Frage an Reinhard Bütikofer von Leo M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Bütikofer,
ich habe gesehen, dass Sie per Tweet die Reaktion der EU-Kommission auf das „Sicherheitsgesetz“ der VR China für Hongkong kritisiert haben. Planen Sie bzw. Ihre Fraktion, weitergehend Stellung gegen die Erosion der Freiheit Hongkong zu beziehen? Oder bleibt es bei mahnenden Worten und im Endeffekt wird die Handelsbeziehung mit dem Festland priorisiert?
Sehr geehrter Herr Mittag,
vielen Dank für Ihre Zuschrift.
Ich setze mich auf unterschiedlichen Wegen für die Autonomie Hongkongs ein. Nachstehend ein paar aktuelle Beispiele:
In einer gemeinsamen Erklärung (https://www.hongkongwatch.org/all-posts/2020/5/23/patten-led-group-of-198-parliamentarians-from-23-countries-decry-flagrant-breach-of-the-sino-british-joint-declaration) mit aktuell 904 Abgeordneten und politischen Entscheidungsträgern aus 43 Ländern verurteile ich die einseitige Einführung des sogenannten nationalen Sicherheitsgesetzes durch China in Hongkong und somit den Verstoß gegen den Chinesisch-Britischen Vertrag von 1985. Am 30. Juni, einen Tag vor der Einführung des genannten Gesetzes, wurde auf Initiative von Miriam Lexmann (EVP, Slowakei) und mir eine informelle Hong Kong Watch Group im Europäischen Parlament gegründet: https://www.reinhardbuetikofer.eu/2020/06/30/members-of-the-european-parliament-launch-an-informal-european-parliament-hong-kong-watch-group-press-release/.
Zudem hat das Europäische Parlament am 19. Juni auf meine Initiative über eine Resolution (https://oeil.secure.europarl.europa.eu/oeil/popups/printficheglobal.pdf?id=713963&l=en) abgestimmt, mit der die Notwendigkeit aufseiten der EU, Hongkongs hohes Maß an Autonomie zu verteidigen, unterstrichen wird. Sie wurde mit 565 gegen 34 Stimmen bei 62 Enthaltungen angenommen. Die EU muss der chinesischen Führung deutlich machen, dass wir diesen Übergriff nicht ohne Konsequenzen hinnehmen. Zu wichtigen diplomatischen Schritten gehört die Berufung eines Hongkong-Sonderbeauftragten durch den UNO-Generalsekretär, die Einrichtung einer internationalen Hongkong-Kontaktgruppe und die Prüfung der Möglichkeit, gegen die Verletzung internationalen Rechts vor den Internationalen Gerichtshof zu ziehen. Die Resolution thematisiert auch mögliche ökonomische Konsequenzen. Außerdemmuss die EU jungen Demokratie-Aktivistinnen und -Aktivisten aus Hongkong einen sicheren Hafen anbieten. Nähere Informationen hierzu finden Sie sowohl in meinen Plenarnotizen (https://www.reinhardbuetikofer.eu/2020/06/20/rassismus-zentrales-thema-im-parlament-buetis-plenarnotizen-mai-2020/) – meinem Videobericht zu den Plenarsitzungen – als auch in meiner Bütis Woche (https://www.reinhardbuetikofer.eu/2020/06/23/europas-china-strategie-kuschen-kaempfen-oder-was-buetis-woche/).
Bereits am 6. Mai habe ich das Webinar „What’s next for Hong Kong? The future of Hong Kong’s fight for democracy” mit Martin Lee und Alan Leong veranstaltet. Martin Lee ist der Gründungsvorsitzende der Vereinigten Demokraten von Hongkong, der ersten großen politischen Partei in Hongkong, und der Demokratischen Partei, der aktuell größten pro-demokratischen Partei. Er ist einer der 15 demokratischen Anführer, die im April in Hongkong verhaftet wurden. Alan Leong ist der Vorsitzende der zweitgrößten pro-demokratischen Partei in Hongkong. Eine Aufzeichnung des Webinars finden Sie hier: https://reinhardbuetikofer.eu/2020/05/04/webinar-whats-next-for-hong-kong-the-future-of-hong-kongs-fight-for-democracy-wednesday-6-may-at-1-pm/. Herr Lee und Herr Leong haben auf meine Einladung im November 2018 auch das Europäische Parlament in Straßburg besucht.
In der Handelspolitik der EU gegenüber China gibt es bereits Änderungen, aber das kritische Überdenken muss vertieft werden. Wir werden uns z. B. endlich dem Thema der Durchsetzung von Menschenrechten in den Wertschöpfungsnetzwerken europäischer Unternehmen widmen müssen. Zum Thema „The Exploitation of Uyghur Forced Labour in China“ habe ich ebenfalls ein Webinar veranstaltet. Eine Aufzeichnung finden Sie unter folgendem Link: https://reinhardbuetikofer.eu/2020/05/25/recording-available-the-exploitation-of-uyghur-forced-labour-in-china-webinar/.
Europa braucht große Anstrengungen, um seine China-Politik gemeinsam zeitgemäß weiterzuentwickeln. Kooperation, wo möglich. Aber mit klarer Kante und ohne Blauäugigkeit. Und engagierter Vertretung der eigenen Werte und Interessen, auch wenn es Chinas Führung nicht gefällt. Wir sind nicht gegen den Aufstieg Chinas, aber wir sind gegen den Aufstieg Chinas zu Lasten aller anderen. Wenn China aufsteigen will, muss es so aufsteigen, dass alle anderen gleichzeitig auch aufsteigen können. Anfang Juni habe ich gemeinsam mit Abgeordneten aus acht Parlamenten die Gründung der Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC) bekannt gegeben (https://www.reinhardbuetikofer.eu/2020/06/05/inter-parliamentary-alliance-ipac-on-china-launched/). Unser parteiübergreifendes Bündnis drängt auf eine stärkere europäische und internationale Zusammenarbeit in der China-Politik und ist offen für weitere Mitglieder – inzwischen beteiligen sich mehr als 100 Abgeordnete aus 15 Ländern: https://www.ipac.global.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Bütikofer