Sehr geehrte Frau Schwarzelühr-Sutter, seit Jahren vertreten Sie unseren Wahlkreis als Bundestagsabgeordnete in Berlin - was haben Sie in dieser Zeit für die Region bewirken können?
Sie sind der Vertreterin eines relativ grossen und komplexen Wahlkreises, der sehr viel Zeit und Aufwand beansprucht. Trotzdem sitzen Sie noch im Kreistag , zudem sind Sie parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium des Inneren - wie lässt sich das zeitlich vereinbaren, ist das noch eine ehrliche Mandatsausübung? Wir hier in der Region haben eine katastrophale medizinische Versorgung, den schlechtesten ÖPNV, das langsamste Finanzamt, Strassen in durchweg schlechtem Zustand, erhebliche Probleme in den schulischen Einrichtungen usw. Es stellt sich schlichtweg die Frage, was funktioniert überhaupt noch? Wie sieht ihre Stellungnahme dazu aus?

Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre kritische Anfrage. Ich verstehe Ihre Sorgen um die Situation in unserer Region und nehme Ihre Anliegen sehr ernst. Lassen Sie mich daher auf Ihre Punkte eingehen und Ihnen darlegen, was ich in den vergangenen Jahren für unseren Wahlkreis erreicht habe und wie ich mein Mandat ausübe.
1. Meine Arbeit für die Region
Seit meiner Wahl in den Bundestag setze ich mich mit Nachdruck für die Interessen unseres Wahlkreises ein – sowohl auf Bundesebene als auch in der regionalen Politik. Einige konkrete Erfolge meiner Arbeit sind:
- Fördermittel für Infrastruktur: Durch meine Unterstützung konnten erhebliche Mittel für den Straßenbau, Breitbandausbau und den öffentlichen Nahverkehr nach Südbaden fließen. Projekte wie die Sporthalle und Mensa in St. Blasien und die Finanzierung der Elektrifizierung der Hochrheinbahn sind Ergebnisse langjähriger Bemühungen.
- Krankenhausversorgung: Ich habe mich für Förderprogramme zur Verbesserung der medizinischen Infrastruktur stark gemacht. Leider gibt es hier noch Herausforderungen, die ich weiterhin mit Nachdruck adressiere.
Für die hausärztliche Versorgung habe ich mich intensiv für die Reform des Honorarsystems eingesetzt. Mit dem verabschiedeten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz konnten wir unter anderem die Entbudgetierung der Hausarzthonorare erreichen, was für eine gerechtere Vergütung sorgt. Die Entökonomisierung der Hausarztpraxen ist ein wichtiger Baustein in der großen Gesundheitsreform, die das SPD-geführte Gesundheitsministerium seit Beginn der Legislaturperiode in Gang setzt.
Darüber hinaus ist die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) gesetzlich verantwortlich für die Organisation der ambulanten medizinischen Versorgung im Land. Sie versteht sich vor allem als Dienstleisterin für rund 23.500 Ärzte und Psychotherapeuten in Baden-Württemberg und übernimmt stellvertretend die Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen. Die KVBW rechnet jedes Jahr etwa 70 Millionen Behandlungen der unterschiedlichsten Fachgruppen in Höhe von rund fünf Milliarden Euro ab.
Sie haben in Ihrem Schreiben Ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass ich Ihnen eine sofortige Lösung präsentiere. Ich versuche mit ganzer Kraft vor dem Hintergrund, den ich Ihnen aufgezeigt habe und der auch zeigt, dass es mit einer besseren Vergütung, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat (z.B. Entbudgetierung von Kinderärzten), hier in Baden-Württemberg und speziell bei uns vor Ort noch nicht zu einer Verbesserung gekommen ist, eine Lösung zusammen mit Ärzten, Krankenkassen, KVBW, Bürgermeistern und dem Landrat hinzubekommen.
Die heutige hausärztliche und fachärztliche Versorgung insgesamt fällt nicht vom Himmel. Es ist schon lange bekannt, dass zahlreiche Hausärztinnen und -ärzte in Deutschland in den Ruhestand gehen und Praxen keine Nachfolge finden.
Zum Mangel an der hausärztlichen Versorgung, gibt es zahlreiche Initiativen von Bund, Ländern und Kommunen. Von Fachleuten werden mehrere Gründe angeführt, die zugleich deutlich machen, an welchen Punkten Verbesserungen ansetzen müssten:
- Zu wenig Studienplätze
- Ich begrüße daher, dass unser Bundesgesundheitsminister Lauterbach zum Ausbau der Medizinstudienkapazitäten einen offensiven Vorschlag angekündigt hat.
- Kein ausreichendes Angebot an Spezialisierung- und Weiterbildung für Fachärzte
- Als Reaktion auf die im 1. Juli 2020 in Kraft getretene Weiterbildungsordnung hat die KVBW die PädNetz Akademie, eine Weiterbildungsinstitution, gemeinsam mit dem pädiatrischen Netzen Baden-Württembergs und dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte gegründet.
