Unterstützen Sie den Antrag die AFD vom BVerfG verbieten zu lassen?
Sehr geehrte Frau Schamber,
Unterstützen Sie den Antrag die AFD vom BVerfG verbieten zu lassen?
Nach den Ereignissen in Thüringen und den Ausführungen im Buch "Es ist 5 vor 1933" von Philipp Ruch ist ein Parteiver- botsverfahren m.E. dringend erforderlich.
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Nachricht, auf die ich nachfolgend gerne eingehe:
Wir als SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag teilen Ihre Besorgnis über die immer weiter zunehmende Radikalisierung der AfD. Es ist offenkundig, dass die Partei in vielen Äußerungen, insbesondere von höchsten Vertreterinnen und Vertretern, eine Haltung einnimmt, die den Werten unserer Verfassung widerspricht.
Unser Grundgesetz stellt mit dem Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 Absatz 2 GG ein wirksames Mittel zum Schutz der Demokratie bereit. Eine Partei kann dann durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden, wenn sie nachweislich darauf abzielt, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Im Falle der Verfassungswidrigkeit würde das Gericht die Auflösung der Partei anordnen, die Gründung einer Ersatzorganisation untersagen und die Einziehung des Parteivermögens zu gemeinnützigen Zwecken verfügen. Mandatsträger:innen, die dieser Partei angehören, verlieren zudem ihr Mandat (§ 46 Absatz 1 Nr. 5 BWahlG).
Die hohen Anforderungen an ein solches Verbot sind jedoch ein bewusst gewählter Schutzmechanismus in unserer wehrhaften Demokratie, die maßgeblich vom parteipolitischen Diskurs lebt. Hierzu reicht es nicht aus, dass verfassungsfeindliche Haltungen geäußert oder grundlegende Verfassungswerte abgelehnt werden. Vielmehr muss nachweisbar sein, dass die Partei gezielt und planvoll das Funktionieren der demokratischen Grundordnung beseitigen will. Dies erfordert klare, gewichtige Beweise, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln erfolgreich sein könnte.
Zurzeit fehlt es jedoch nach meiner Überzeugung an einer ausreichenden Beweislast, die ein Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht rechtfertigen würde. Und ich befürchte, dass es ohne eine belastbare Grundlage wahrscheinlich wäre, dass ein Antrag scheitern würde. So könnte die AfD sich wiederum als „Opfer“ einer Kampagne instrumentalisieren, weil sie „nicht mit Argumenten besiegt werden konnte“. Dies würde der Partei erhebliches politisches Kapital verschaffen. Zusätzlich wären alle V-Leute aus der Partei abzuziehen, was durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts vorgeschrieben ist.
Hinzu kommt eine weitere Herausforderung: Selbst, wenn die gesamte SPD hinter einem solchen Antrag stünde, gibt es im Bundestag derzeit keine politische Mehrheit für ein Parteienverbot. Ein entsprechender Antrag würde somit schon an dieser Hürde scheitern und der AfD zugleich Raum für eine Inszenierung als Opfer bieten.
Darüber hinaus setzen wir uns für alternative und möglicherweise effektivere Maßnahmen ein. Statt ein äußerst riskantes Verbot anzustreben, verfolgen wir das Ziel, unsere Verfassungsorgane zu stärken und den Rechtsstaat zu schützen. Eine Grundgesetzänderung zum besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichts ist dabei in Planung. Damit wollen wir langfristig sicherstellen, dass verfassungsfeindlichen Bestrebungen besser begegnet werden kann.
Vor diesem Hintergrund bin ich zum jetzigen Zeitpunkt eher skeptisch gegenüber dem diskutierten Verbotsantrag eingestellt. Das heißt jedoch nicht, dass sich die Zeit bis zu einem möglichen Verbot der Partei dadurch verlängert. Sollte die Qualität und Quantität der Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD in den kommenden Monaten erheblich zunehmen, hätte ein Verbotsverfahren nicht nur eine signifikant höhere Erfolgsaussicht, sondern könnte auch deutlich beschleunigt verlaufen, wenn die Beweislast entsprechend erdrückend wäre.
Verstehen Sie daher meine aktuelle Haltung nicht als entschiedenen Widerspruch zu Ihrer Einschätzung. Ein jahrelanges Verfahren, das schließlich in einem gescheiterten Verbotsantrag endet, gilt es jedoch unbedingt zu verhindern.
Mit freundlichen Grüßen,
Rebecca Schamber, MdB