Frage an Rita Schwarzelühr-Sutter von Volker F. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Schwarzelühr-Sutter,
bzgl. der diese Woche anstehenden Abstimmungen in der SPD und im Deutschen Bundestag über die Autobahnprivatisierung, möchte ich Sie fragen, wie Sie darüber denken und abstimmen wollen und welche Gründe Sie dafür haben; insbesondere ob für Sie der damit einhergehende Machtverlust der Parlamente, der Ausverkauf von Hoheitsaufgaben und die Ausgabe von Steuergeldern für Renditeerwartungen privater Investoren massgebliche Entscheidungsgründe sind.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Falkenstein
Sehr geehrter Herr Falkenstein,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 29. Mai 2017 bei abgeordnetenwatch.de zur Grundgesetzänderung und die damit verbundene Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft. Gerne möchte ich zu Ihrem Anliegen Stellung nehmen.
Um den Investitionsstau bei unseren Straßen zu beenden, hat der Deutsche Bundestag in dieser Legislaturperiode deutlich mehr Mittel für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung gestellt.
Allerdings verhindern organisatorische Mängel häufig, dass die bereitgestellten Mittel für den Bau von Bundesfernstraßen zielgenau und an den verkehrlichen Maßstäben orientiert optimal abfließen können. Auch bei der Planung und dem Betrieb gibt es vielerorts Optimierungsbedarf. Die bestehenden Probleme hat die Politik erkannt. Daher ist eine Reform dieser Strukturen dringend geboten.
Schon länger war die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft im Gespräch, die Planung, Bau und Betrieb in die Hände des Bundes legt. Der Bund ist am besten in der Lage, seine eigenen Prioritäten umzusetzen. Der Idee einer entsprechenden Bundesfernstraßengesellschaft stand ich mit Blick auf den enormen Investitionsbedarf bei der Verkehrsinfrastruktur immer offen gegenüber. Ein entsprechendes Konzept, wie es die Arbeitsgruppen Verkehr, Wirtschaft und Haushalt der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegt haben, fand und findet meine volle Unterstützung.
Die Bundesregierung hat ursprünglich einen Entwurf vorgelegt, dem wir nicht zustimmen konnten. Zum einen hat der ursprüngliche Entwurf nicht den verkehrspolitischen Anforderungen entsprochen, zum anderen wies er erhebliche Mängel hinsichtlich Privatisierung, Struktur, Beteiligung der Politik sowie Mitarbeiterrechten auf. In langen Verhandlungen konnten wir aus meiner Sicht wesentliche Veränderungen durchsetzen.
Mich erreichen derzeit viele Schreiben von Bürgerinnen und Bürgern, die in dem vorliegenden Vorschlag zur Bundesfernstraßengesellschaft eine Privatisierung durch die Hintertür befürchten. Festgemacht wird dies an der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Allerdings finden sich in der Praxis genug Beispiele, wie etwa die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) oder die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die beweisen, dass eine GmbH in öffentlichem Besitz nicht gewinnorientiert sein muss. Hierfür notwendige Schranken müssen dauerhaft gesetzt sein. Die von der SPD verhandelten Begrenzungen waren daher für mich notwendige Voraussetzungen für meine Zustimmung.
Der Einfluss von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) wird mit der vorliegenden Reform weiter beschränkt. ÖPP für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentlicher Teile davon umfassen, sind ausgeschlossen. Es werden Möglichkeiten zur Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren ausgeschlossen, die bislang noch bestehen. Hier ist der Gesetzentwurf ein echter Fortschritt. Dem Deutschen Bundestag – namentlich dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss - werden durch die Reform neue Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, die dieser auch im Sinne des Interesses der Bürgerinnen und Bürger nutzen werden.
Im aktuellen Bundesverkehrswegeplan haben wir den Anreiz für ÖPP bereits dadurch gemindert, dass Gelder nicht mehr nach Ländern, sondern Prioritäten vergeben werden. Auch durch die neu eingeführten, realistischeren Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden ÖPP reduziert, ebenso wie das in der neuen Gesellschaft eingeführte Planungsprinzip nach der Lebenszeit.
Die vorliegende Reform gewährleistet auch, dass das wirtschaftliche Eigentum der Bundesfernstraßen unveräußerlich beim Bund bleibt. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig. Die neue Gesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig. Die Übertragung von Nießbrauch-Rechten – also die gewinnbringende Nutzung durch die Gesellschaft – ist ausgeschlossen. Weder wird die Gesellschaft als Mautgläubigerin auftreten, noch wird eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft an Dritte ermöglicht.
Eine wichtige Voraussetzung für meine Zustimmung war auch, dass wir in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften die Rechte der Beschäftigten beim geplanten Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder auf den Bund festgeschrieben haben. So wird es beispielweise ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang geben und die besondere Situation des beamteten Personals wird berücksichtigt.
Bedenken habe ich allerdings, ob ein Wechsel des Systems ohne größere Friktionen möglich ist und in absehbarer Zeit die gewünschte größere Effizienz und Effektivität tatsächlich erreicht werden können. Vielmehr sind durch die Umstellung deutliche Verzögerungen und Effizienzverluste möglich. Wichtig ist nun, dass der Gesellschaftsvertrag entsprechend im Sinne einer effizienten Arbeitsweise der neuen Gesellschaft gestaltet wird. Durch unsere Änderungen am Gesetz wird hierfür das Parlament zuständig sein.
Bei meiner Entscheidung habe ich neben der Reform der Straßenbauverwaltung auch die anderen Aspekte dieses Gesetzes berücksichtigt. Die umfassende Reform der Bund-Länder-Beziehungen ist ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Finanzierung der Länder. In dem Paket enthalten ist auch eine Lockerung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich, die es dem Bund ermöglicht, Geld für Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung zu stellen, um beispielsweise Schulgebäude zu sanieren und zu modernisieren. 3,5 Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung. Das Geld geht vom Bund über die Länder an die Kommunen, die dann vor Ort entscheiden, wie es investiert wird.
Außerdem wird im Rahmen des Pakets der Unterhaltsvorschuss neu geregelt, den Alleinerziehende erhalten, wenn das eigentlich unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt: künftig wird nicht nur bis zum 12. Geburtstag des Kindes gezahlt, sondern bis zum 18. Geburtstag, und während bislang maximal 6 Jahre lang gezahlt wurde, entfällt diese Befristung künftig komplett.
Dadurch werden wir das Leben für viele Menschen spürbar verbessern. In Abwägung dieser Dinge und angesichts der Tatsache, dass Mängel der Infrastrukturgesellschaft Verkehr einfachgesetzlich behoben werden können, habe ich dem Gesetzentwurf zugestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Rita Schwarzelühr-Sutter