Frage an Reinhard Bütikofer von Andreas F. bezüglich Innere Angelegenheiten
Sehr geehrter Herr Bütikofer,
in der aktuellen Situation, stelle ich mir die Frage, wie wir es gemeinsam schaffen, dass jeder ein Recht auf alle Meinungen hat, die es in Deutschland gibt?
Ich habe das Gefühl, dass in den breiten Medien immer nur die selben Personen Gehör finden.
Es wird mit der Angst und Panik gearbeitet, die die Bevölkerung gefühlt in zwei Hälften teilt. Wie kann das sein, weil wir doch ein Land sind? Wie können wir in Zeiten der EU die Grenzen schließen, wo wir doch eine Union sind?
Ich finde, es sollte eine Regierung sein, die das Wohl des Volkes an erster Stelle nimmt. Wie kann es sein, dass viele Großkonzerne in unserem Land keine Steuern zahlen, aber mit Spenden und Lobbyisten dennoch ihre Macht demonstrieren und ihre Stimme in dem Land, in dem sie eigentlich nichts zu sagen haben, ganz oben positionieren?
Ich bitte Sie eindringlichst alle Stimmen wahrzunehmen.
Herzlichst,
A. F.
Sehr geehrter Herr Fleischhauer,
ich bin nicht sicher, dass ich alle Punkte Ihres Briefes richtig verstanden habe, aber ich will Ihnen gerne darauf Antwort geben, soweit ich kann.
Dass alle Menschen in Deutschland das „Recht auf alle Meinungen“ haben sollten, klingt für mich merkwürdig. Meinen Sie damit, dass die Menschen grundsätzlich Zugang zu möglichst vielen unterschiedlichen Meinungen genießen sollen? Damit wäre ich einverstanden. Das ist nämlich Sinn und Zweck des Prinzips der Meinungsvielfalt. Allerdings sehe ich nicht, wie irgendjemand garantieren könnte, dass die Menschen Zugang zu „allen“ Meinungen gewinnen. Denn niemand kennt alle Meinungen. Und jeder Mensch in einer freien Gesellschaft hat zwar das Recht, die Meinung frei zu äußern, aber nicht den Anspruch, dass diese dann für ihn weiterverbreitet wird. Schon gar nicht ist das das Geschäft des Staates als der Institution, die normalerweise Rechte garantiert.
Sie schreiben, es werde „mit Angst und Panik gearbeitet“. Wen kritisieren Sie damit? Von der Bundesregierung und den Länderregierungen würde ich das nicht sagen. Oder meinen Sie diejenigen, die die Krise ausnutzen wollen, um Desinformation zu betreiben, wie zum Beispiel der russische Propaganda-Sender RT? Einverstanden bin ich damit, dass die Bevölkerung nicht gegeneinander gehetzt werden darf.
Was das Schließen der innereuropäischen Grenzen betrifft, ist meine Meinung schlicht die: Sie sollen umgehend wieder geöffnet werden.
Was jeweils das „Wohl des Volkes“ ist, von dem Sie schreiben, das ist oft im Einzelfall umstritten. Gehört ökologische Verantwortung zum Wohl des Volkes zentral dazu oder nicht? Ich meine, eindeutig ja. Andere würden da vielleicht zögerlicher antworten. Deshalb haben wir ja den demokratischen Wettstreit.
Dass es große Konzerne gibt, die sich ziemlich erfolgreich ums Steuernzahlen drücken, ist lange bekannt. Wir Bündnisgrüne haben dazu auf nationaler wie auf europäischer Ebene viele Reformvorschläge gemacht. Trotzdem würde ich Unternehmen nicht abschlagen, dass sie ihre Interessen gegenüber der Politik zur Sprache bringen. Wir müssen nicht das Artikulieren von Lobbyinteressen untersagen, sondern deren Intransparenz bekämpfen. Ich veröffentliche seit der Aufnahme meines Mandats in einer „Lobbyliste“ auf meiner Website (https://www.reinhardbuetikofer.eu/transparenz/) alle meine Termine mit Lobbyisten, Institutionen, Organisationen und Verbänden, damit jede Bürgerin und jeder Bürger das bei Bedarf nachlesen kann. Seit Januar 2020 sind die entsprechenden Termine auf der Website des Europäischen Parlaments zu finden
(https://www.europarl.europa.eu/meps/en/96739/REINHARD_BUTIKOFER/meetings/past#mep-card-content). Außerdem muss bei allen öffentlichen Entscheidungen, insbesondere bei Gesetzen so etwas wie ein Lobby-Fußabdruck veröffentlicht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Bütikofer