Frage an Reiner Felsberg von Ricardo V. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Hallo Herr Felsberg,
bezüglich der Spandauer Vorstadt wird mehrfach von Bebauungsplänern berichtet, die viele Bereiche als ´allgemeine Wohngebiete´ ausweisen werden, um die Umwidmung von Wohn- in Gewerberäume zu verhindern. In dem Forum des mit Ihnen konkurrierenden FDP-Kandidaten wird dazu geschrieben, dass über diese Definition "nur Gastronomie mit lokalem Einzugsgebiet möglich ist. (...) Zusätzlich ist in den Plänen definiert: ´darüber hinaus können die ... allgemein zulässigen Schank- und Speisewirtschaften, die der Versorgung des Gebietes dienen, nur ausnahmsweise zugelassen werden´ – also selbst die Eckneipe ist im Prinzip hier ausgeschlossen. (...) Damit ist die von mir beschriebene Verdrängung oder Schließung nur noch eine Frage der Zeit." Sie selbst vertreten es als ein Anliegen, welches von "anderen vehement bekämpft und als ´Kneipenverhinderungsplan´ diffamiert wird. Die Diskussion, ob dieser Plan Wirklichkeit wird, steht für 2006/2007 an."
Wenn man sich die Gegend vom Hackeschen Markt bis zur Oranienburger Str. anschaut, ist die Diskussion über Kneipenverhinderungen sicher nachzuvollziehen . Allerdings verlässt einen dieses Gefühl schon wenige Meter abseits dieser Straßen. Nicht, dass ich für eine Ausbreitung dieser Einrichtungen wäre, jedoch scheinen sich diese Kneipen und Restaurants grundsätzlich auf bestimmte Tourimeilen selbst zu begrenzen. Kommt es nicht eher auf die Verschiedenheit der Zielgruppen der Bars und Kneipen an als auf die reine Zahl von ihnen? Die Spandauer Vorstadt ist schließlich nicht nur Wohngebiet sondern aufgrund seiner Lage auch ein zentrales Gebiet, dass per Definition überörtliche Funktionen anbieten sollte.
Auch bei der Umwidmung von Wohn- und Geschäftsräume scheint aufgrund der schwierigen Lage des Büromarktes (zurzeit) kein derartig autoritärer Eingriff nötig.
Wie sehen Ihre Pläne und Ziele aus, die Sie Ende 2006 zur Diskussion stellen wollen? Soll Wohnen und Gewerbe durch Sie entmischt werden?
Sehr geehrter Herr Villabaja,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage, die ich gern beantworten möchte.
Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie feststellen, dass die Spandauer Vorstadt nicht nur ein Wohngebiet sondern auch ein zentrales innerstädtisches Gebiet ist. Genau das macht den Reiz aus. Beide Ansprüche will bündnisgrüne Politik zusammenbringen und nicht einseitig zu Gunsten der „Tourimeile“ aufgeben, wie es erklärte Absicht der FDP ist. Diese erkläre Absicht manifestiert sich im Polemisieren gegen die Bebauungspläne Spandauer Vorstadt zur Sicherung der vorhandenen Nutzungsmischung von Wohnen und Gewerbe. Hinsichtlich der Spandauer Vorstadt trifft Ihre Einschätzung, dass die Umwidmung von Wohn- und Geschäftsräume (z.Z.) aufgrund der schwierigen Lage des Büromarktes kein Problem darstellt und ein „derartig autoritärer Eingriff“ nicht nötig scheint, nicht zu. Die Anträge auf Umnutzung von Wohn- in Gewerberäume sprechen eine andere Sprache. Es ist „IN“ im „IN-Kiez“ seine Büroadresse zu haben.
Was wollen Bündnis 90/Die Grünen Mitte? 2 Grundfeiler bündnisgrüner Politik sind Toleranz und Rücksichtnahme. Der Toleranz gegenüber der Kneipenszene in Mitte darf nicht die Rücksicht gegenüber den Bewohner/innen geopfert werden. Und genau das ist die Politik von Bündnis 90/Die Grünen in MITTE und ihrer Stadtentwicklungsstadträtin Dorothee Dubrau - die übrigends keine „Berlin-Fremde“ wie ihr oft unterstellt wird, sondern eine Berlin-Geborene ist .
Es geht nicht um die Verdrängung der Kneipen, Bars und Clubs oder um die „Entmischung von Wohnen und Gewerbe“, sondern um die „Entzerrung des Konfliktpotentials“. Es geht um ein Miteinander der unterschiedlichen Nutzer/innen des Kiezes. Das Gebiet ist hinsichtlich seiner Nutzungsansprüche sehr heterogen. Neben der „Tourimeile“ um die Oranienburger Straße gibt es - wie sie treffend feststellen - ruhigere Straßenzüge, die einen sehr großen Wohnanteil haben. Und das soll der Bebauungsplan auch berücksichtigen. So sollen auch zukünftig z. B. an der Oranienburger Straße Kneipen und Vergnügungsstätten zulässig sein, wenn sie dass Wohnen nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen.
Berlin ist mehr als nur das Nachtleben, nämlich auch die Menschen die hier wohnen und arbeiten und dazwischen auch etwas Ruhe benötigen - weil es sonst mit dem Arbeiten etwas schwer wird.
Die Bebauungspläne I B 5a-v & I B 24b für das Sanierungsgebiet Spandauer Vorstadt sind wohl z. Z. die umstrittensten Pläne im Bezirk Mitte. Von totaler Ablehnung (FDP & CDU), über "in einigen Teilen noch diskussionswürdig" (SPD & PDS), bis Zustimmung (Bündnis 90 /Die Grünen) ist in der BVV das gesamte Meinungsspektrum vorhanden. Von den Plangegner/innen wird er als "Kneipenverhinderungsplan" deklariert, der die Spandauer Vorstadt zur "Schlafstadt" machen will. Aber worum geht`s aber wirklich? Warum soll der Bebauungsplan aufgestellt werden? Fündig werden wir in der Planbegründung unter:
I. PLANUNGSGEGENSTAND 1. Veranlassung und Erforderlichkeit Die Aufstellung von Bebauungsplänen für die Spandauer Vorstadt ist erforderlich, um die vorhandene Nutzungsmischung von Wohnen und gewerblichen Nutzungen für die Zeit nach der Entlassung aus der Sanierung zu sichern. Es stellt sich die Frage: "Wo steht hier was von Verdrängung der vorhandenen Kneipen?" "Wer spricht hier davon, dass weitere Kneipen und Clubs nicht zugelassen werden sollen?
Das Bebauungsplanverfahren wird eines der wichtigen Aufgaben der Stadtentwicklung in Mitte nach den Wahlen am 17.9.2006 sein. Die Presseöffentliche Aufarbeitung (der sich dieses Thema gewiss sein kann), aber vor allen Dingen die notwendige Bürgerbeteiligung wird zeigen, wohin der Weg führt. Bündnis 90 / Die Grünen Mitte werden sich für die Umsetzung der derzeitigen Bebauungsplanziele, die vorhandene Nutzungsmischung von Wohnen und gewerblicher Nutzung sichern, einsetzen.
Nachfolgend noch einen Beitrag aus der Broschüre der bündnisgrünen BVV Fraktion "Bezirkspolitik in Mitte" der sich ebenfalls mit diesem Thema beschäftigt. Die Broschüre, die sich mit vielen weiteren kommunalpolitischen Themen befasst, können Sie unter www.gruene-berlin.de/mitte runterladen. Weiter Infos zum Bebauungsplan können Sie unter http://www.frankbertermann.de/b-plan_i-b5.htm nachlesen.