Frage an Reinhard Bütikofer von Edgar R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Bütikofer,
das ist schön, wenn man einmal eine direkte Frage stellen kann, denn vielmals ist es schwer, zu den wesentlichsten Themen Fragen zu stellen.
Meine zwei brennendsten Fragen zum Friedensbeitrag: Wie können Sie sich in Gegenwart von unserer Generation, den negativen Poli-tikwechsel gegenüber von Russland und China erklären? Und welche gegensteuernden Maßnahmen unternimmt Ihre Partei, z. B. im Bund, um eine brandgefährliche Konfliktsituation für die nahe Zukunft abzuwenden?
Diese Fragestellung beruht natürlich unter der Berücksichtigung von einigen bekannten Stolpersteinen innerhalb der Ost-Westbeziehungen.
Wenn man diese einmal nach Ost-West gegeneinander aufrechnet, findet man erstaunlicherweise mehr irritierende Fakten auf Seiten des Westens.
Begleitgedanken zu den Fragen an die Verantwortlichen:
Besonders die älteren, „kriegsnäheren“ Generationen wundern sich, warum man seit einigen Jahren einen solchen offensichtlichen Poli-tikwechsel durch die westliche Seite vollziehen konnte.
Ist es nicht so, dass wir aus der Geschichte diese Form von kurzsichti-gen Argumenten vor vielen Kriegsausbrüchen kennen?
Ist es nicht so, dass Beziehungspflege mehr hilft, als Vorhaltungen, Aufrechnungen, Einmischungen, Druck und ständig neue Sanktionen?
Ist es nicht so, dass man zur wahren Konfliktlösung, Ehrlichkeit und Akzeptanz vorweisen muss, um gemeinsam von einem Ausgangs-punkt starten zu können??
Warum haben die alten warnenden Sätze, „nie wieder Krieg“, ihre einstige Greifbarkeit verloren?
Wie gefährlich sind die ablenkenden Gesellschafts-Diskussionen?
Sehr geehrter Herr Reinbold,
haben Sie zunächst einmal Dank für Ihre Fragen.
Ich erkläre mir „den negativen Poli-tikwechsel gegenüber von Russland und China“, wie Sie das nennen, zuallererst mit Veränderungen in der Politik Russlands und Chinas.
Bis zur Rückkehr von Wladimir W. Putin ins russische Präsidentenamt 2012 hatte es insbesondere in Berlin viele Hoffnungen auf eine Modernisierungspartnerschaft mit Russland gegeben, in die Politik und Wirtschaft viel investierten. Putin demonstrierte danach aber, dass er Russlands Stärke gegen die Interessen der unmittelbaren Nachbarn wie der Ukraine, gegen die der EU, der NATO und der USA durchsetzen wollte, nicht in Kooperation. Erste dramatische Höhepunkte dieser Entwicklung waren die Okkupation und Annexion der Krim sowie die Aggression in der Ostukraine, unter rücksichtslosem Bruch internationalen Rechts. Syrien, Libyen drängen sich auch als Beispiele auf.
Chinas Wende zu einer immer aggressiveren Außenpolitik fällt mit dem Amtsantritt von Xi Jinping zusammen. Auch er zeigt eine große Verachtung für internationale Verpflichtungen Chinas, sei es beim Seerecht (UNCLOS), im Handel (WTO), bei den bürgerlichen und politischen Rechten (ICCPR), bezüglich Hong Kongs (CBJD) oder bei der Aggression gegenüber Indien oder Taiwan.
In China wie in Russland wird die Außenpolitik getrieben von einem Regime, das die Todfeindschaft zur Demokratie zum obersten Gesetz gemacht hat.
Was ist zu tun, um „eine brandgefährliche Konfliktsituation für die nahe Zukunft abzuwenden“, fragen Sie. Ich glaube, in beiden Fällen hilft der ständig wiederholte Appell an westliche Gesprächsbereitschaft alleine nicht weiter. Geredet wird viel. Aber unsere Kritik wird in Moskau und Peking im Wesentlichen einfach ignoriert. Dort setzt man nicht auf die Stärke des Rechts, sondern auf das Recht des Stärkeren. Zuletzt wurde der EU-Vertreter Borrell bei seinem Moskau-Besuch geradezu gedemütigt, obwohl er explizit das Gespräch suchte.
Es ist so, dass Beziehungspflege helfen kann, aber nicht als Selbstzweck. Die EU muss auch lernen, die Sprache der Macht zu sprechen und Moskau wie Peking deutlich zu machen, dass aggressive Politik auch für den Aggressor Kosten hat, nicht nur für den Angegriffenen. Bloße Vorhaltungen und Aufrechnungen reichen da nicht, stimmt. Aber warum sollten Sanktionen gegen korrupte und brutale Menschenrechtsverletzer etwas Schlechtes sein? Und warum sollten demokratische Länder sich nicht gegenseitig solidarisch beistehen, wenn eine autoritäre, aggressive Großmacht einzelne von ihnen unter Druck setzen will, wie China etwa im Falle Schwedens oder Australiens und Russland gegenüber dem Baltikum, der Ukraine oder Belarus?
Die alte Mahnung „Nie wieder Krieg“ gilt für uns immer noch. Aber man muss auch die Augen aufmachen: Russland hat sich nicht daran gehalten. In China redet Xi Jinping ständig vom Kriege-gewinnen-Können und droht Taiwan mit einem Überfall. Es gibt da ja ein deutsches Sprichwort: „Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“
Ich bin nicht für Eskalation. Ich bin sehr dafür, Kooperation zu suchen, wo das heute und morgen geht. Es gibt aber auch eine Eskalation durch mangelnde Gegenwehr gegen Gewaltregimes.
Die richtige Balance zu finden, ist sicher nicht leicht. Wir sollten sie als EU gemeinsam suchen, mit unseren Partnern, nicht in deutschen Alleingängen wie bei Nord Stream 2.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Bütikofer