeiten sowie weitere Fragen des Wahlrechts erörtern. Außerdem soll sie Maßnahmen empfehlen, um eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern auf den Kandidatenlisten und im Bundestag zu erreichen. Dieser Punkt ist der SPD-Bundestagsfraktion besonders wichtig.
Die SPD-Fraktion hatte im März 2020 Vorschläge zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vorgelegt. Kernpunkt war, die Größe des Bundestages bereits bei den Bundestagswahlen 2021 auf maximal 690 Abgeordnete zu begrenzen und Kandidatenlisten abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen. Die SPD-Fraktion sieht das beschlossene Gesetz laut Fraktionschef Rolf Mützenich "nicht mit Euphorie", trägt den in der Koalition ausgehandelten Kompromiss aber dennoch mit.
Mit freundlichen Grüßen nach Murg
Rita Schwarzelühr-Sutter, MdB