Frage an Rainer Brüderle von Jochen W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Brüderle,
lt. eines Berichts des Spiegel-Online ( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bruederle-wettert-gegen-hehlerei-mit-steuer-cds-a-894905.html ) haben Sie den Ankauf von Steuer-CDs durch die deutsche Steuerfahndung massiv angegriffen und diesen Vorgang als Hehlertum behandelt. Hierzu habe ich folgende Fragen:
1. Ist Ihnen als Mitglied der Legislative nicht bekannt, dass der Straftatbestand der Hehlerei bei Datensätzen niemals erfüllt sein kann, da es sich nicht um Sachen handelt (§ 259 StGB)? Von einem Politiker wäre hier doch eigentlich eine zutreffende Formulierung zu erwarten.
2. Worin besteht nach Ihrer Auffassung der Unterschied zwischen dem Kauf einer CD, die der Steuerfahndung lediglich angedient wurde, die sie also nicht in Auftrag gegeben hat und dem aktiven Tätigwerden des Staats bei der Bezahlung von Kriminellen als V-Leute oder der Ausloben von Belohnungen für Hinweise. Gerade bei derartigen Hinweisen ist es auch irrelevant, wie diese von Dritten beschafft wurden.
3. Ist Ihnen der Beschluss des BVerfG vom 09.11.2010 – 2 BvR 2101/09 bekannt, in dem das BVerfG ein Verwertungsverbot für derartige Daten ausdrücklich verneint. Damit dürfte doch m.E. die Zulässigkeit des Vorgehens der Steuerfahndung außer Frage stehen.
4. In dem Artikel nehmen Sie Bezug auf das gescheiterte Abkommen mit der Schweiz. Sind Sie wirklich der Meinung, dass Kriminelle straffrei ausgehen sollten, wenn sie nur bisher genug Nervenstärke bewiesen haben, sich dem Fiskus nicht zu offenbaren. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Steuerhinterziehung von über einer Mio. Euro regelmäßig mit Gefängnis ohne Bewährung zu bestrafen. Durch dieses Abkommen würde auf diesen Strafanspruch ohne Not verzichtet werden. Dies hat für mich auch ein Geschmäckle.
Vielen Dank für Ihre Antwort,
mit freundlichen Grüßen,
Sehr geehrter Herr Wauts,
vielen Dank für Ihre Frage.
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Sie muss verfolgt und entsprechend bestraft werden. Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP hat im Mai 2011 die Regeln der Selbstanzeige übrigens bereits verschärft.
Auch wenn der Erwerb von Steuer-CDs grundsätzlich rechtlich zulässig ist, bleibt diese Praxis aus meiner Sicht fragwürdig und mit einem faden Beigeschmack behaftet. Schließlich sind die Daten von Steuersündern durch Rechtsbrüche zugänglich gemacht worden. Deutsche Behörden sollten aber nicht zu Rechtsbrüchen im Ausland animieren. Darüber hinaus sollte das Problem grundsätzlich angegangen werden. Spektakuläre Einzelfälle tragen dazu allerdings wenig bei.
Das Steuerabkommen, das wir mit der Schweiz verhandelt haben, wäre dagegen ein ernsthaftes Instrument gewesen, um das Problem grundsätzlich in den Griff zu bekommen. Dadurch hätten wir ein geordnetes Verfahren, das Steuerhinterziehung entgegenwirkt. Und es würde rückwirkend auf zehn Jahre eine Nachbesteuerung von bis zu 41 Prozent aller dieser Fälle anfallen - mit Steuereinnahmen in Höhe von etwa zehn Milliarden Euro. Die Blockade des Abkommens durch SPD, Grüne und Linke im Bundesrat ist daher sehr schädlich. Im Übrigen verjähren durch eine fortgesetzte Blockade immer mehr Fälle, die dann nicht mehr von der Justiz verfolgt werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Brüderle