Frage an Reinhard Bütikofer von Silke S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Bütikofer,
in einem kurzen Kommentar der BILD steht folgendes:
Linke Vereinfacher:
"Schreckliche Bilder kommen aus Lampedusa. Und aus Syrien, aus den rumänischen Slums, und, und, und... Aus humanitären Gründen soll Deutschland noch mehr Armuts- und Kriegsflüchtlinge aufnehmen. Das fordern Grüne und Linke. Wer sich dagegen ausspricht, wird öffentlich beschimpft: „menschenverachtend, inhuman, herzlos“. Doch Humanität kennt keine Begrenzung. Auch wenn wir eine Million Flüchtlinge aufnehmen: Was ist mit denen, die danach kommen? Haben die keinen Anspruch auf Barmherzigkeit? Es ist ein Dilemma, das nicht zu lösen ist. Wer nur moralisch argumentiert, macht es sich zu einfach".
Ich frage Sie, wieviel Zuwanderung, wieviele Flüchtlinge wir maximal aufnehmen sollten? Und was geschieht dann mit den Abgewiesenen? Warum löst man die Probleme nicht vor Ort? Mir fällt auf, dass kaum Frauen und Kinder mitkommen. Was geschieht mit diesen, wenn die Männer sie verlassen?
Mit freundlichen Grüßen
Silke Sorbello
Sehr geehrte Frau Sorbello,
der von Ihnen zitierte Kommentar aus der Zeitung mit den großen Buchstaben ist in der Tat, auch wenn der Autor es bestreitet, "menschenverachtend, inhuman, herzlos".
Ist es nicht eine zynische Logik zu sagen, man müsse einigen tausend Menschen die Zuflucht verweigern, weil man sie nicht einigen Millionen gewähren könne? Das ist ja noch schlimmer als der böse Satz vom Boot, das angeblich voll sei. Denn in der Sprache dieses Bildes heißt das herzlose Argument: Das Boot wäre voll, wenn wir irgendwann einmal alle nehmen würden, die möglicherweise hinein wollen könnten, daher verweigern wir uns gleich.
Was würden Sie von einem Feuerwehrmann halten, der sich weigern würde, Menschen aus einem brennenden Haus zu retten, weil er meint nicht sicher zu sein, dass er alle herausholen kann, die vom Tod bedroht sind? Dem würde man den Prozess machen.
Doch der Kommentator in der Zeitung mit den großen Buchstaben zieht den gegenteiligen Schluss: Humanität ist so eine großartige Sache, dass wir garnicht erst damit anfangen. Pfui Teufel!
Dann schreiben Sie noch: "Warum löst man die Probleme nicht vor Ort?"
Ich höre da nur, verzeihen Sie meine Direktheit, das alte Sprichwort: "Aus den Augen, aus dem Sinn." Soll "man" sich "vor Ort" drum kümmern! Aber behelligt uns nicht!
Was wäre, wenn manche "Probleme vor Ort" ursächlich durchaus mit uns zu tun hätten? Hätten wir dann eine Verantwortung?
Dann überlegen Sie mal:
- In wieviel Ländern, aus denen Flüchtlinge kommen, haben wir Europäer durch subventionierte Agrarexporte lokale Selbstversorgung erschwert oder zerstört?
- In wieviel Ländern haben wir durch unfaire Ausbeutung ihrer Rohstoffe Unheil angerichtet?
- In wieviel Ländern haben wir durch Rüstungsexporte Unterdrückung erleichtert?
- In wieviel Ländern haben wir weggesehen, wenn Bürgerkriege immer blutiger wurden?
- In wieviel Ländern leiden die Menschen heute schon unter den Folgen des immer dramatischer werdenden Klimawandels, für den wir tausend mal mehr verantwortlich sind als sie selbst?
Mit freundlichen Grüßen,
Reinhard Bütikofer