Frage an Rainer Brüderle von Sven R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Brüderle
angesichts der alarmierenden Wirtschaftsdaten, die mit Absatzeinbrüchen der Kfz-Industrie von 30 % und mehr auf eine der schwersten Konjunkturkrisen der Nachkriegszeit hinweisen, möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht die direkte Konsumstützung bei den unteren bis mittleren Einkommensklassen für sinnvoll halten, weil dort die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, daß finanzielle Zuwendungen in erhöhten Konsum münden. Die von der FDP beabsichtigten Steuererleichterungen, so begrüßenswert diese im Prinzip sind, dürften sich tendenziell eher bei den oberen Einkommensklassen begünstigend wirken, bei denen keine wesentlich erhöhte Konsumneigung zu erwarten ist, da der finanzielle Zuwachs in der gegenwärtigen Situation wohl eher zur Erhöhung der Sparquote oder der Altersvorsorge führen.
Des weiteren möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht die Zahlung von Zuschüssen für den Kauf von Kfz-Neuwagen direkt an die Konsumenten für zielführend halten, wobei das in Form einer Versteigerung des nicht verkauften Kfz-Bestandes erfolgen könnte. Die Höhe der Zuschüsse müßte dabei in ihrem Ausmaß die sog. Abwrackprämie weit übersteigen. Sollte es wirklich so sein, daß diese Maßname in einem bestimmten Fahrzeugsegment zu einem deutlich erhöhten Absatz geführt hat, wie im Beispiel des Opel-Kleinwagen, dann kann man daran ermessen, wie groß die Wirksamkeit von direkten Zuschüssen beim Rest der Kfz-Sortiments sein dürfte. Die zu bezuschussende Zahl der Kfz-Neuverkäufe könnte man aus den durchschnittlichen Verkaufszahlen der letzten 5 Jahre ermitteln. Ziel ist in jedem Fall die Verhinderung des drohenden Abbau von Produktionskapazität. Diese wie auch die o.g. Maßnahmen wären zeitlich zu begrenzen, vielleicht auf 2 - 3 Jahre.
Ich bin mir im klaren darüber, daß diese Maßnahmen eine vorübergehende Abkehr von den bisherigen Prinzipien des Ordoliberalismus darstellen. Wir befinden uns aber in einer akuten Krisenlage und müssen entsprechend darauf reagieren.
MfG
Sven Rüger
Sehr geehrter Herr Rüger,
vielen Dank für Ihre Frage. Maßnahmen zur Konjunkturstützung, wenn sie denn überhaupt Wirkung zeigen sollen, können sich nicht vorrangig an Verteilungsgesichtspunkten orientieren. Deshalb ist Ihre Idee, Konsumstützung für die unteren bis mittleren Einkommensklassen zu betreiben, nicht geeignet, um die Finanz- und Wirtschaftskrise zu überwinden. Wie ich Ihnen kürzlich auch schon bei unserem direkten Briefwechsel geschrieben habe, halte ich nichts von direkten staatlichen Zuschüssen an Konsumenten zum Kauf von Kfz-Neuwagen. Mit Subventionen greift der Staat immer verzerrend in den Wettbewerb ein. Wenn man die Bürger entlasten und den privaten Konsum stimulieren will, sollte man den Menschen mit Steuersenkungen mehr Nettoeinkommen lassen. Jeder kann dann selbst entscheiden, wofür er sein zusätzliches Einkommen verwenden möchte. Es gibt zudem keine Anhaltspunkte, daß Entlastungen durch Steuersenkungen nicht zu zusätzlichem Konsum führen. Das Gegenteil dürfte der Fall sein, vor allem beim Absatz höherwertiger Güter. Staatliche Konsumlenkung, wie Sie sie vorschlagen, kann meines Erachtens nicht die Lösung sein. Auch die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute treten in ihrer jüngsten Gemeinschaftsdiagnose für Investitionen und Steuer- und Abgabensenkungen ein und warnen gleichzeitig vor Maßnahmen mit Subventionscharakter und solchen, die kurzfristig den Konsum anregen sollen und dabei verzerrend wirken. Mit freundlichen Grüßen
Rainer Brüderle