Frage an Reinhard Bütikofer von Lukas U. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Bütikofer,
zunächst möchte ich Ihnen danken, dass Sie Fragen häufig umfassend und gewissenhaft beantworten.
Meine Frage betrifft das m.E. nicht einwandfreie Verhalten so mancher EU-Abgeordneter bezüglich der Sitzungsgelder. Vor Kurzem besuchte der niederländische TV-Reporter Tom Staal für seine Sendung „Geenstijl“ das EU-Parlament. Die dabei entstandenen Aufnahmen sind wahrlich empörend. Es wurde gezeigt, wie viele EU-Parlamentarier sich Sitzungsgelder erschleichen, indem sie kurz vor Toresschluss erscheinen, sich schnell als „anwesend“ eintragen, um danach das Gebäude umgehend wieder zu verlassen. Zwei MEPs fielen dabei besonders negativ auf. Der Erste hieß Raffaele Baldassarre, ein Abgeordneter der Berlusconi-Partei Forza Italia, der, nachdem er von Herrn Staal auf sein Fehlverhalten angesprochen wurde, zuerst vorgab den Reporter nicht zu verstehen, dann jedoch, als sich dieser nicht abwimmeln ließ, aggressiv und ausfällig wurde und versuchte dem Reporter das Mikrofon aus der Hand zu schlagen. Dabei beleidigte er Herrn Staal mehrmals mit „Vaffanculo!“. Der Zweite hieß Miloslav Ransdorf, ein tschechischer Kommunist (!), der, nachdem er aus Prag eingeflogen kam, das Parlament um 18.30 Uhr über die Garage betrat, für den Tag abzeichnete, um dann schnell seine Wohnung aufzusuchen. Als man ihn auf sein Verhalten ansprach, reagierte er ähnlich wie Baldassarre, nämlich aggressiv und handgreiflich. Aber auch die anderen EU-Parlamentarier, die man bei dieser unschönen Praxis beobachten konnte, fühlten sich offenbar "ertappt", wenn man sie darauf ansprach. Sie suchten nach Ausflüchten und versuchten vor der Kamera zu fliehen.
Link: https://www.youtube.com/watch?v=VTpkdtzncT0
Meine Frage an Sie: Ist ein solches Verhalten durch Parlamentarier geeignet, das Grundmisstrauen der Bürger gegenüber den EU-Institutionen zu beheben? Welche Chancen sehen Sie für eine grundlegende Reform des Besoldungssystems der MEPs?
Mit freundlichen Grüßen
Lukas Unterberg
Sehr geehrter Herr Unterberg,
danke für Ihre Zuschrift.
Ihre Frage ist ja wohl im ersten Teil rhethorisch gemeint. Sie "schmuggeln" aber in diese Frage eine Unterstellung ein, die ich für falsch halte. Also beantworte ich die Frage sicherheitshalber in zwei Teilen.
Nein, dass solches Verhalten Vertrauen schaffen könnte, glaube ich nicht. Von einem "Grundmisstrauen der Bürger gegenüber den EU-Institutionen" zu sprechen, ist meines Erachtens trotzdem nicht gerechtfertigt. Nach Umfragen genießt das Europäische Parlament in den meisten Ländern, einschließlich Deutschlands, glaube ich, sogar mehr Vertrauen als das jeweilige nationale Parlament. Und wenn ich ein Drittes hinzufügen darf: Es ist selten angemessen, vom Fehlverhalten einzelner allzu verallgemeinernde Schlußfolgerungen abzuleiten.
Dann fragen Sie noch nach den "Chancen... für eine grundlegende Reform des Besoldungssystems der MEPs". Ich sehe bei der Frage keinen Zusammenhang mit den von Ihnen geschilderten Verhaltensweisen und ich erkenne gegenwärtig keinen Anlaß für eine grundlegende Veränderung. Was schwebt Ihnen denn vor?
Mit freundlichen Grüßen,
Reinhard Bütikofer