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Frage von Luca C. •

Frage an Rainer Spiering von Luca C. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Spiering,

ich habe Ihre Antwort auf die Frage nach ihrem Abstimmungsverhalten bzgl. der Ferkelkastration gelesen. Wieso sollte ich Ihre Partei wählen, wenn Sie immer wieder eigene Aussagen und Beschlüsse fallen lassen und uns WählerInnen damit hintergehen? Nicht nur, dass Sie in eine Koalition mit der Union gegangen sind, was Sie nach der Wahl kategorisch ausgeschlossen haben; Sie beliefern auch Staaten mit Waffen, die am Jemenkrieg beteiligt sind. Und jetzt lassen Sie zu, dass Ferkel ohne Betäubung kastriert werden. Ich kann einfach nicht akzeptieren, dass jedesmal, wenn Ihre Partei einem Gesetz o.ä. zustimmt, die Union die Schuld daran trägt. Zeigen Sie doch einmal, dass auch die SPD KoalitionsPARTNER ist und nicht nur der Steigbügelhalter der Union, der dann mit einem schlechten neuen Arbeitsgesetz abgespeist wird. Sie als Sprecher der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft sollten doch wissen, dass eine Kastration ohne Betäubung reine Tierquälerei ist. Politisches Geschacher sollte dann aufhören, wenn andere Lebewesen darunter leiden.
Ich bitte Sie, in Ihrer Antwort die Schuld nicht bei der Union zu suchen, sondern selbstkritisch zu argumentieren. Die nächste Bundestagswahl kann früher kommen als gedacht und die Europawahl steht vor der Tür und im Moment sehe ich ehrlich gesagt keinen Grund, meine Stimme Ihrer Partei zu geben.

Mit freundlichen Grüßen,
L. C.

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Antwort von
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Sehr geehrte/r Frau/Herr Carecci,

vielen Dank für Ihr Schreiben und die damit verbundene Reaktion auf meine Stellungnahme zur betäubungslosen Kastration von Ferkeln.

Eine Bemerkung vorab: Eine Bundestagsfraktion wird, gerade wenn sie sich in der Regierungsverantwortung in einer Koalition mit einer anderen Bundestagsfraktion befindet, immer wieder vor die Herausforderung gestellt, Kompromisse einzugehen. Das gehört zur parlamentarischen Demokratie dazu. Dies bedeutet aber häufig auch Prioritäten setzen zu müssen. Somit kann eine Bundestagsfraktion nicht in allen Punkten genau das umsetzen, was in ihren Augen die ideale Lösung darstellt. Denn die Stärke eines Koalitionspartners in Verhandlungen in Koalitionsausschüssen und Gesetzesverhandlungen bemisst sich nun einmal nach ihren Wählerstimmen, also ihrer Mandatsanzahl in einer Koalition. Wenn Sie Ansätze und Positionen einer Partei in Verhandlungen stärken möchten, wäre es also an jedem Einzelnen von uns, die Partei zu wählen für deren Idealvorstellungen man selbst einsteht (wissend, dass nicht alle diese Idealvorstellungen in potentiellen Koalition mit anderen Parteien umgesetzt werden können).

Seit dem Jahr 2013 war allen Schweinehalter*innen klar, dass die bisherige Praxis der betäubungslosen Ferkelkastration bei Tieren, die unter 8 Tage alt sind, mit dem Ende des Jahres 2018 verboten ist. Bei ordnungsgemäßer Umsetzung des Tierschutzgesetzes hätte spätestens mit dem Bericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vor zwei Jahren der Startschuss für die drei diskutierten Verfahren, Ebermast, Impfung und Kastration unter Vollnarkose fallen müssen. Obwohl intensive Diskussionen nicht nur im politischen Raum geführt wurden, vor allem von uns immer wieder eingefordert, hat sich das zuständige Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft gemeinsam mit den betroffenen Verbänden, Einzelhändlern und Schlachtereien weggeduckt. Stattdessen haben alle Beteiligten auf den sogenannten vierten Weg gesetzt, der nach deutschem Tierschutzgesetz nicht zulässig ist, denn eine Schmerzausschaltung wird nicht erreicht. Das haben wir nicht mitgemacht und werden wir nicht mitmachen!

