Frage an Reinhard Bütikofer von Damiano R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Bütikofer,
Wieso kann/darf die EZB nicht einfach die Staatsanleihen Griechenlands aufkaufen? Dann wäre Griechenland vor den Spekulationen geschützt und die Zinsen würden nicht in die Höhe schießen das Griechenland zahlungsunfähig wird. Und wir könnten uns unsere 211 Milliarden € sparen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Rühl,
ich habe gerade bei der Durchsicht unbearbeiteter Emails fest gestellt, dass ich Ihnen noch eine Antwort auf eine Frage vom Oktober schuldig bin. Zunächst möchte ich mich für die lange Zeit, die inzwischen verstrichen ist, entschuldigen.
Doch zu Ihrer Frage:
Die EZB darf nach geltender Rechtslage nicht "einfach die Staatsanleihen Griechenlands" oder irgend eines anderen EU-Mitgliedslandes aufkaufen. Dahinter steht die Überlegung, dass die EZB nicht als Notnagel zur Staatsfinanzierung fungieren soll, weil sonst geradezu ein Anreiz für Mitgliedsländer gesetzt würde, sich über die EZB zu finanzieren, statt sich aus politischer Einsicht, aufgrund der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes oder eben auch unter dem Druck der Finanzmärkte zu finanzpolitischer Solidität zu verstehen.
Nun könnte einer leger argumentieren: Was soll die Rigidität? Die Regeln und die etwa 300 Milliarden für Griechenland hin oder her - wenn das den Kittel flickt, macht das doch!
Naja. Erstens änderte das nichts an den wirtschaftlichen Ungleichgewichten in Europa, die der gegenwärtigen Finanzkrise zugrunde liegen und hülfe Griechenland auch nicht, wieder wettbewerbsfähig zu werden. Zweitens ist die Finanzkrise längst keine griechische allein, sondern sie hat ja erkennbar andere Länder erfasst, so dass keine rein griechische Lösung die Probleme in den Griff bekommen würde. Drittens könnte man nicht verabreden, dass die EZB griechische Staatsanleihen einfach auf ihre Bücher nimmt, aber nicht die Italiens und Irlands und Portugals und Spaniens und... - wenn schon, denn schon.
Man muss also die Frage genereller stellen: Kann man und sollte man die EZB generell zu einem sogenannten "lender of last ressort" für die Euro-Länder machen, und was wären dafür die Voraussetzungen? Da wiederum würde ich JA sagen, ja, die EZB sollte "lender of last ressort" sein, so wie die Zentralbank in den USA. Um allerdings überhaupt eine politische Chance zu haben, dass die 17 Euro-Länder sich darauf einigen können, müssen die Stabilitätsregeln verbindlicher geregelt sein, als sie das bisher waren. Sonst macht im Zweifel jeder Mitgliedstaat nach nationalem Gusto Schuldenpolitik und lässt anschließend über die EZB alle anderen Mitgliedstaaten mit haften; denn die EZB wird von den Mitgliedstaaten garantiert.
Ob dann am Ende wirklich die EZB generell Staatsschulden aufkauft, statt nur in begrenztem Umfang wie bisher auf dem Sekundärmarkt, oder ob man besser dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) eine Banklizenz gibt, ich wäre für Letzteres, das kann man hier dahin gestellt sein lassen. Entscheidend ist: Ohne eine tragfähige Balance zwischen Solidarität und Solidität wird sich keine politische Lösung finden.
Dass das allerdings für "uns" kostenlos zu haben wäre, egal wie, das halte ich für eine Illusion. Ich weiß nicht, wie Sie darauf gekommen sind, dass genau 211 Milliarden deutsches Geld - so habe ich Ihr "unsere 211 Milliarden" verstanden - im Feuer stünden. Das kann am Ende weniger sein oder mehr. Aber ohne Belastungen geht es nicht ab. Dabei sollte man jedoch eines nicht vergessen: Es war Deutschlands Wirtschaft, die am meisten vom Binnenmarkt und vom Euro profitiert hat. Und kostenlos gibt es nichts, noch nicht einmal eine Exportweltmeisterkrone.
Mit freundlichen Grüßen,
Reinhard Bütikofer