Frage an Ralf Kühne von Dagmar K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Kühne,
mich beschäftigt täglich der Wohlfühlfaktor unserer Stadt. Wir alle wollen hier gemeinsam leben, uns auf den Strassen und Gehwegen aufhalten und bewegen, wir alle gemeinsam bestimmen die Stimmung und das Wohlgefühl in unserer Stadt.
Hierbei fühle ich mich machtlos gegen die unerträgliche Angewohnheit einiger unsozialer Mitbürger, ihren Kot (also meistens wohl den ihrer Hunde) auf unseren gemeinsamen Gehwegen und Grünanlagen zu verteilen. Ein bekanntes Statement des Regierenden Bürgermeisters dazu ist: "Da kann man nichts machen!" Dabei gibt es zahlreiche Hundebesitzer, die sich vorbildlich verhalten. Es geht. Dass es kleinen Kindern, die die Welt erfahren wollen und auch mal auf dem Grünstreifen am Rande des Gehweges laufen möchten verwehrt wird, unbeschwert in der Stadt aufzuwachsen, ist vielleicht auf den ersten Blick unwichtig, aber es erzeugt das Gefühl, dass man nicht viel wert ist. Rücksichtslosigkeit setzt sich ja fort.
Es ist ein Unterschied, ob sich die Bürger in unserer Stadt, gerade in den reinen Wohnbezirken, geachtet und wert fühlen, oder ob sie das Gefühl haben, jeder lebt hier nur für sich. Am Rande möchte ich erwähnen, dass die Parkraumbewirtschaftung hervorragend klappt. Es fühlt sich kein Bürger belästigt, ob ein Autofahrer seinen Parkschein überzogen hat oder nicht, aber das gesamte Ordnungsamt summt wie ein Bienenschwarm durch die ganze Stadt, um Geld zu beschaffen. Dass die Gehwege, über die sie dabei laufen, verdreckt sind, kümmert die einzigen Ordnungswächter, die wir nun mal haben, dabei nicht. Würden Sie mit einfachen, hohen Geldbußen, die tatsächlich verhängt werden, und eventuell mit einer Kampagne für ein gutes Lebensgefühl in unserer Stadt eintreten für die Menschen, die hier leben? Entschuldigen Sie bitte, dass es so lang geworden ist.
Sehr geehrte Frau Kallmeyer,
Ihr Eindruck, dass das ganze Ordnungsamt sich nur um die Überwachung der Parkraumbewirtschaftung kümmert, ist subjektiv vielleicht richtig, objektiv hat die Intensität der Überwachung seit Beginn der Parkraumbewirtschaftung deutlich abgenommen. Auch mit Übergang der Aufgabe vom Polizeipräsidenten auf die bezirklichen Ordnungsämter hat sich daran nichts geändert.
Sinnvollerweise konzentriert sich die Überwachung jedoch auf die kritischen Bereiche, in denen der Parkdruck sehr hoch oder die Bereitschaft, die Parkgebühr zu prellen besonders ausgeprägt ist, beispielweise den Randzonen und Anwohnerparkzonen.
Sicherlich ist es übertrieben, wenn schon wenige Minuten nach Ablauf der Parkzeit ein Knöllchen am Auto hängt; doch irgenwo muss auch deutlich werden, dass eine Übertretung der Regeln nicht akzeptiert wird, ob beim Parken oder beim Verschmutzen der Gehwege und Grünanlagen mit Hundekot oder sonstigem Abfall.
Die Fraktion der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg hat sich in den vergangenen Jahren zudem immer darum bemüht, den Überschuss aus der Parkraumbewirtschaftung wieder in Bereiche fließen zu lassen, die den von Ihnen zu Recht genannten Wohlfühlfaktor betreffen, zum Beispiel in die Pflege der Grünanlagen, der Spielplätze, Sandaustausch auf den Spielplätzen, Toilettensanierung in den Schulen und Kitas, Unterhaltung der Sportanlagen, aber auch die Wirtschaftsförderung, um die Einkaufsstraßen zu unterstützen.
Die Ordnungsämter bestehen seit zwei Jahren, und vieles funktioniert noch nicht so, wie ich es mir vorstellen kann. Insbesondere in Sachen Hundekot sollte das Ordnungsamt in Tempelhof-Schöneberg noch deutlich konsequenter gegen diejenigen vorgehen, die meinen sich nicht an Regeln halten zu müssen. Ich bin überzeugt, dass sich hier in den kommenden Jahren noch viel erreichen lässt.
Die starke Vermüllung des öffentlichen Raumes in Berlin ist meiner Auffassung nach nicht nur auf besonders rücksichtsloses Verhalten einiger Mitmenschen zurückzuführen, sondern vielfach auf unzureichende Arbeitsabläufe im öffentlichen Dienst. Sie werden beispielsweise erwarten, dass die BSR sich im Rahmen der Straßenreinigung auch um Mülltüten, Autobatterien oder Kühlschränke kümmert, die auf Bauscheiben und Gehwegen abgelegt worden sind. In Städten wie Hamburg ist dies auch der Fall; in Berin muss erst ein langwieriges, bürokratisches Verfahren absolviert werden, bis die BSR jemanden schickt, um diesen Müll zu beseitigen. Ich werde mich im Angeordnetenhaus dafür einsetzen, dass Berlin das Vorbild vieler anderer Kommunen aufgreift und Abfall effektiv und schnell aus dem öffentlichen Raum verschwindet.
Ein weiteres Problem sehe ich in der Vernachlässigung der baulichen Unterhaltung in Berlin. Straßen, Plätze und Grünanlagen sind längst abgenutzt und unansehnlich geworden. In den kommenden Jahren muss hier dringend wieder mehr für die Erhaltung dieser öffentlichen Infrastruktur getan werden. Sind die sozialen Räume in unserer Stadt wieder ansehnlicher geworden, kehrt auch wieder ein Stück Respekt bei den Menschen für diese Bereiche zurück. Sie werden verstehen, dass ich hier nicht unbedingt im Erhalt der Straßenfahrbahnen den Schwerpunnkt sehe, sondern in ansehnlichen Gehwegen, Plätzen, Radwegen und Grünanlagen. Der Cheruskerpark, den wir zusammen mit der grünen Stadträtin Frau Ziemer wieder für alle nutzbar machten, oder der Kaiser-Wilhelm-Platz, der derzeit seine urbane Qualität zumindest teilweise wiedergewinnt, sind positive Beispiele hierfür.
Mit freundlichem Gruß
Ralf Kühne