Portrait von Rainer Spiering
Rainer Spiering
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Rainer Spiering zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Rainer M. •

Frage an Rainer Spiering von Rainer M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Spiering,

Ich habe einige Fragen zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union (TTIP):

1. Warum wird ein wirtschaftliches Abkommen, dass massiv den einzelnen Bürger in jedem EU-Staat betrifft, geheim verhandelt? Das ist doch unsinnig!

2. Stimmt es, dass Sie als MDB keinerlei Möglichkeiten haben sich über die Fortschritte in diesen Verhandlungen zu informieren, dass aber viele Vertreter großer Konzerne frei und problemlos auf die Daten zugreifen können?
Bedeutet das, je mehr Geld, desto mehr Rechte?
Wer entscheidet, welche Menschen die Informationenen erhalten?

3. In den der EU haben bis heute mehr als 1,7 Millionen Menschen, darunter über eine Million Bundesbürger, erklärt, dass sie mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden sind, dass sie dieses Abkommen nicht gutheißen. Die Bundesregierung äußert sich nicht dazu. Was sagen Sie dazu ?

4. Stimmt es, dass die regierungsnahe Bertelsmann-Stiftung massiv die Werbetrommel für TTIP rührt? Widerspricht das nicht der angeblichen Gemeinnützigkeit dieser Stiftung? Sollten die sich da nicht einfach raushalten?

5. Nach eigenen Angaben rechnet die EU-Kommission nur mit einer Steigerung des realen Einkommens durch TTIP um 0,48% bis zum Jahre 2027, also wohl eher sehr bescheiden. Die eigentlichen Profiteure dieses Abkommnes sind aber eindeutig die multinationalen Konzerne, denen es durch ein simples Schiedsgericht (ohne Richter! Nur Anwälte...) ermöglicht werden soll, Nationalstaaten auf Entschädigung zu verklagen, wenn es nicht nach ihrer Geschäftspolitik läuft. Können Sie als Diener ihres Volkes, Ihrer Wähler unterstützen?

6. Stimmt es, dass es, unter anderem, Konzernen wie Netslé ermöglicht werden soll, Rechte an Trinkwasser (auch in Deutschland) zu erwerben, soll heißen die Privatisierung der Trinkwaserversorgung?

Vielleicht wissen Sie ja ein paar Antworten, auch wenn Ihnen scheinbar kaum was gesagt wird.

Mit freundlichen Grüßen

R.Meiners

Portrait von Rainer Spiering
Antwort von
SPD

1. Warum wird ein wirtschaftliches Abkommen, dass massiv den einzelnen Bürger in jedem EU-Staat betrifft, geheim verhandelt? Das ist doch unsinnig!

Es gibt viele Missverständnisse und Irritationen rund um die TTIP-Verhandlungen. Diese konnten nur entstehen, weil zu wenig Konkretes über den Verhandlungsverlauf an die Öffentlichkeit kam. Daher ist mehr Transparenz von Nöten, wobei allerdings der mit dem Verhandlungspartner USA verabredete Rahmen bestimmte Grenzen bei der Veröffentlichung von Verhandlungsdokumenten setzt.

Konsolidierte Texte für einzelne Kapitel gibt es bislang noch nicht. Eine Fülle von sogenannten Konzeptpapieren finden Sie bei Interesse auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ( http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/ttip.html ) und auf der Homepage der Europäischen Kommission ( http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/index_de.htm ). Auch EU-Kommissarin Malmström hat inzwischen eine Vielzahl von TTIP Dokumenten ins Netz gestellt. Diese sind online einsehbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1230

Ebenso bietet Bernd Lange (MdEP, Hauptberichterstatter für TTIP und dem EU-Kanada-Abkommen) eine Vielzahl von Texten zu TTIP und Ceta: http://www.bernd-lange.de/

2. Stimmt es, dass Sie als MDB keinerlei Möglichkeiten haben sich über die Fortschritte in diesen Verhandlungen zu informieren, dass aber viele Vertreter großer Konzerne frei und problemlos auf die Daten zugreifen können?

