Frage an Reinhard Bütikofer von Steffen E. bezüglich Staat und Verwaltung
In einem Gastbeitrag der Frankfurter Rundschau vom 03.09.11 ( http://www.fr-online.de/politik/meinung/geldquellen-fuer-europa/-/1472602/10418134/-/index.html ) schreibt Alexander Gill, die rd. 50.000 EU Beamten würden nur sieben Prozent Steuern auf ihr Einkommen zahlen.
Fragen:
1. Ist dies richtig?
2. Wie wird dies den Bürgern gegenüber begründet?
3. Wie lautet ihre Forderung für eine Gleichstellung von Abgeordneten aller Parlament und Bürgern bzggl Steuern und Sozialabgaben?
4. Haben bzw. werden sie entsprechende Anträge zur Abstimmung einbringen?
Sehr geehrter Herr Etzel,
vielen Dank für Ihre Frage. Zur Höhe der Einkommen des EU-Personals, zu den zu zahlenden Steuern und Abgaben sowie zu Vergünstigungen und Vorteilen kursieren immer wieder falsche Zahlen. Ich möchte versuchen, ein bisschen Klarheit in das Thema zu bringen.
Nach Angaben der Kommission beschäftigt die EU in ihren Institutionen, Agenturen, Vertretungen und sonstigen Organen rund 55000 Menschen. Diese sind jedoch keineswegs alle Beamte der EU, wie oft behauptet wird. Vielmehr beinhaltet diese Zahl u.a. Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen und von nationalen Verwaltungen abgestellte Beamte. Für die Kommission finden Sie hier eine detaillierte Übersicht über die Anzahl der Bediensteten nach Art des Arbeitsverhältnisses: http://ec.europa.eu/civil_service/docs/hr_key_figures_en.pdf Nebenbei gesagt ist die Zahl von 55000 EU-Mitarbeitern in Relation zu den 60000 Mitarbeitern der Stadtverwaltung Birmingham oder den 50000 Beschäftigten der Pariser Stadtverwaltung zu sehen (ebenfalls Angaben der Kommission).
Es ist auch keineswegs so, dass EU-Bedienstete nur sieben Prozent Steuern auf ihr Einkommen zahlen. Die Steuern und Abgaben setzen sich nämlich wie folgt zusammen:
- Die Einkommensteuersatz reicht von 8 bis 45%. Die verschiedenen Sätze werden progressiv pro Tranche des zu versteuernden Einkommens errechnet. So gilt der Satz von 8% derzeit für die Tranche 109,85 € - 1938,92 €. Die maximale Rate von 45% gilt ab 6938,39 €.
- Für Kranken- und Unfallversicherung zahlen EU-Beschäftigte 1,8% ihres Grundgehalts.
- In die Rentenkasse gehen monatlich 11,6% der Dienstbezüge.
- Als Sonderabgabe zahlen EU-Bedienstete 5,5% ihrer Gehälter (minus bestimmer Abzüge) direkt in den EU-Haushalt (Näheres hier unter Artikel 66a http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1962R0031:20100101:DE:PDF). Diese Sonderabgabe wurde ursprünglich als temporäre Maßnahme eingeführt und wird seit Jahren immer wieder verlängert.
Wie sieht all dies nun in der Praxis aus? Die Kommission nennt dazu etwa folgendes Fallbeispiel:
Ein Referatsleiter der Kommission in der Mitte seiner Laufbahn (Besoldungsgruppe 12) bekommt ein Grundgehalt von 10324 €. Davon werden abgezogen (gerundete Werte):
1730 € Einkommensteuer;
186 € für Kranken- und Unfallversicherung;
1198 € für Rentenzahlungen;
251 € für die Sonderabgabe.
Insgesamt zahlt der Referatsleiter also rund 3363 € an Steuern und Abgaben. Von seinem Grundgehalt bleiben ihm netto fast genau 6960 €.
Die Kommission weist regelmäßig darauf hin, dass die Vergütung der EU-Bediensteten nicht so vorteilhaft ist, wie sie auf den ersten Blick vielleicht erscheint. So können EU-Bedienstete - im Gegenteil zu klassischen Steuerzahlern - beispielsweise keinerlei Steuerabzüge geltend machen. Auch zahlten sie prozentual mehr in die Rentenkassen ein als die Beamten aller Mitgliedsländer. EU-Bedienstete unterliegen, wie jeder Bürger auch, einkommensunabhängigen Steuern wie kommunalen Steuern, der Grund- sowie der Mehrwertsteuer. Und schließlich soll laut einer im Auftrag der Generaldirektion Humanressourcen und Sicherheit der Kommission durchgeführten Studie das Steuerregime für EU-Bedienstete nicht so vorteilhaft sein wie für das Personal anderer internationaler Institutionen.
Weitere Informationen zu den verschiedenen Beschäftigungsgruppen in der EU finden Sie hier: http://ec.europa.eu/civil_service/job/official/index_de.htm
Ihre Forderung nach "Gleichstellung von Abgeordneten aller Parlament und Bürgern bzggl Steuern und Sozialabgaben" habe ich vielleicht nicht ganz verstanden. Daher beantworte ich sie so, wie ich sie aufgefasst habe.
Die Besteuerung von Abgeordneten wie von anderen Bürgerinnen und Bürgern wird jeweils national geregelt. Die EU hat keine Kompetenz, da einheitliche Sätze vorzuschreiben. Ähnliches gilt für Sozialabgaben. Natürlich sollten aber in jedem Mitgliedsland bei Steuern und Abgaben einheitliche Maßstäbe gelten. Das ist in Deutschland etwa beim Unterschied zwischen Renten, Pensionen und Politikerpensionen nicht der Fall. Dagegen wende ich mich seit langem. Ich wäre dafür, dass Abgeordnete keine eigene Altersversorgung bekommen, sondern sich selbst versichern müssen.
Mit freundlichen Grüßen,
Reinhard Bütikofer