Frage an Rainer Tabillion von Patrick M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Tabillion,
ich weiss nicht ob die SPD noch die richtige Partei für Fragen solcher Art ist, da ich das Gefühl habe die SPD und die Linken werden immer mehr die Partei der Arbeitslosen und Geringverdiener. Wo ist die Partei geblieben, die sich um die Deutsche Mittelschicht kümmert?
Ich bin stolz darauf ein Deutscher zu sein, ich arbeite sehr hart, bin single und bekomme ein anständiges Bruttogehalt von 3500 Euro. Nach den horrenden Abgaben bzgl. Lohnsteuer etc. habe ich netto noch ganze 1900 Euro von meinem Lohn.
Jemand der 2700 Euro brutto (immerhin 800 Euro brutto weniger) verdient und auch dementsprechend weniger arbeitet, der bekommen 1700 Euro netto raus.
Das ganze setzt sich nach unten fort. Solziales Engagement schön&gut, aber wenn Deutschland eine "Leistungsgesellschaft" bleiben will dann soll sie bitte dringend was gegen derartige Abgabenlasten tun. Anderenfalls werde ich meinen Bekannten folgen, die schon seit Jahren als Grenzgänger in Luxemburg arbeiten und dort Steuern abführen.
Es muss doch so sein das sich harte Arbeit lohnt und es kann nicht sein dass jemand der in der Woche 60 Stunden arbeitet als Lohn dafür zweimal mehr Essen gehen kann....
Meine Bitte ist an Sie, damit die SPD überhaupt für mich währlbar bleibt, sich auch für die Deutsche Mittelschicht einzusetzen.
Patrick Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Nachricht, auf die ich gerne antworten möchte.
Die SPD kann nur dann eine Volkspartei sein und bleiben, wenn sie sich auch als Interessenvertretung der Leistungsträger der Mittelschicht versteht. Ich freue mich, dass von Ihnen grundsätzliche Notwendigkeit von Solidarität nicht bestritten wird. Ohne Solidarität und Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip würde die soziale Kluft in unserer Gesellschaft zum Sprengstoff und unsere Leistungsfähigkeit als Gesellschaft und Volkswirtschaft insgesamt beeinträchtigt werden. Andererseits gebe ich Ihnen recht, dass es sich in der Tat lohnen muss zur Arbeit zu gehen. Es ist allerdings mitnichten so, dass die Steuer- und Abgabenbelastung in den vergangenen Jahren nur zugenommen hätte. Auch Sie haben von der Senkung des Eingangssteuersatzes der Einkommensteuer in den vergangenen zehn Jahren, in denen die SPD an der Regierung ist, von 25,9 auf nunmehr 15% bei gleichzeitiger Steigerung des Grundfreibetrags um rund 1.300 Euro profitiert. Bei der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge haben wir ebenfalls erhebliche Fortschritte zu verzeichnen. Beispielsweise sind in den vergangenen zwei Jahren die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf derzeit 3,3 %-Punkte gesunken.
Darüber hinaus bestätigen allerdings die Steuerexperten, dass durch die Art des Einkommensteuertarifs insbesondere der von Ihnen beschrieben Mittelstand überproportional stark belastet wird. Ich wäre daher bei einer zukünftigen, weitgehend aufkommensneutralen Einkommensteuerreform durchaus einverstanden damit, den Tarif im mittleren Bereich zu senken und dafür den Steuersatz für Spitzenverdienste anzuheben. Dies kann und darf allerdings erst dann erfolgen, wenn wir die Staatsfinanzen wieder im Griff und einen ausgeglichenen Haushalt erreicht haben. Eine schuldenfinanzierte Steuersenkung engt die Handlungsspielräume des Staates unverantwortbar weiter ein. Auch den zukünftigen Generationen wäre dies kaum zuzumuten.
An einem Punkt möchte ich Ihnen noch widersprechen: Es ist keinesfalls zwingend so, dass jemand, der weniger Gehalt bekommt als Sie auch weniger arbeitet. Es gibt viele hart arbeitende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die trotz zahlreicher Überstunden am Ende des Monats kaum genug Geld nach Hause bringen, um sich und ggf. ihre Familie zu ernähren. Davor dürfen wir - bei aller berechtigter Kritik, die Sie vorbringen - nicht die Augen verschließen. Familien mit Kindern und Alleinerziehende haben das größte Armutsrisiko in diesem Land - und das teilweise trotz Arbeit! Hier versucht insbesondere die SPD mit Mindestlohn-Konzepten sowie einer Ermunterung zu einer fairen Teilhabe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an der Entwicklung von Unternehmen (merkliche Tariflohnerhöhungen) einen Ausgleich zu schaffen. Dafür werden wir uns auch zukünftig einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Tabillion, MdB