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Renate Künast
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Frage von Jürgen S. •

Frage an Renate Künast von Jürgen S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sie haben in der Afghanistan-Beratung vom Freitag Malalai Joya als „frühere“ Abgeordnete bezeichnet und ihre Ablehnung vor dem deutschen Parlamentsausschuss wegen ihrer unislamischen Äußerungen akzeptiert. Von den Regierungsparteien und der FDP ist nur (hier transatlantische) Staatsräson zu erwarten, aber Sie als Mitglied einer früheren(?) Bürgerrechtspartei sollten sich nicht vor einem „kompletten Bild“ scheuen (Phoenix-Motto).

War „Schlagt sie, vergewaltigt sie!“ etwa eine demokratische Forderung, die dann mit Rücksicht auf die EU auf nur „parlamentarisches Haus- und Ausreiseverbot ohne Angabe einer Zeitbegrenzung“ abgemildert wurde? Welche Etikette verlangen Sie von einer Abgeordneten, die mehrere Morddrohungen täglich erhielt? Das Parlament hat sich daneben benommen, denn absetzen können sie nur ihre Wähler. http://www.afghanistan-seiten.de/afghanistan/malalai_forum.html

Die Warlords haben das Parlament in der Hand und lassen dort fleißig gegen Dr. Rangin Dadfar Spanta intrigieren, weil er sich (obwohl auf verlorenem Posten?) um Demokratie und Aufklärung bemüht und sich weigert, deren Verwandten Botschafterposten zuzuschieben.

Oder ist Malalai Joya für Sie nur deshalb unglaubwürdig, weil Die Linke mit ihr redet? Auch weisen sie auf mehrere Afghanistan-Besuche der Grünen hin. Glauben Sie, dass eine offizielle Delegation die Wirklichkeit zu sehen bekommt?

RAWA: „Als eine feministische Organisation, die für Freiheit, Demokratie und Frauenrechte mit einer klar antifundamentalistischen Haltung kämpft, ist RAWA von der Unterstützung durch Regierungen, der Vereinten Nationen oder der für Afghanistan aktiven NGOs ausgeschlossen.“ http://www.rawa.org/s_de.htm
Halten Sie das für gerechtfertigt?

Mit irritierten Grüßen
Jürgen Schröder, Stadtroda

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schröder,

im Namen von Renate Künast danke ich Ihnen für Ihre Nachricht vom 14.10.2007 zum Thema "Afghanische Frauenrechtlerin Malalai Joya".

Sie hatten in Ihrer E-Mail die Position von Renate Künast gegenüber Malalai Joya bzw. Frau Künasts diesbezügliche Äußerungen während der Debatte zur Abstimmung über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes kritisiert. Ich teile Ihre Ansicht nicht und möchte Ihnen meine Gründe erläutern.

Es steht außer Frage, dass sich Frau Joya mutig und leidenschaftlich zu den politischen Umständen in Afghanistan äußert. Insbesondere ihr Auftritt auf der Loya Jirga in 2003 ist dabei zu erwähnen, als sie vor laufenden Fernsehkameras die Anwesenheit bekannter Warlords anprangerte und dafür Todesdrohungen erhielt.
Leider ist das afghanische Parlament auch heute noch durchsetzt mit Abgeordneten, die sich nicht an die demokratischen Regeln halten. Renate Künast hat aus der Debatte heraus einen Namen genannt, aber leider ist die Liste noch länger. Eine Einschätzung der politischen Landschaft in Afghanistan aus Deutschland ist nicht leicht. Es ist immer zu empfehlen, mehrere Vertreter anzuhören, um ein differenziertes Bild zu gewinnen. Wir erhalten aus Afghanistan auch Emails und Briefe von anderen Frauenrechtlerinnen und Abgeordneten, "die mit Schrecken hören, dass ausgerechnet afghanische Frauenrechtlerinnen in Deutschland, davon sprechen, dass es den Frauen in Afghanistan heute schlechter ginge als zu Talibanzeiten". Dieses Zitat entstammt einem Brief an die Fraktion, den acht afghanische Parlamentarier -darunter fünf Frauen- unterschrieben haben. Die Mitstreiterinnen von Malalai Joya sind ebenso wie sie bedroht und arbeiten unter Lebensgefahr. Sie vertreten aber eine andere Meinung als Frau Joya, die in einem TAZ-Interview behauptet hat, dass es den Frauen unter den Taliban genauso schlecht gegangen sei, wie heute.

Ich führe das auf, weil es wichtig ist, dass wir differenzieren und das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Tatsache, dass sich Frau Joya für die Rechte von Frauen in Afghanistan einsetzt, ist sinnvoll und zu unterstützen. Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass man Kritikverbot erteilt.

Mit freundlichen Grüßen

Mariam Tutakhel
Referentin

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