Bedeutet das, je mehr Geld, desto mehr Rechte? Wer entscheidet, welche Menschen die Informationen erhalten?
Die SPD-Bundestagfraktion unternimmt viel, um Wirtschaftsverbände, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Vertreter anderer gesellschaftlicher Gruppen während der TTIP-Verhandlungen über das geplante Abkommen zu informieren. Wir nutzen auch die Möglichkeit, Einschätzungen zu erhalten und Positionen zu erfragen. So hat die SPD-Bundestagsfraktion in den vergangenen Monaten mehrere Dialogveranstaltungen und Berichterstatterrunden zu TTIP durchgeführt. Dort wird regelmäßig über den Stand der Verhandlungen informiert und diskutiert sowie Kernthemen des Abkommens erörtert. Diese Treffen dienen dazu, viele Perspektiven zu beteiligen, voneinander zu lernen und deutsche Interessen auszubalancieren und entsprechend zu vertreten. Denn nur ein ausgewogenes Abkommen kann die gewünschten positiven Effekte schaffen, ohne Verbraucher- und Umweltschutzstandards zu beeinträchtigen oder Arbeitnehmerrechte und die kulturelle Vielfalt in Europa zu gefährden. Konkret werden Dokumente zur Verfügung gestellt, die die EU-Kommission der Bundesregierung im Rahmen der TTIP-Verhandlungen übermittelt, wie etwa Positionspapiere und Berichte zu den Verhandlungsrunden. Zudem werden fortlaufend alle Berichte über die Sitzungen des Handelspolitischen Ausschusses in Brüssel, der sich mit den Verhandlungen über TTIP befasst, an den Deutschen Bundestag übermittelt. Darüber hinaus beantwortet die Bundesregierung Fragen der Abgeordneten und entsendet Experten zu Beratungen in die Ausschüsse des Bundestages. Die Bundesregierung wird die Mitglieder des Deutschen Bundestages auch weiterhin über den Fortgang der Verhandlungen unterrichten.

3. In der EU haben bis heute mehr als 1,7 Millionen Menschen, darunter über eine Million Bundesbürger, erklärt, dass sie mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden sind, dass sie dieses Abkommen nicht gutheißen. Die Bundesregierung äußert sich nicht dazu. Was sagen Sie dazu ?

Es gibt zahlreiche öffentliche Äußerungen von Ministern zu den Verhandlungen. Zum Beispiel hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine grundlegende Reform des internationalen Investitionsschutzes und die darauf beruhende Schiedsgerichtsbarkeit gefordert. Dabei geht es vor allem darum, die bisherigen privatwirtschaftlich organisierten Schiedsgerichte zu öffentlich-rechtlichen Institutionen zu machen - mit Berufsrichtern statt Vertretern bezahlter Anwaltskanzleien, mit öffentlichen und transparenten Verfahren und Berufungsinstanzen. Außerdem soll die Möglichkeit für Unternehmen, solche öffentlich-rechtlichen Schiedsinstitutionen anzurufen, klar beschränkt werden. Kein Unternehmen soll vor einem Schiedsgericht besser gestellt werden können als vor einem innerstaatlichen Gericht.

Grundsätzlich ist es so, dass das Verhandlungsmandat zu TTIP und Ceta bei der Europäischen Kommission liegt. Daher können Sie davon ausgehen, dass die Bundesregierung sich direkt an die EU-Kommission wendet und nicht unbedingt über die Öffentlichkeit geht.

4. Stimmt es, dass die regierungsnahe Bertelsmann-Stiftung massiv die Werbetrommel für TTIP rührt? Widerspricht das nicht der angeblichen Gemeinnützigkeit dieser Stiftung? Sollten die sich da nicht einfach raushalten?

Mir ist die Bertelsmann Stiftung in diesem Zusammenhang bisher nicht übermäßig aufgefallen. Da sich die Bertelsmann Stiftung aber thematisch unter anderem mit der Globalisierung und ihrer Auswirkungen auf Deutschland beschäftigt, scheinen mir die Themen TTIP und Ceta logische Beschäftigungsfelder zu sein.