Deshalb standen wir vor der Entscheidung, entweder einer Verlängerung der Frist um maximal zwei Jahre zuzustimmen oder vor allem kleine und mittlere Betriebe in ihrer Existenz zu gefährden. Denn jedes Ferkel, das nicht in Deutschland geboren wird, wird durch den Import aus europäischen Nachbarländern (in denen die Ferkel nicht unter Betäubung und Schmerzausschaltung, wie wir es wollen, kastriert werden) ersetzt. Das hätte bedeutet, dass Millionen von Ferkeln über Tausende von Kilometern transportiert werden. Das wollen wir nicht. Wir wollen die Standards für unsere Lebensmittelerzeugung selbst setzen. Deshalb haben wir der Verlängerung der Übergangsfrist zugestimmt und rechtssicher festgelegt, dass spätestens am 31. Dezember 2020 endgültig Schluss mit der betäubungslosen Ferkelkastration ist und Alternativen flächendeckend zur Verfügung stehen. Dabei werden wir von Verbänden wie zum Beispiel der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft unterstützt. Diese setzt sich seit Jahren für einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft ein und organisiert alljährlich mit den Umweltverbänden die Großdemonstration „Wir haben es satt“.

Wir haben das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Gesetz dazu verpflichtet, bis zum 30. Mai 2019 endlich die Verordnung über die Sachkunde und die Anwendung von alternativen Methoden zur Ferkelkastration vorzulegen. Wir werden die Ferkelzüchtenden bei der Einführung der neuen Betäubungsmethoden unterstützen, dabei geht es uns nicht darum, ein Verfahren in den Vordergrund zu stellen. Wir sorgen dafür, dass der hohe Tierschutzstandard von Neuland (Betäubung mittels Masken) zukünftig bundesweit als praxistaugliche Alternative zur Verfügung steht - unter anderem indem wir Schulungen für Landwirt*innen fördern. Darüber hinaus werden wir Informationskampagnen durchführen, damit auch andere Alternativen wie die Ebermast oder Impfung (Immunokastration) eine realistische Chance am Markt bekommen. Durch eine Informationskampagne und ein Förderprogramm zur Unterstützung bei der Anschaffung der Narkosegeräte werden wir vor allem kleine und mittlere Betriebe unterstützen.

Derzeit sind wir mit unserem Koalitionspartner (CDU/CSU) in Verhandlung über einen Entschließungsantrag, welchen wir mit der Gesetzesänderung zur Ferkelkastration beschließen wollen. In diesem Entschließungsantrag wollen wir als SPD weiterführende Tierwohlmaßnahmen umsetzen.

In dem gerade beratenden Gesetzentwurf haben wir die Voraussetzungen geschaffen, dass spätestens am 31.12.2020 endgültig Schluss ist mit der tierschutzwidrigen betäubungslosen Ferkelkastration.

Darüber hinaus werden wir sehr genau darauf achten, welche Kriterien bei der staatlichen Tierwohlkennzeichnung angelegt werden. Sowohl die Ferkelaufzucht als auch die Sauenhaltung müssen in die staatliche Tierwohlkennzeichnung bereits in der Eingangsstufe einbezogen werden und über dem gesetzlichen Standard liegen. Die Übergangsfrist soll nicht für die kommende Tierwohlkennzeichnung gelten.

Und wir wollen, dass eine umfassende Nutztierhaltungsstrategie mit allen beteiligten Interessenvertretern erarbeitet und vereinbart wird. Diese Nutztierstrategie muss die verschiedenen „Baustellen“ des notwendigen Umbaus in der Schweinehaltung umfassen und zu rechtssicheren und für die Betriebe auch finanziell attraktiven Regelungen bis hin zum Förderrecht führen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Rainer Spiering