- Zu wenige Praxisübernahmen/Neugründungen
- Die Übernahme einer eigenen Arztpraxis scheitert für viele Ärztinnen und Ärzte nach wie vor an der Sorge, in der Selbständigkeit Beruf und Familie nicht miteinander vereinbaren zu können. Die Bundesregierung hatte im GKV-Versorgungsstrukturgesetz gewisse Erleichterungen vorgenommen und die Vertretungsmöglichkeit für Vertragsärzte im Zusammenhang mit einer Entbindung von sechs auf 12 Monate verlängert. Darüber hinaus gibt das Gesetz Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit, für die Dauer von bis zu 36 Monaten im Hinblick auf die Erziehung ihrer Kinder einen sogenannten Entlastungsassistenten in der Praxis zu beschäftigen. Gleichwohl wird nach wie vor der Bedarf gesehen, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich Ärztinnen und Ärzte im Stande fühlen, Praxen zu übernehmen/gründen.
- In Zukunft werden insbesondere Praxisgemeinschaften, Berufsausübungsgemeinschaften und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) tragfähige Modelle sein. Denn für Ärztinnen und Ärzte haben sie den Vorteil, Familie und Beruf und ihre work-life-balance besser miteinander in Einklang zu bringen und ermöglichen es auch jungen Ärztinnen und Ärzten im Team Verantwortung zu teilen, was die Hemmschwelle im Gegensatz zu einer eigenen Praxis enorm senkt.
Gerade ein MVZ im Landkreis könnte mittelfristig zu einer besseren nachhaltigen Versorgung beitragen. Auch dies muss aus meiner Sicht diskutiert werden wie die schnellere Anerkennung von Approbationen ausländischer Ärztinnen und Ärzte durch das in Baden-Württemberg zuständige Regierungspräsidium Stuttgart.
- Wirtschaft und Arbeitsplätze: Ich setze mich für den Mittelstand, die Landwirtschaft und die Industrie in der Region ein, um Arbeitsplätze zu sichern und Investitionen zu fördern. Besonders der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt ist ein Schwerpunkt meiner Arbeit.
- Bildung und Schulen: Ich habe mich für Investitionen in Schulen und Digitalisierung stark gemacht, um den Modernisierungsstau aufzulösen. Förderprogramme zur Sanierung und Digitalisierung der Schulen wurden auf den Weg gebracht. Obwohl die schulische Bildung in der Verantwortung der Landesregierungen liegt, hat die SPD-geführte Bundesregierung durchgesetzt, dass wir als Bund 20 Milliarden Euro in gute Schulen über das sogenannte „Startchancenprogramm“ investieren. Das kam auch bereits drei Waldshuter Schulen zugute: Die Hans-Thoma-Grundschule und die Heinrich-Hansjakob-Grundschule in Waldshut sowie die Johann-Peter-Hebel Grundschule in Tiengen erhalten alle finanzielle Unterstützung durch das milliardenschwere Startchancen-Programm der Bundesregierung. Darüber hinaus unterstützt der Bund beim Ganztagsausbau, beispielsweise mit 2 Millionen Euro für die Hebelschule in Laufenburg.
- Ökologischer Hochwasserschutz: Mit verschiedenen Maßnahmen konnte ich dazu beitragen, dass der Hochwasserschutz entlang des Rheins und der Wutach verbessert wird.
2. Die Vereinbarkeit meiner Ämter
Ja, mein Wahlkreis ist groß und umfasst viele verschiedene Themenbereiche. Dennoch sehe ich es als meine Pflicht an, sowohl in Berlin als Bundestagsabgeordnete als auch vor Ort im Kreistag präsent zu sein. Die Arbeit im Kreistag ermöglicht mir den direkten Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern und sorgt dafür, dass ich die Anliegen unserer Region unmittelbar in meine politische Arbeit auf Bundesebene einbringen kann.
Die Rolle als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern ist ebenfalls eine große Verantwortung, aber sie verschafft mir auch die Möglichkeit, direkten Einfluss auf bundesweite Entscheidungen zu nehmen – insbesondere in Bereichen wie Katastrophenschutz, kommunale Förderprogramme und innere Sicherheit, die auch unseren Wahlkreis betreffen.
3. Ihre berechtigten Anliegen zur Infrastruktur
Ich teile Ihre Kritik, dass es in einigen Bereichen noch große Herausforderungen gibt. Die medizinische Versorgung im ländlichen Raum ist ein bundesweites Problem, für das ich mich stark mache, etwa durch Initiativen zur Förderung von Landarztpraxen. Der öffentliche Nahverkehr muss verbessert werden, und ich setze mich für zusätzliche Mittel für Bus- und Bahnverbindungen ein.
Dass das Finanzamt langsam arbeitet oder Straßen sanierungsbedürftig sind, sind berechtigte Kritikpunkte, die ich regelmäßig mit den zuständigen Stellen anspreche. Für das Finanzamt ebenso wie für die Landstraßen sind wie Sie sicher wissen, das Land Baden-Württemberg zuständig. Mit der Sanierung der Kreisstraßen beschäftigen wir uns intensiv im Kreistag.
4. Was funktioniert noch?
Trotz der bestehenden Probleme gibt es viele positive Entwicklungen:
• Wirtschaftlich steht die Region vergleichsweise gut da, mit einer niedrigen Arbeitslosigkeit und starken Unternehmen.
• Investitionen in erneuerbare Energien und Klimaschutz stärken die Region nachhaltig.
• Grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit der Schweiz funktioniert gut und bringt Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger.
Ich bin mir bewusst, dass noch viel zu tun ist. Deshalb lade ich Sie gerne zu einem persönlichen Gespräch oder einer Bürgersprechstunde ein, um Ihre konkreten Anliegen aufzunehmen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Rita Schwarzelühr-Sutter
MdB, Kreisrätin, Parlamentarische Staatssekretärin