Frage an Rainer Tabillion von Siegfried S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Tabillion !
In Ihrer Antwort vom 11.08. an Herrn Kolb schreiben Sie:
"Sicher kann eine entsprechend aufgebaute Infrastruktur – bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen im deutschen Bundestag – auch zu anderen Zwecken als der Sperrung kinderpornografischer Inhalte genutzt werden. ... Aber im Rahmen des verabschiedeten Gesetzes ist eine solche Ausweitung gar nicht möglich; sie müsste durch ein Gesetzgebungsverfahren, mit allen Formalien, umgesetzt werden. Hierzu erkläre ich, dass eine Ausweitung der Sperrinfrastruktur für andere Zwecke, als die Sperrung von Seiten mit kinderpornografischen Inhalten, für mich grundsätzlich ausgeschlossen ist."
Es ist sicher richtig, daß dieses Zensurgesetz in dieser Fassung sich nur auf Kinderpornographie bezieht. Wir haben aber oft genug erlebt, daß eine solche Einschränkung durch einen Nebensatz in einem anderen Gesetz ausgeweitet werden kann, und daß dieser Nebensatz im Gesetzgebungsverfahren schlicht übersehen wird ...
Auch warten die Gerichte wie z.B. das Hamburger Landgericht nur darauf, daß die Provider die notwendige Infrastruktur aufgebaut haben, um dann diese auch in Zivilsachen nutzbar machen zu können.
Eine Beschränkung der Infrastruktur bei den Providern, die zur Erfüllung der durch das ZugerschwG aufgelegten Pflichten notwendig ist, ist aber in eben diesem Gesetz nicht vorhanden.
Wie also wollen Sie - und mit Ihnen alle SPD-Abgeordneten, die mal wieder "mit Bauchschmerzen" das Grundgesetz beiseite gelegt haben - verhindern, daß durch richterliche Anordnung eine Ausweitung der Nutzung der Infrastruktur vorgenommen wird ?
Mit freundlichen Grüßen aus der Hauptstadt
S. Schlosser
Sehr geehrter Herr Schlosser,
ich halte die von Ihnen geäußerten Bedenken für unbegründet.
Der Wortlaut des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen regelt ausdrücklich, dass es nur auf Fälle angewendet werden darf, die die Voraussetzungen der Kinderpornographie nach § 184b des Strafgesetzbuchs erfüllen. D. h. man hat dabei bewusst die Regelung des Tatbestandes in einem eigenen Gesetz gewählt, damit sich sein Anwendungsbereich eben nicht durch eine Änderung „in einem Nebensatz“ ändert lässt.
Das Gesetz sieht weiter ausdrücklich vor, dass das Sperrlistenverfahren und die dafür erforderliche Infrastruktur auf Grund der ausschließlichen Verwendung für die Zugangserschwerung bei Seiten, die kinderpornografische Schriften im Sinne des Strafgesetzbuch enthalten, nicht zur Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche genutzt werden dürfen.* *
Geregelt ist das in *§ 7 ZugErschwG: *
Der neue Absatz 1 entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 8a Abs. 7 TMG-Entwurf; neben redaktionellen Anpassungen an die neue Gesetzesstruktur wird klargestellt, dass nur eine Haftung bei schuldhaftem Verhalten besteht. Der neue Absatz 2 stellt sicher, dass das Sperrlistenverfahren und die dafür erforderliche Infrastruktur auf Grund der einzigartigen Anwendung für die Zugangserschwerung bei Seiten, die kinderpornographische Schriften im Sinne des § 184b Abs. 1 StGB enthalten, *nicht zur Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche gegenüber den Diensteanbietern oder sonstigen Dritten genutzt werden dürfen*.* *Mit dieser Klarstellung wird der Befürchtung begegnet, dass Gerichte zukünftig aufgrund der durch das Sperrlistenverfahren nach diesem Gesetz vorhandenen technischen Infrastrukturen zu der Schlussfolgerung gelangen könnten, Zugangsvermittler seinen nunmehr auch im Hinblick auf andere Rechtsverletzungen (z.B. Rechte am geistigen Eigentum) zivilrechtlich zumutbar zur Sperrung heranzuziehen.
Das von Ihnen angesprochene Urteil des LG Hamburg muss unter dem Gesichtspunkt des Telemediengesetzes und der sog. Störerhaftung gesehen werden. Hiernach müssen Host-Provider fremde Inhalte von Nutzern auf deren mögliche Rechtswidrigkeit überprüfen und gegebenenfalls löschen, sofern dies im Rahmen des Zumutbaren liegt. Was aber genau zumutbar sein soll, wird in der Rechtsprechung und juristischen Literatur uneinheitlich beantwortet. Die durch das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen geschaffene Infrastruktur darf allerdings hierzu nicht genutzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Tabillion, MdB