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Frage von Gerald F. •

Frage an Rainer Tabillion von Gerald F. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Tabillion,

Die Bundesregierung beabsichtigt die Bundesbahn teilweise zu privatisieren.
Der STERN vom30.8.07 kommentiert dieses Vorhaben wie folgt:

" Was in Sachen Bahnprivatisierungn abläuft, ist mit dem Begriff Farce nicht mehr zu fassen. Es ist ein Irrsinn."

Wie stehen Sie zu dieser geplanten gigantischen Verschleuderung von Volksvermögen?

Schon jetzt vielen Dank für ihre Antwort

MfG
Gerald Fasching

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Fasching,

vielen Dank für Ihre Frage zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG.

Die Deutsche Bahn ist ein klassischer Bereich öffentlicher Daseinsvorsorge -- und muss es auch bleiben. Ihr Aufgabenspektrum kann allerdings nicht mehr auf die Erbringung von Nah- und Fernverkehrsdienstleistungen reduziert werden. Die Bahn braucht eine Entwicklungsperspektive als internationaler Anbieter von logistischen Systemlösungen -- nicht zuletzt auch um den Industrie- und Dienstleistungsstandort Deutschland zu stärken. Daraus ergibt sich umfangreicher Modernisierungs- und Investitionsbedarf: Angefangen von Instandhaltungsmaßnahmen im Bereich des bestehenden Streckennetzes und der Bahnhöfe bis hin zur umfassenden Fähigkeit, komplexe Logistikdienstleistungen global anzubieten und erbringen zu können.

Die Frage ist, wo kommt das -- über die laufenden Zuwendungen des Bundes und der Länder *hinaus* -- benötigte Kapital her, mit dem die Deutsche Bahn AG ihre Eigenkapitalausstattung entsprechend verbessern kann. Und welche Vor- und Nachteile, welche Risiken insbesondere aus sozialdemokratischer Fürsorge für Beschäftigte und ÖPNV/SPNV-Nutzer sind zu erwarten, wenn Kapital der privaten Investoren eingesetzt wird?

Hinweise auf umfangreichen Personalabbau in den vergangenen Jahren, auf eine erfolgte Ausdünnung des Angebots der Bahn liegen auf der Hand.

Das alles ist allerdings in der bestehenden Struktur und mit einem Alleineigentümer Bund geschehen. Es ist teilweise auch Folge des Abbaus eines Überhangs an Personal und Infrastruktur nach der Wende. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Leistungsvereinbarung, die Berichtspflichten und Kontrollmechanismen sind an dieser Stelle eher als Fortschritt zu werten. Es ist allerdings höchst fraglich, ob diese Verbesserung in der Praxis eines teilprivatisierten Unternehmens vor dem Hinter­grund des Aktienrechts auch durchsetzbar ist. Zugleich ist kein privater Kapitalgeber vorstellbar, der nicht entsprechende Maßnahmen zur deutlichen Renditesteigerung durchsetzt.

Befürchtungen, die Interessen privater Gesellschafter könnten zu verstärktem Personalabbau, zu Lohndumping und zu einer Verschlechterung des Standorts Deutschland bei Investitionen des Unternehmens führen, sind also nicht unbegrün­det. Die bisherigen Erfahrungen mit Privatisierungen von anderen Bereichen öffentlicher Daseinsvorsorge sind diesbezüglich negativ -- siehe Telekom, siehe Post, siehe Stadtwerke etc.

Das Risiko einer Fremdbeteiligung kann insbesondere überhaupt nicht eingeschätzt werden, solange der oder die in Frage kommenden Interessenten und ihre Motivationslage unbekannt sind.

Für mich bleiben trotz des Grundsatzbeschlusses des Deutschen Bundestages für eine Teilprivatisierung vom 24. November 2006 sowohl das Volksaktienmodell als auch *insbesondere eine "Haushaltslösung" als -- aus meiner Sicht -- bessere Alternative weiterhin in der Diskussion.*

Auch angesichts der Tatsache, dass die französische Staatsbahn SNCF in vollem Besitz des französischen Staates offensichtlich die gleichen Zukunftsaufgaben schultern kann wie sie von der Deutschen Bahn AG erwartet werden, verstärkt die Frage, warum die auf der *Zeitschiene problemlos finanzierbare Aufstockung* des Bahn-Eigenkapitals nicht vom Bund selbst geleistet werden kann. Zugegeben, SNCF vernachlässigt die Bedienung der Fläche noch mehr als dies in Deutschland zu beobachten ist. Aber gerade an diesem Umstand würde eine Teilprivatisierung überhaupt nichts ändern.

In diesem Sinne und angesichts der besonderen Verantwortung der SPD für eine gute und jedem zugängliche öffentliche Daseinsvorsorge setze ich mich dafür ein, dass auf dem Hamburger SPD-Bundesparteitag Ende Oktober -- und damit noch vor *der endgültigen Abstimmung im Deutschen Bundestag -- eine richtung­weisende Entscheidung getroffen wird.*

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Rainer Tabillion, MdB