Frage an Rainer Brüderle von Klaus R. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Brüderle,
welchen Standpunkt vertreten Sie bzw. die FDP hinsichtlich der aktuellen Diskussion zur Verschärfung des Waffenrechts nach dem tragischen Amoklauf von Winnenden? Ich kann eine Verunsicherung in weiten Teilen der Öffentlichkeit verstehen, oftmals sind Diskussionen allerdings unsachlich und von geringer Kenntnis der bereits heute gültigen Regelungen geprägt. Angesichts anstehender Wahlen wäre ich für einen klaren Standpunkt, der auch nachhaltig vertreten wird, sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüssen
Klaus Reinsch
Sehr geehrter Herr Reinsch,
vielen Dank für Ihre Frage. Die Ereignisse von Winnenden und Wendlingen machen nach wie vor fassungslos, und meine Gedanken sind bei den Ermordeten, deren Angehörigen und den Verletzten dieser schrecklichen Tat. Den Rettungskräften, den mutigen Polizeibeamten und Lehrern sowie den vielen Helfern, die furchtbare Bilder mit ansehen mußten, gilt mein besonderer Dank.
Die fachliche Analyse und die emotionale Bewältigung des Amoklaufes sind für die FDP noch nicht abgeschlossen. Für seriöse politische und gesetzgeberische Schlußfolgerungen ist es nach unserer Ansicht noch immer zu früh. Es bedarf einer sorgfältigen und genauen Analyse der Ursachen dieses Verbrechens.
Die dahinterstehenden Probleme sind vielschichtig. Ein verantwortungsvoller Lösungsansatz muß diese vielen, komplexen Fragestellungen behandeln. Nach der schrecklichen Tat wurden viele schnelle Vorschläge für eine erneute Verschärfung des Waffenrechts in die Diskussion gebracht. Man muß sehr darauf achten, daß nicht durch vorschnelle Vorschläge wieder Erwartungen geschürt werden, die durch gesetzliche Regelungen, durch die Politik allein nicht eingehalten werden können. Das deutsche Waffenrecht wurde bereits nach dem Amoklauf in Erfurt zwei Mal verschärft. Es ist bereits jetzt eines der strengsten der Welt. Leider hat auch ein solch strenges Waffenrecht den Amoklauf von Winnenden nicht verhindert. Kein Gesetz kann schützen, wenn es – wie in Winnenden z.B. bei der Aufbewahrungspflicht – nicht beachtet wird. Deshalb werden wir Handlungsoptionen sehr genau prüfen. Uns erscheint es sinnvoll, daß zunächst verstärkt auf einen verbesserten Vollzug des bestehenden Rechts hingewirkt wird und den Ordnungsbehörden die dafür benötigten Mittel bereitgestellt werden. Die FDP lehnt aber einen Generalverdacht und eine Vorverurteilung aller legalen Waffenbesitzer entschieden ab.
Jenseits aller politischer Vorschläge muß jeder von uns aber auch erkennen und eingestehen:
Wenn ein Mensch zu solch grausamen Taten entschlossen ist, dann können Gesetze leider oft nicht helfen. Als Gesellschaft und als Abgeordnete des Deutschen Bundestages müssen wir versuchen, solche Vorkommnisse so unwahrscheinlich wie möglich zu machen. Bei der Gewaltprävention gibt es einiges zu überdenken und möglicherweise zu überarbeiten. Vor allem benötigen wir aber eine Kultur des stärkeren Hinsehens. Es muß besser wahrgenommen werden, wenn Kinder, Schüler oder Freunde sich absondern oder Probleme haben. Das Entgegenwirken von Vereinzelungs- und Isolationstendenzen bei Personen ist eine bedeutende gesellschaftliche Aufgabe, auch und gerade vor Ort. Dies ist eine, nicht nur wegen der grausamen Tat in Winnenden und Wendlingen, Zukunftsaufgabe aller gesellschaftlichen
Kräfte, einschließlich der Politik.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Brüderle