5. Nach eigenen Angaben rechnet die EU-Kommission nur mit einer Steigerung des realen Einkommens durch TTIP um 0,48% bis zum Jahre 2027, also wohl eher sehr bescheiden. Die eigentlichen Profiteure dieses Abkommens sind aber eindeutig die multinationalen Konzerne, denen es durch ein simples Schiedsgericht (ohne Richter! Nur Anwälte...) ermöglicht werden soll, Nationalstaaten auf Entschädigung zu verklagen, wenn es nicht nach ihrer Geschäftspolitik läuft. Können Sie als Diener ihres Volkes, Ihrer Wähler unterstützen?

Rund 40 Prozent der europäischen Industrieprodukte werden heute aus importierten Vorprodukten hergestellt. Immer mehr Waren und Dienstleistungen werden grenzüberschreitend gehandelt und Investitionen werden mehr und mehr im Ausland getätigt. Deshalb muss die Politik, müssen die EU und ihre Mitgliedsstaaten, Einfluss auf die Wechselwirkungen der Globalisierung nehmen und ihr eine Struktur geben. Die europäische Handelspolitik spielt hierbei eine wichtige Rolle. Aufgrund der Bedeutung des großen us-amerikanischen Markts für unsere Hersteller von Industriegütern, landwirtschaftlichen Produkten und unsere Dienstleistungsunternehmen spricht sich die SPD-Bundestagsfraktion, unter bestimmten Bedingungen, für ein Handelsabkommen mit den USA aus.

Die Weltwirtschaft braucht verlässliche Regeln. Wir wollen über das Abkommen globale Standards für einen fairen und nachhaltigen Welthandel setzen und den Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen im gegenseitigen Interesse voranbringen. Denn viele technische Standards in den USA und der EU unterscheiden sich, obwohl sie einen ähnlichen Zweck dienen, z.B. im Automobilbau. Durch die gegenseitige Anerkennung jener Standards und Zulassungsverfahren, die ein gemeinsames oder ähnliches Ziel verfolgen, erwarten wir uns deutliche Kostensenkungen.

Bei TTIP geht es aber nicht um die Absenkung unserer Standards, sondern um eine Vereinfachung des Exports, wovon gerade kleine und mittelständische Unternehmen profitieren. Wir wollen eine Einigung – aber nicht um jeden Preis.

Zu den Schiedsgerichten, und Ihrem Reformbedarf, hatte ich bei der dritten Frage bereits etwas geschrieben.

6. Stimmt es, dass es, unter anderem, Konzernen wie Netslé ermöglicht werden soll, Rechte an Trinkwasser (auch in Deutschland) zu erwerben, soll heißen die Privatisierung der Trinkwaserversorgung?

Die öffentliche Daseinsvorsorge wird durch TTIP nicht angetastet. Das hohe Schutzniveau für bestimmte grundlegende Dienstleistungen auf lokaler Ebene in Bezug auf Wasser, Gesundheit und Bildung in Europa steht nicht zur Debatte.

Im Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission zu TTIP, das auch auf Betreiben der Bundesregierung veröffentlicht wurde, ist verankert, dass die hohe Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge in der EU erhalten bleiben soll.

In diesem Punkt sind sich die Chefunterhändler der EU-Kommission und der USA einig, was sie auch öffentlich bekundet haben.

Für den Bereich der Daseinsvorsorge wird es eine besondere Regelung geben, die eine weitere Marktöffnung gegenüber den USA ausschließt. Das bedeutet, dass keine Verpflichtung zur Privatisierung geschaffen wird und die Kommunen auch dort, wo keine Monopole bestehen, unverändert ihre Aufgaben wahrnehmen können. Auch der Spielraum für künftige Maßnahmen - etwa für Rekommunalisierungen - bleibt erhalten.

Zusammengefasst besteht die SPD darauf, dass die in Europa und Deutschland bestehenden Verbraucher-, Umwelt- und Sozialstandards nicht durch die Freihandelsabkommen verändert werden. Wir werden auch keinerlei Veränderungen an der guten Arbeit der Wohlfahrtsverbände zulassen.

Das Gleiche gilt für die öffentliche Daseinsvorsorge und die Kulturförderung in Europa.

Wenn ein ausgehandeltes Freihandelsabkommen am Ende gute Arbeit schafft, gute Arbeitsplätze erhält und sichert, ist das ein Mehrwert auf den man stolz sein kann. So können wir unsere weltweite Position als Exportweltmeister sichern.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Spiering, MdB