Frage an Rainer Spiering von Jürgen S. bezüglich Verbraucherschutz
Wallenhorst, den 3.4.2020
Sehr geehrter Herr Spiering,
vor wenigen Tagen ist der Öffentlichkeit bekannt geworden, es soll für Pauschalreisen u.a. bereits im voraus bezahlte Buchungen Gutscheine statt Erstattungen geben.
In Bezug auf Pauschalreisen bedeutet dies eine ungeheuerliche Schlechterstellung des Kunden.
Zum einen ist nicht gewährleistet ob der Gutschein im Gegensatz zum Reisepreis abgesichert ist.
Bei Umbuchungen entfällt der Frühbucherrabatt und für die Reise abgeschlossene Reiserücktrittversicherungen sind verloren. Zudem ist zu erwarten das die ähnliche Reise in 2021 aus jeden Fall nicht günstiger wird.
Da die Reiseveranstalter die Reisen zudem nur kurzfristig absagen, wird damit noch stets der volle Reisepreis eingezogen.
Beispiel: Kreuzfahrt eines älteren Ehepaars: Reisepreis: 6600,00€ Anzahlung: 1100,00€
Abbuchung 4 Wochen pro Kreuzfahrt. Bei Absage 14 Tage vor Fahrtantritt hat der Reiseveranstalter den gesamten Preis auf seinem Konto. Um welchen Summen es geht soll folgendes Beispiel deutlich machen.
Durchschnittspreis 10 Tage Kreuzfahrt zirka 2.500€. Schiff (Mein Schiff TUI zu 80% ausgebucht, 2.700 Plätze)
Monat für 1 Schiff= 3x0,8x2.700x2.500=16.200.000
Die Kunden ( Die Bundesbürger) gewähren für ein Schiff zwangsweise einen nicht abgesicherten Kredit von über 16 Millionen!!
Neben dem Kredit des Bundes für TUI (1,8 Milliarden) gewähren damit die TUI Kunden (Flugreisen, Schiffsreisen u.a.) vermutlich dem Reisekonzern einen Zwangskredit in gleicher Höhe.
Ich habe volles Verständnis für einschneidende Maßnahmen angesichts der gegenwärtigen Krise.
Was mich aber erschreckt ist folgendes:
Die Lobby der Reiseveranstalter hat es in wenigen Tagen geschafft, nahezu unauffällig, Verbraucherrechte auszuhebeln. Mir ist auch nicht klar in wieweit Sie als Abgeordneter des deutschen Bundestages bei diesen Maßnahmen beteiligt, bzw. angehört worden sind.
Ich würde daher um Ihre Stellungnahme und Meinung zu diesem Thema bitten.
Mit freundlichem Gruß
J. S.
PS: Für mich persönlich als Berufsschullehrer (wie Sie sicherlich aus eigener Erfahrung wissen) ist dies kein finanzielles Problem.
Sehr geehrter Herr Schmidt,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage.
Uns ist bewusst, dass die Tourismusbranche durch die Corona-Pandemie derzeit enormen Herausforderungen gegenübersteht. Das betrifft aber nicht nur die Unternehmen in diesem Bereich, sondern auch die Kundinnen und Kunden in großem Ausmaß. Deshalb hat sich die SPD-Bundestagsfraktion umgehend mit den Verbänden der Branche und des Verbraucherschutzes in Verbindung gesetzt, um gemeinsam tragfähige Lösungen für alle Seiten zu finden.
Klar ist: Die andauernde COVID-19-Pandemie führt zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Verwerfungen. Tourismus und Flugverkehr sind weitgehend zum Erliegen gekommen. Pauschalreiseanbieter und Fluggesellschaften sind akut gefährdet, hierdurch in existenzielle Nöte zu geraten. In absehbarer Zeit werden sie mit einer immensen Zahl an Rückzahlungsansprüchen ihrer Vertragspartner konfrontiert. Wer einen Flug oder Pauschalreise gebucht hat, die dann wegen der Pandemie abgesagt werden musste, hat einen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises. Werden die Fluggesellschaften und Pauschalreiseveranstalter durch die massenhaften Rückzahlungen in die Insolvenz getrieben, stehen auch ihre Kundinnen und Kunden auf der Verliererseite. Eine solche „lose-lose“-Situation wollen wir in jedem Fall vermeiden. Die zuständigen Ministerien arbeiten vor diesem Hintergrund an Lösungen, die u.a. die Vergabe von Reisegutscheinen und die Annahme dieser möglich machen.
Aber ich gebe Ihnen Recht: Die Verbraucherrechte sind in Deutschland ein hohes Gut und dürfen nicht abgesenkt werden. An einer Lösung zur Unterstützung der Verbraucherinnen und Verbraucher wird derzeit intensiv gearbeitet, auch vor dem Hintergrund, dass Verbraucherrechte größtenteils europarechtlich geregelt werden. Eine Pflicht zur Annahme von Gutscheinen ist daher für uns nicht der richtige Weg. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen die Wahl haben, ihre Reisekosten in Form eines Gutscheins oder in Form von Rückzahlungen zu erhalten. Diese Wahlfreiheit ist besonders jetzt wichtig, da auch sie durch die Krise in Liquiditätsschwierigkeiten geraten können. Trotzdem ist es richtig, weiter über die diversen Möglichkeiten nachzudenken und Angebote zu gestalten, die Reisegutscheine in dieser schwierigen Situation für die Wirtschaft und für uns alle insgesamt attraktiver machen.
Wir tun alles, um Lösungen zum Wohle der Betroffenen zu finden. In solchen Zeiten müssen wir zusammenstehen, uns gegenseitig helfen und unterstützen.
Wenden Sie sich bei weiteren Fragen und Anliegen gerne jederzeit an mein Büro oder auch an Frau Gabriele Hiller-Ohm, MdB. Sie ist tourismuspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.
Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute und bleiben Sie gesund.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Spiering